Vermeidbare Fehler bei der Aktiengesellschaft

Tipps für Vorstand & Aufsichtsrat

Welche Fehler Aufsichtsrat und Vorstand der Aktiengesellschaft vermeiden können.

Veröffentlicht am: 08.09.2022
Lesedauer:

DE/EN: Dieser Beitrag ist auch auf englisch verfügbar! / This article is available in english.

Fehler von Vorständen und Aufsichtsräten und deren Folgen dringen bei börsennotierten Aktiengesellschaften nicht zuletzt durch entsprechende Medienberichterstattungen regelmäßig in die Öffentlichkeit. Aber auch bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, immerhin knapp 15.000 in Deutschland, gibt es typische Fehler, die nicht selten mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand behoben werden müssen.

Auch wenn diese es allenfalls in die Regionalnachrichten schaffen, droht Vorstand und Aufsichtsrat die persönliche Haftung, wenn die Fehler auf einer Verletzung ihrer aktienrechtlichen Pflichten beruhen und der Gesellschaft hierdurch ein Schaden entstanden ist. Werden Fehler entdeckt, hört man immer wieder „bei unserer GmbH haben wir das doch immer so gemacht“. Um typische Fehler und deren Folgen zu vermeiden, sollen nachfolgend typische Fehler von Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat aufgezeigt werden.

Für einen Überblick über die kleine AG, deren Gründung und Besonderheiten können Sie gern auch unser Kurzvideo schauen: Video – kleine AG

1. Keine Umlaufbeschlüsse der Aktionäre

Gerade bei einem kleinen Aktionärskreis wird gerne auf die Abhaltung einer förmlichen Hauptversammlung verzichtet. Vielmehr wird von den aus dem GmbH-Recht bekannten Möglichkeiten Gebrauch gemacht, Versammlungen telefonisch oder mittels Videokommunikation abzuhalten oder es wird auf die Abhaltung einer Versammlung ganz verzichtet und Beschlüsse werden durch Unterzeichnung einer Beschlussvorlage im sog. Umlaufverfahren gefasst.

Der Gesetzgeber hat derartige Beschlussfassung jedoch nur den Gesellschaftern einer GmbH zugestanden. Im Recht der Aktiengesellschaft fehlt eine entsprechende Regelung, sodass entsprechende Beschlüsse von Aktionären keine Wirkungen entfalten.

Da nach dem Wortlaut der neuen gesetzlichen Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft auf einen Ort der Hauptversammlung nicht verzichtet wurde, dürfte nach wie vor eine Beschlussfassung der Aktionäre per Videotelefonie oder im Umlaufverfahren nicht möglich sein.

Zusammenkunft von Vorstand und Aufsichtsrat erforderlich

Für Beschlussfassungen der Aktionäre ist jedenfalls die Zusammenkunft von Vorstand, Aufsichtsrat und ggf. Abschlussprüfer erforderlich. Bei einem überschaubaren Aktionärskreis folgt hieraus, dass Beschlüsse jedenfalls dann wirksam gefasst werden können, wenn Vorstand und Aufsichtsrat zu einer Hauptversammlung zusammenkommen und eine Person von allen Aktionären zur Stimmabgabe bevollmächtigt wird. Aktionäre, die nicht selbst an der Hauptversammlung teilnehmen wollen oder können, haben also die Möglichkeit Ihre Stimme durch einen Bevollmächtigten oder im Vorwege per Briefwahl abzugeben.

Im Übrigen können Beschlüsse auch ohne die Einhaltung der Formalien an die Einladung und Abhaltung einer Hauptversammlung geschlossen werden, wenn alle Aktionäre erschienen oder vertreten sind.

2. Gefahr: Protokollierungsmängel

Jeder Beschluss einer Hauptversammlung muss in einer sog. Niederschrift protokolliert werden. Zu den gesetzlichen (Mindest-)Anforderungen einer solchen Niederschrift gehören unter anderem die Art und das Ergebnis der Abstimmung sowie eine förmliche Feststellung des Beschlussergebnisses. Bei Verstößen droht die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse.

Besonders misslich wird dies, wenn die Beschlussfassung in das Kompetenzgefüge der Gesellschaftsorgane eingreift, etwa die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds betrifft. Denn ein nicht wirksam bestelltes Aufsichtsratsmitglied kann nicht wirksam an Beschlussfassungen des Aufsichtsrates teilnehmen, so dass auch deren Beschlüssen die Nichtigkeit droht.

Informationen & Risiken für Versammlungsleiter

Bei einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft darf diese Niederschrift von dem Versammlungsleiter angefertigt werden, soweit keine Beschlüsse gefasst werden, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt.

Als potentieller Versammlungsleiter ist man deshalb gut beraten, sich im Vorwege mit den inhaltlichen Anforderungen an eine Niederschrift vertraut zu machen. Insbesondere deshalb, um eine mögliche persönliche Inanspruchnahme für Kosten einer notwendigen Folgeversammlung zu vermeiden.

3. Zahlung von Vorabgewinnen

Bei der GmbH und ihren Gesellschaftern fast der Regelfall, bei der Aktiengesellschaft und regelmäßig unzulässig: Die Zahlung von sog. Vorabgewinnen.

Gemeint sind hiermit Zahlungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter, mit denen ein erwarteter Jahresgewinn bereits vor der Beschlussfassung über die endgültige Gewinnverteilung an die Gesellschafter ausgekehrt wird. Üblicherweise erfolgen derartige Zahlungen bereits während des noch laufenden Geschäftsjahres oder nach dessen Ende, aber noch vor Feststellung des Jahresabschlusses.

