Security Token Offerings im Deutschen Recht

Ein Ökosystem im Entstehen

Veröffentlicht am: 05.02.2020
Qualifikation: Fachanwalt für Gesellschaftsrecht
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Der erste von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligte Wertpapierprospekt für sogenannte „Security Token“ datiert auf den 30. Januar 2019. Vor ziemlich genau einem Jahr wurde damit erstmals ein vollständig mit dem deutschen (und damit auch europäischen) Wertpapierrecht konformer „Security Token“ im Markt platziert. Im vergangenen Jahr wurden einige weitere derartige Wertpapierprospekte mit Billigung der BaFin veröffentlicht und insgesamt ein dreistelliger Millionenbetrag über das neuartige, auch als „elektronisches Wertpapier“ bezeichnete Verfahren von Anlegern eingesammelt. Während die Medienresonanz auf die ersten deutschen „Security Token Offerings“ (STO) riesig war, wurde über eine weitere Entwicklung im Bereich der STOs weniger engmaschig berichtet: In der zweiten Jahreshälfte 2019 vergab die BaFin auch erstmals die Erlaubnis zur Anlagevermittlung an Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich explizit und exklusiv auf die Vermittlung von tokenisierten Assets bezieht.

Pioniereigenschaft der Inhaberschuldverschreibung

Bei den bisherigen Security Token Offerings nach deutschem Recht handelt es sich um die Emission von qualifiziert nachrangigen Inhaberschuldverschreibungen, die – anstatt in einer sammelverwahrten Urkunde – auf einer Blockchain abgebildet sind. Es eignen sich verschiedene Blockchain Protokolle dafür, derartige Emissionen technisch umzusetzen. Bislang sind insbesondere die Ethereum- und Stellar-Blockchains mit ihren weit entwickelten und vergleichsweise schnellen Protokollen genutzt worden, es wären technisch jedoch auch andere Plattformen für die Emission und weitere Abwicklung denkbar, viel diskutiert wird beispielsweise EOS.

Grundsätzlich handelt es sich rechtstechnisch um einen Emissionsvorgang, der sich aus Perspektive der Anleger nicht wesentlich von der Emission einer traditionellen Inhaberschuldverschreibung unterscheidet: Der interessierte Anleger informiert sich über das insolvenzrechtlich nachrangige Anlageprodukt und dessen Konditionen durch Studium des vom Emittenten (also demjenigen, der Fremdkapital über ein öffentliches Angebot aufnehmen möchte) veröffentlichten Wertpapierprospekts. Die Inhaberschuldverschreibung ist laufzeitgebunden und endfällig, wird also nach Ablauf einer vorab festgelegten Frist vollständig zurückgezahlt. Regelmäßig wird die Laufzeit zwischen 5 und 30 Jahren liegen, im Segment der STOs eher zwischen 5 und 10 Jahren. Eine Rendite erhält der Anleger für das eingesetzte Kapital in Form von jährlichen Zinszahlungen, die in aller Regel eine feste und eine variable Komponente beinhalten – beispielsweise 4 % garantierten jährlichen Zins auf den eingesetzten Nominalbetrag und eine pro-rata Partizipation am Unternehmenserfolg des Emittenten in einer bestimmten prozentualen Höhe. Es handelt sich also um eine Kombination aus (relativ) sicherem Investment mit Garantiezins und einem vom Unternehmenserfolg abhängigen Zinszuschlag.

Noch keine Zulassung an regulierten Märkten beantragt

Ein nicht ganz unerheblicher Nachteil an den elektronischen Inhaberschuldverschreibungen (bzw. Security Token) ist die in der Praxis mangelnde Handelbarkeit der Token. Zwar ist die Inhaberschuldverschreibung auch in tokenisierter Form ohne weiteres handel- und übertragbar, indem der entsprechende Token als Träger der Zins- und Rückzahlungsansprüche zwischen Inhabern übertragen wird. Gleichwohl hat bislang keiner der Emittenten eine Zulassung der Security Token an einem regulierten Markt im Sinne der MiFID (EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, 2014/65/EU) beantragt, da dies mit erheblichen weiteren Kosten verbunden wäre. Damit ist tatsächlich – wie bei allen nicht an einem regulierten Markt zum Handel zugelassenen Inhaberschuldverschreibungen – eine reduzierte Fungibilität der Assetklasse Security Token gegeben.

Aufgrund der vergleichsweise kostengünstigen – da weitgehend ohne Intermediäre durchführbaren – Vermarktung einer elektronischen Inhaberschuldverschreibung im Wege eines STO ist aber davon auszugehen, dass die Zahl der STOs sich in den kommenden Monaten und Jahren vervielfachen wird. Je größer die Volumen werden, die durch STOs insgesamt eingeworben werden, desto lohnenswerter wird für einen potentiellen Anbieter der Aufbau eines multilateralen Handelssystems, bzw. einer „Börse“, für solche Security Token. Die jüngsten Entwicklungen im regulatorischen Umfeld, die Pläne der Bundesregierung im Rahmen ihrer Blockchain-Strategie sowie die gerade erfolgten Anpassungen des KWG im Hinblick auf die Aufnahme von Kryptowerten in die Definition der Finanzinstrumente sind ganz deutliche Zeichen dieser bereits angelaufenen Marktentwicklung. Wie eingangs angedeutet, erlangten die ersten Unternehmen, deren Plan es ist mittelfristig entsprechende Internetplattformen zu betreiben, in der zweiten Jahreshälfte 2019 die Erlaubnis der BaFin zur Anlagevermittlung in Bezug auf Krypto-Assets.

Perspektivisch wird sich ein eigener Markt für Kryptoassets entwickeln

Dem Vernehmen nach befinden sich darüber hinaus gerade verschiedene Anbieter in der Planungs- und Umsetzungsphase zur Erlangung einer Lizenz für den Betrieb eines multilateralen Handelssystems für Security Token und andere tokenisierte Assets, wobei neben den Inhaberschuldverschreibungen perspektivisch auch die Tokenisierung weiterer Assetklassen möglich erscheint. Viel diskutiert wird in diesem Zusammenhang die „Tokenisierung von Immobilien“. Hier gab es im Jahr 2019 die ersten Gehversuche, indem eine Wiesbadener Immobilie von einer eigens gegründeten Aktiengesellschaft (SPV oder „special purpose vehicle“-Gesellschaft) erworben und die Aktien der Gesellschaft an qualifizierte Investoren verkauft wurden, wobei die Aktien auf einer Blockchain nachgebildet wurden und die Ausschüttungen der Aktionäre darüber abgewickelt wurden. Dieses Modell ist für den Moment eher Marketing und für Privatanleger nicht ohne weiteres umsetzbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich vergleichbare Modelle im B2B-Geschäft mit Immobilien und anderen Beteiligungsobjekten in naher Zukunft durchsetzen ist allerdings sehr hoch, insbesondere da die wahren Stärken der Blockchain-Technologie an sich in der Abwicklung des Handels mit tokenisierten Assets liegen dürfte – ein solcher Handel kann im Grunde ohne Intermediäre, in Echtzeit und mit vergleichsweise minimalen Transaktionskosten erfolgen.