Die Herabsetzung der Vorstandsvergütung

Wie sollte der Aufsichtsrat mit diesem Haftungsrisiko umgehen?

Seit nunmehr fast zwei Jahren beschäftigt die Corona-Pandemie nicht nur das öffentliche Leben, sondern mehr und mehr auch die Leitungs- und Überwachungsorgane der Unternehmen in Deutschland.

Veröffentlicht am: 01.02.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Gesellschaftsrecht in München
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Umsatzeinbußen und damit einhergehende finanzielle Verluste in der Corona-Pandemie haben dazu geführt, dass in zahlreichen Aufsichtsräten auch die Frage nach einer Verpflichtung zur Herabsetzung der Vorstandsbezüge diskutiert wird.

Wann muss die Vorstandsvergütung herabgesetzt werden?

Gem. § 87 Abs. 2 S. 1 AktG soll der Aufsichtsrat die Bezüge der Vorstandsmitglieder auf eine angemessene Höhe herabsetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung so verschlechtert, dass die Weitergewährung der vereinbarten Vorstandsvergütung unbillig für die Gesellschaft wäre.

Trotz dieses vermeintlich klaren Wortlautes findet die Regelung in deutschen Aktiengesellschaften heute kaum Anwendung. Warum das so ist, zeigt sich, wenn man sich mit den Voraussetzungen des § 87 einmal näher auseinandersetzt:

Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft

Grundvoraussetzung für eine Herabsetzung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat ist eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft nach Abschluss des Anstellungsvertrags. Eine unmittelbar bevorstehende Insolvenz oder existenzbedrohende Krise ist hierfür aber nicht erforderlich.

Der Gesetzgeber ging davon aus, dass eine für die Herabsetzung der Vorstandsvergütung ausreichende Verschlechterung der Lage bereits dann vorliegen könne, wenn die Gesellschaft Mitarbeiter entlassen oder Löhne kürzen müsse und keine Gewinne mehr ausgeschüttet werden können.

Unbilligkeit der Weitergewährung der vereinbarten Bezüge

Hat sich die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft nach Abschluss des Anstellungsvertrags verschlechtert, muss die Weitergewährung der vereinbarten Bezüge zudem für die Gesellschaft unbillig sein. Die Anwendung dieses „schwammigen“ Rechtsbegriffs bereitet in der Praxis die meisten Schwierigkeiten.

Dass die Weiterzahlung der Bezüge jedenfalls dann unbillig erscheint, wenn die Verschlechterung der Lage auf ein pflichtwidriges Verhalten des Vorstandsmitglieds zurückzuführen ist, leuchtet noch ein. Unbillig kann die Weiterzahlung der Bezüge aber auch dann sein, wenn dem Vorstandmitglied zwar kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, ihm die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch zurechenbar ist.

Dies ist – wie so häufig – eine Frage des Einzelfalls, die nur im Rahmen einer Abwägung der Vermögenslage der Gesellschaft mit den Interessen des betroffenen Vorstandsmitglieds entschieden werden kann.

Pflicht zur Herabsetzung der Vorstandsvergütung

Hat der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Prüfung festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Vorstandsvergütung vorliegen, ist er regelmäßig verpflichtet, die Vergütung des Vorstandes auf eine angemessene Höhe herabzusetzen.

Die Herabsetzungsentscheidung muss durch den gesamten Aufsichtsrat im Beschlusswege getroffen werden; die Entscheidung eines Ausschusses ist nicht ausreichend. Wird die Vergütung nicht nur befristet herabgesetzt, muss der Aufsichtsrat zudem regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen der Herabsetzung weiterhin vorliegen und die Vergütung anderenfalls, ggf. auch schrittweise, wieder anheben.

Es gibt aber Ausnahmen für den Aufsichtsrat!

Nur ausnahmsweise kann der Aufsichtsrat von einer entsprechenden Beschlussfassung absehen. Dies etwa dann, wenn das Unternehmensinteresse die Folgen einer Herabsetzung der Vorstandsvergütung überwiegt.

So steht Vorstandsmitgliedern nach einer Herabsetzung der Vergütung ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu, so dass im schlimmsten Fall, das Vorstandsmitglied nicht mehr zur Verfügung steht. Auch das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit darf bei der Abwägungsentscheidung des Aufsichtsrats Berücksichtigung finden. Nicht nur, dass gerichtliche Auseinandersetzungen mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern dem Ansehen des Unternehmens insgesamt schaden können, auch andere Marktteilnehmer, wie etwa Banken oder Lieferanten, könnten dies zum Anlass nehmen und ihre Geschäftsbeziehung mit der Gesellschaft an die verschlechterte Lage anpassen.

Der Aufsichtsrat ist also aufgerufen, das Interesse der Gesellschaft an einer Herabsetzung der Vorstandsvergütung mit den möglichen Folgen eines solchen Herabsetzungsbeschlusses sorgfältig abzuwägen.

Welche Gehaltsbestandteile können herabgesetzt werden?

Während des Dienstverhältnisses eines Vorstandsmitgliedes können sämtliche oder auch nur einzelne Gehaltsbestandteile der Vergütung herabgesetzt werden. Aber auch Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge ausgeschiedener Vorstandsmitglieder können innerhalb von drei Jahren nach dem Ausscheiden herabgesetzt werden.

Eine Rückforderung bereits gewährter Vergütungen sieht das Gesetz im Rahmen des § 87 AktG jedoch nicht vor.

Höhe der Herabsetzung der Vorstandsvergütung

Ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Höhe der Herabsetzung besteht für den Aufsichtsrat der Rechtsprechung zufolge nicht. Die Herabsetzung der Vorstandsvergütung müsse schlicht auf den gerade noch der Billigkeit entsprechenden Betrag erfolgen. Dies kann so weit reichen, dass die Vergütung des Vorstandsmitgliedes im Einzelfall sogar die Vergütung eines leitenden Angestellten unterschreitet. Auch kann der Aufsichtsrat nicht ohne sachlichen Grund einzelne Vorstandsmitglieder von der Herabsetzung ausnehmen; die einzelnen Vorstandsmitglieder müssen grundsätzlich gleichbehandelt werden.

Haftungsrisiko für den Aufsichtsrat

Unterlässt der Aufsichtsrat eine Herabsetzung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen oder fasst einen fehlerhaften Herabsetzungsbeschluss, droht den Mitgliedern des Aufsichtsrates eine Pflicht zum Ersatz des daraus resultierenden Schadens der Gesellschaft.

In der Praxis erweist sich die drohende Schadensersatzpflicht häufig jedoch als stumpfes Schwert. Da die Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sind, müsste der Vorstand diese Ansprüche gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern geltend machen und im Zweifel auch durchsetzen. Selten besteht jedoch ein gesteigertes Interesse des Vorstandes an einer Verfolgung der unterlassenen Herabsetzung der Vorstandsvergütung.

Anders sieht es natürlich aus, wenn sich die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft weiter verschlechtert und das Insolvenzverfahren unausweichlich wird. Der Insolvenzverwalter wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit prüfen, ob und warum der Aufsichtsrat es bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterlassen hat, die Vorstandsvergütung herabzusetzen, und entsprechende Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats geltend machen.

Dokumentation ist alles…

Aufsichtsratsmitgliedern kann nur empfohlen werden, vor jeder Entscheidung über die Herabsetzung der Vorstandsvergütung eine umfassende Informationsgrundlage zu schaffen und sowohl den Abwägungsprozess als auch die Entscheidungsfindung lückenlos zu dokumentieren.

 

Weiterführend zum Thema unser > YOUTUBE-Video Vorstandsvergütung.