Am Ende des Geschäftsjahres wird dann von den Gesellschaftern über die Verwendung des Bilanzgewinns, der unter Berücksichtigung der Vorabgewinnausschüttung ermittelt wird, beschlossen. Auch wenn eine gesetzliche Regelung zu diesem Vorgehen für die GmbH nicht existiert, ist es im Grundsatz allgemein anerkannt.

Anders im Aktienrecht, wo mit § 59 AktG eine dezidierte Regelung für die „Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn” existiert. Werden die dortigen Voraussetzungen nicht eingehalten, sind die Aktionäre, soweit Abschlagszahlungen geleistet wurden, grundsätzlich zur Rückzahlung der Abschlagzahlungen verpflichtet. Ist von den Aktionären nichts zu erlangen, können derartige Zahlungen für Vorstand und Aufsichtsrat in einem finanziellen Fiasko enden, denn sie haften der Gesellschaft für den durch die Auszahlung entstehenden Schaden.

4. Fehlerhafte Gewinnverwendungsbeschlüsse

Während die Gesellschafter bei einer GmbH im Zuge der Feststellung des Jahresabschlusses auch über die Verteilung des Jahresüberschusses beschließen, entscheiden die Aktionäre bei der Aktiengesellschaft lediglich über den sog. Bilanzgewinn.

Stark vereinfacht weist der Jahresüberschuss den Betrag aus, den das Unternehmen im Geschäftsjahr tatsächlich verdient hat. Der Bilanzgewinn konkretisiert lediglich den Betrag, welcher an die Anteilseigner ausgeschüttet wird.

Hintergrund dieser unterschiedlichen Beschlussgegenstände ist die Verpflichtung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, Teile des Gewinns für die Rücklagenbildung zu verwenden.

Entscheiden die Aktionäre folglich über den Jahresüberschuss, wie es bei der GmbH üblich ist, hat der Vorstand seine Pflichten verletzt (und der Aufsichtsrat im Zweifel seine Überwachungspflicht), weil keine Beträge in die Rücklage eingestellt wurden. Neben der persönlichen Haftung der Organmitglieder droht ferner die Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse. Haben die Aktionäre ihre Dividende dann bereits erhalten, können Sie zur Rückzahlung verpflichtet sein.

5. Fehlende Meldungen über den Anteilsbesitz

Während Aktionäre von börsennotierten Aktiengesellschaften ab einem Stimmrechtsanteil von 3% verpflichtet sind, dies gegenüber der Gesellschaft zu melden, ist dies bei der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft erst bei einem Anteilsbesitz von mehr als 25% erforderlich. Wird diesen Meldepflichten nicht nachgekommen, verlieren die betroffenen Aktien ihre Rechte. Betroffen von dem Rechtsverlust sind insbesondere das Stimmrecht, das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung, das Rede- und Fragerecht in der Hauptversammlung sowie das Recht zur Erhebung eines Widerspruchs und die Anfechtungsbefugnis.

Gerade bei Aktiengesellschaften mit kleinem Aktionärskreis kann ein Verlust des Stimmrechts gravierende Folgen haben. Nicht nur, dass sich das Kräfteverhältnis im Aktionärskreis verschiebt. Auch sind Hauptversammlungsbeschlüsse, die unter Berücksichtigung der, eigentlich einem Rechtsverlust unterliegenden, Stimmen zustande kommen, grundsätzlich anfechtbar.

Von dem Rechtsverlust wird aber auch das Recht erfasst, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, wenn es den Inhabern bestimmter Aktien zusteht, sodass im Zweifel ein nicht ordnungsgemäß besetztes Organ besteht und handelt.

6. Fehlendes oder unzutreffendes Aktienregister

Hat die Aktiengesellschaften Namensaktien ausgegeben, ist sie verpflichtet, ein sog. Aktienregister (vergleichbar der Gesellschafterliste bei der GmbH) zu führen und stets aktuell zu halten.

Da gegenüber der Aktiengesellschaft nur derjenige als Aktionär gilt, wer als solcher im Aktienregister eingetragen ist, hat die Vernachlässigung des Aktienregisters erhebliche Folgen.

Werden zur Hauptversammlung Aktionäre eingeladen, obwohl sie nicht im Aktienregister eingetragen sind und wirken diese dann an Beschlussfassungen mit, sind gefasste Beschlüsse der Hauptversammlung, trotz Übereinstimmung mit der wirklichen Eigentumslage, anfechtbar. Wird einer darauf gestützten Anfechtungsklage stattgegeben, dürfte die persönliche Haftung des Vorstands offensichtlich sein.

Fazit: Guter Rat…

…kann teuer sein, muss es aber nicht!

Wer die Rechtsform der (nicht börsennotierten) Aktiengesellschaft für seine Geschäftstätigkeit wählt und/oder das Amt eines Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitgliedes antritt, sollte sich zwingend mit den Vorgaben des Aktiengesetzes vertraut machen.

Nicht nur, dass Fehler in der Vergangenheit häufig erst deutlich später im Rahmen eines Verkaufsprozesses auftreten und dann unter Umständen zu einem Deal-Breaker werden. Es droht auch die persönliche Haftung der handelnden Personen, wenn entsprechende Fehler aufgedeckt und kostenauslösend beseitigt werden müssen.