Änderungsvorbehalt im Ehegattentestament

Was geht beim Berliner Testament?

Regelmäßig errichten Ehegatten gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen (Erbverträge und Testamente). Großer Beliebtheit erfreut sich dabei das sogenannte „Berliner Testament“. Beim Berliner Testament setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben des letztversterbenden Ehegatten ein.

Veröffentlicht am: 03.12.2020
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Eine wichtige Frage ist in dieser Konstellation, ob der längerlebende Ehegatten die Möglichkeit haben soll, dass Testament nach dem Tod des zuerstversterbenden Ehegatten noch zu ändern. Um dies zu gewährleisten, ist es möglich, einen Änderungsvorbehalt in das Testament aufzunehmen. Mit einem solchen Änderungsvorbehalt musste sich in einer aktuellen Entscheidung das Oberlandesgericht Frankfurt auseinandersetzen (Beschluss vom 18.5.2020 – Aktenzeichen 21 W 165/19).

Berliner Testament mit Änderungsvorbehalt

Im Jahr 1994 errichteten die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament. Hierin setzten sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben und ihre beiden Töchter A und B zu gleichen Teilen als Schlusserben ein. Zudem nahmen sie in das Testament folgenden Textbaustein auf: 

Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich. Sie können daher nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden. Nach dem Tode eines Teils von uns, soll der überlebende Teil aber berechtigt sein, seine Verfügungen abzuändern, jedoch nur in Bezug auf die Verteilung des Vermögens unter unseren gemeinschaftlichen Kindern und deren Abkömmlingen“.

Darüber hinaus errichtete die Ehefrau ein weiteres (undatiertes) Testament, in dem sie bestimmte, dass „das Land“ an ihre Tochter A gehen solle. Die Tochter B solle nichts erhalten. Der Ehemann verstarb im Jahr 2002, die Ehefrau im Jahr 2019.

Erbscheinsantrag der Tochter

Nach dem Tod der Ehefrau hat die Tochter A beim Nachlassgericht einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Ihre Schwester B hat dem widersprochen. Aufgrund des Ehegattentestaments sei ihre Mutter nicht berechtigt gewesen, ein weiteres Testament zu errichten, bei dem sie enterbt werde, da der Abänderungsvorbehalt nicht die vollständige Enterbung eines Kindes umfasse. Zudem sei ungeklärt, wann das Testament überhaupt errichtet worden sei. Das angerufene Nachlassgericht hat daraufhin den Erbscheinsantrag der A zurückgewiesen. Das Gericht hielt es für bedenklich, dass gar nicht genau geklärt werden konnte, wann das Einzeltestament errichtet wurde; insbesondere wenn dies noch zu Lebzeiten des Ehemanns gewesen wäre, wäre das Testament in jeden Fall nicht vom Änderungsvorbehalt erfasst und daher unwirksam.

Beschwerde beim Oberlandesgericht

Mit dieser Entscheidung wollte sich die Antragstellerin nicht zufrieden geben und legte hiergegen Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein. Dabei legte sie eine schriftliche Zeugenaussage ihres Onkels vor, in der dieser bestätigte, dass er mit der Erblasserin einige Gespräche geführt habe, in denen sie ihm mitgeteilt habe, dass sie – nach dem Tod ihres Ehemannes - ihre Tochter A als Alleinerbin eingesetzt habe, da die Beziehung zu der Tochter B schlecht gewesen sei. Das Oberlandesgericht schloss sich den Ausführungen der Antragstellerin an und entschied, dass ihr der beantragte Erbschein zu erteilen sei.

Erbeinsetzung ohne Bezeichnung als „Erbe“

In seiner Begründung erläuterte das Gericht zunächst, dass es sich bei der im Einzeltestament gewählten Formulierung, dass „das Land“ an die Tochter A gehen solle, um die Einsetzung als Alleinerbin handle, da der Nachlass praktisch ausschließlich aus rund 42.863 Quadratmeter Ackerland bestand. Da sich somit die Einzelzuwendung eines Vermögenswerts an eine Person den Nachlass erschöpft, muss regelmäßig davon ausgegangen werden, dass diese Verfügung gleichzeitig eine Einsetzung als Alleinerben beinhaltet.

Undatiertes Testament ist wirksam

Im Hinblick auf die zeitliche Komponente stellten die Richter klar, dass auch ein undatiertes handschriftliches Testament formwirksam sei (anders wäre dies allerdings, wenn es nicht ordnungsgemäß unterschrieben worden wäre!). Das Problem bei einem undatierten Testament ist nicht dessen Wirksamkeit sondern der Nachweis, des Zeitpunktes der Errichtung, denn dieser ist entscheidend dafür, ob ein neueres widersprechendes Testament ein älteres Testament aufhebt.

Im konkreten Fall gelangte das Gericht zu der Auffassung, dass das Einzeltestament der Ehefrau nach dem Tod des Ehemannes errichtet worden sei und daher prinzipiell das erste Testament abändern konnte. Dies ergäbe sich aus den äußeren Umständen. Zudem liege es auch deswegen nahe, weil die Tochter B nach dem Tod des Vaters den Kontakt abgebrochen hat. Interessanterweise spricht aus Sicht des Gerichts auch die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass eine einseitige Änderung des gemeinschaftlichen Testaments erst nach dem Tod des Erstversterbenden und nicht bereits zu dessen Lebzeiten erfolgt sei.

Keine widerstreitende Bindungswirkung

Die Ehefrau sei aufgrund des vereinbarten Änderungsvorbehalts auch zur Enterbung der Tochter B berechtigt gewesen. Die grundsätzliche Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments spreche dem nicht entgegen. Dies haben die Richter durch Auslegung des Testaments ermittelt. Schon der Wortlaut der Klausel spreche dafür, dass eine (neue) Verteilung der Kinder auch in der Art vorgenommen werden kann, dass eine Tochter alles und die andere gar nichts erhalte. Eine andere Auslegung in der Form, dass eine vollständige Enterbung ausgeschlossen sei, würde zudem zu kaum lösbaren Abgrenzungsproblemen führen, da unklar wäre, bis zu welcher Erbquote eine Änderungsbefugnis bestehen würde.

Auf die exakte Formulierung kommt es an!

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nachvollziehbar. Für die unterlegene Schwester dürfte sie dennoch besonders bitter gewesen sein. Ihr verbleibt letztlich nur der Pflichtteilsanspruch nach der Mutter. Aufgrund einer sogenannten Pflichtteilsstrafklausel wird sie zudem vermutlich nach dem Tod des Vaters – in Erwartung einer später höheren Erbschaft – keine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht haben.

Die Entscheidung zeigt, dass letztwillige Verfügungen häufiger Ausgangspunkt für Rechtsstreitigkeiten sind. Dies liegt in der Natur der Sache, da diejenigen, die das Testament errichtet haben, bei seiner Durchsetzung nicht mehr leben und daher auch nicht mehr sagen können, welches Ziel sie genau verfolgt haben. Gerade deswegen ist es sehr wichtig, präzise Formulierungen zu wählen, um späteren Streit bereits im Keim zu ersticken. Hierzu gehört beispielsweise die im vorliegenden Fall unterbliebene Datierung sowie dem vereinbarten Änderungsvorbehalt.

Ein weiteres praktisches Problem stellt sich in diesem Zusammenhang bei der Frage, ob überhaupt ein Berliner Testament gewählt werden sollte. Zumindest aus erbschaftsteuerrechtlicher Sicht dürfte dies häufig nicht die günstigste Variante sein.