Neues Gesetz - Arbeitsvertrag jetzt prüfen & anpassen!

Neue Vorschriften für Arbeitsverträge aus EU-Richtlinie

Nach Umsetzung einer EU-Richtlinie gelten neue Vorschriften im Arbeitsrecht für Arbeitsverträge, die eine Anpassung alter Verträge erfordern, um Bußgelder zu vermeiden.

Veröffentlicht am: 26.07.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg
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Mehr oder minder unbemerkt von der Öffentlichkeit tritt zum 01.08.2022 eine Gesetzesänderung in Kraft, die eine Überprüfung und unter Umständen auch Änderungen an bestehenden deutschen Arbeitsverträgen erforderlich machen kann.

Neue EU-Richtlinie ändert Vorschriften im Arbeitsrecht

Die Rechtsänderung geht zurück auf die sogenannte Arbeitsbedingungenrichtlinie der EU aus dem Jahr 2019, welche der deutsche Gesetzgeber bis zu diesem Datum in nationales Recht umsetzen muss. Die Änderungen finden sich im Wesentlichen den § 2 des Nachweisgesetzes sowie auch in einigen anderen Gesetzen.

Das Nachweisgesetz regelt, dass die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen sind. Grundsätzlich werden die Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz auch dadurch erfüllt, wenn es einen schriftlichen Arbeitsvertrag gibt und dieser alle nach dem Nachweisgesetz erforderlichen Informationen für den Arbeitnehmer bereits enthält.

Bisherige Pflichtangaben nach dem Nachweisgesetz

Das bis zum 31.07.2022 geltende Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber dazu, einem Arbeitnehmer spätestens bis einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die folgenden Inhalte des Arbeitsvertrags schriftlich nachzuweisen:

  1. Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
  2. Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
  3. die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses bei befristeten Arbeitsverhältnissen,
  4. der Arbeitsort
  5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
  6. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit,
  7. die vereinbarte Arbeitszeit,
  8. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
  9. die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,
  10. in allgemeiner Form gehaltene Hinweis auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

Neue Pflichtangaben nach Reform im Vergleich

Die Pflichtangaben nach dem neuen Nachweisgesetz werden umfangreicher und sie müssen auch schneller erfüllt werden, nämlich innerhalb von sieben Tagen ab Beginn des Arbeitsverhältnisses. Nach neuer Rechtslage ist zusätzlich über folgende Punkte zu informieren:

  1. das End­da­tum bei befristeten Ar­beits­verhält­nis­sen,
  2. die Möglichkeit zur freien Wahl des Ar­beits­orts durch den Ar­beit­neh­mer, soweit diese besteht,
  3. so­fern ver­ein­bart, die Dauer der Pro­be­zeit,
  4. die Zu­sam­men­set­zung und die Höhe des Ar­beits­ent­gelts ein­schließlich der Vergütung von Über­stun­den, Zu­schlägen, Zu­la­gen, Prämien und Son­der­zah­lun­gen so­wie an­de­rer Be­stand­teile des Ar­beits­ent­gelts, die je­weils ge­trennt an­zu­ge­ben sind und de­ren Fällig­keit so­wie die Art der Aus­zah­lung,
  5. die ver­ein­barte Ar­beits­zeit, ver­ein­barte Ru­he­pau­sen und Ru­he­zei­ten so­wie bei ver­ein­bar­ter Schicht­ar­beit das Schicht­sys­tem, der Schicht­rhyth­mus und Vor­aus­set­zun­gen für Schichtände­run­gen,
  6. bei Ar­beit auf Ab­ruf ne­ben der Ver­ein­ba­rung, dass der Arbeitnehmer seine Ar­beits­leis­tung ent­spre­chend dem Ar­beits­an­fall zu er­brin­gen hat, die Zahl der mindestens zu vergüten­den Stun­den, der Zeit­rah­men, welcher für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist sowie die Frist, innerhalb welcher der Arbeitgeber die Lage der Ar­beits­zeit im Vor­aus mitzuteilen hat,
  7. so­fern ver­ein­bart, die Möglich­keit der An­ord­nung von Über­stun­den und de­ren Vor­aus­set­zun­gen,
  8. ein et­wai­ger An­spruch auf vom Ar­beit­ge­ber be­reit­ge­stellte Fort­bil­dung,
  9. wenn der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer eine be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung über einen Ver­sor­gungsträger zu­sagt, der Name und die An­schrift dieses Ver­sor­gungsträgers, wobei diese Nach­weis­pflicht entfällt, wenn der Ver­sor­gungsträger zu die­ser In­for­ma­tion ver­pflich­tet ist,
  10. das bei der Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vom Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer ein­zu­hal­tende Ver­fah­ren, min­des­tens das Schrift­for­mer­for­der­nis und die Fris­ten für die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses so­wie die Frist zur Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­klage.

Neuverträge ab dem 1. August 2022 vs. Altverträge

Die Neuregelungen aus der Arbeitsbedingungenrichtlinie betreffen Altverträge, die bereits vor dem 01.08.2022 bestanden haben, grundsätzlich nicht. Sie gelten für Altverträge nur dann, wenn ein Arbeitnehmer es ausdrücklich verlangt, über die neu im Nachweisgesetz aufgenommenen Informationen unterrichtet zu werden oder wenn Altverträge geändert werden sollen. Bezüglich solcher Altverträge müssen Arbeitgeber also nicht zwingend von sich aus aktiv werden.

Allerdings können fehlende, unvollständige oder falsche Informationen, die nach dem Nachweisgesetz erteilt werden müssten, mit einem Bußgeld von bis zu EUR 2.000,00 sanktioniert werden.

Kritisch: Hinweis auf Kündigungsschutzklage

Eine interessante Neuregelung ist hier vor allem der in Zukunft verpflichtende Hinweis des Arbeitgebers auf die gesetzlichen Fristenregelungen zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Das Nachweisgesetz lässt es in diesem Punkt zu, dass man allgemein auf die gesetzlichen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes verweist.

Dieser Hinweis könnte bei Arbeitnehmern aber auch zu der Fehlvorstellung führen, dass eine Kündigung stets mit Erfolgsaussichten angegriffen werden könnte – auch wenn gegebenenfalls gar kein Kündigungsschutz besteht. Möglicherweise provoziert dieser Hinweis also gerade erst aussichtslose Kündigungsschutzklagen.

Im neuen Nachweisgesetzes wird dazu allerdings ausdrücklich klargestellt, dass § 7 KSchG (dieser regelt die Wirksamkeit der Kündigung – unabhängig von der materiell-rechtlichen Lage – bei Versäumung der Klagefrist von drei Wochen) auch dann Anwendung findet, wenn auf die gesetzliche Fristenregelung nicht wie vorgeschrieben hingewiesen wurde.

Fazit: Arbeitgeber müssen aktiv werden - Arbeitnehmer dürfen.

In jedem Fall sollten Arbeitgeber überprüfen, ob ihre vorliegenden Arbeitsverträge alle verpflichtenden Informationen enthalten oder ob gegebenenfalls Anpassungen und Ergänzungen durch die Gesetzesänderung notwendig werden. Nur so können Bußgelder verhindert werden, die durch stichprobenartige Überprüfung durch die Behörden geltend gemacht werden sollen.

Arbeitnehmer dagegen können ebenfalls die Initiative ergreifen und um eine entsprechende Anpassung ihrer Arbeitsverträge in Bezug auf die neuen Inhalte fordern.