Berliner Testament mit Auslandsbezug

Welches Erbrecht gilt?

Wie funktioniert ein Berliner Testament im Rahmen eines internationalen Erbfalls?

Veröffentlicht am: 29.03.2021
Qualifikation: Rechtsanwalt
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Immer mehr Erbschaften haben eine internationale bzw. ausländische Komponente. Die erste Frage, die sich bei der rechtlichen Beurteilung eines Erbfalls mit Auslandsbezug immer zwingend stellt, ist die des anwendbaren Rechts. Seit dem Inkrafttreten der EU-Erbrechts-Verordnung 2015 orientiert sich die Antwort auf diese Frage innerhalb der Europäischen Union regelmäßig am letzten Wohnsitz des Erblassers. Jedoch kann der Erblasser unter gewissen Voraussetzungen auch eine abweichende Rechtsordnung wählen. Die Rechtswahl muss dabei entweder ausdrücklich in oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung konkludent ergeben.

Die Voraussetzungen einer konkludenten Rechtswahl beschäftigten in einer aktuellen Entscheidung den IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 24.02.2021 –IV ZB 33/20).

Errichtung eines Berliner Testaments

Im zu entscheidenden Streitfall errichtete ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Ehegattentestament („Berliner Testament“). Die spätere Erblasserin wohnte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann in Deutschland. Sie hatte die deutsche Staatsangehörigkeit, er die österreichische. Sie setzten sich privatschriftlich gegenseitig zu Alleinerben ein. Als Schlusserbin bestimmten sie die Schwester sowie die Nichten und Neffen der Erblasserin. Das Testament wurde mit Bindungswirkung errichtet.

Erbscheinsantrag der neuen Erben

Nach dem Tod des Ehemanns errichtete die Erblasserin eine neue letztwillige Verfügung und setzte zwei neue Personen als Erben ein. Sie starb im Jahr 2017 und es kam, wie es kommen musste: Die (vermeintlichen) Erben der Erblasserin stritten sich über die Erbfolge.

Die von der Erblasserin eingesetzten neuen Erben beantragten vor dem Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins. Das Amtsgericht wies diesen Antrag jedoch genauso zurück, wie auch das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Beschwerde. Der Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof.

Welches Recht gilt?

Dabei stellte sich die Sachlage so dar, dass es entscheidend darauf ankam, welches Recht im konkreten Fall Anwendung finden sollte. Dies lag daran, dass nach deutschem Erbrecht das Testament, welches die Erblasserin nach dem Ableben ihres Ehemanns errichtet hat, aufgrund der Bindungswirkung des Ehegattentestaments unwirksam gewesen wäre, während nach österreichischem Recht die Bindungswirkung nur durch ein notarielles Testament hätte erreicht werden können. Sofern also österreichisches Erbrecht Anwendung gefunden hätte, wäre mangels notarieller Beurkundung keine Bindungswirkung des ersten Testaments eingetreten, so dass die Erblasserin weiterhin frei hätte testieren dürfe.

Auslegung nach Unionsrecht

Das Gericht mussten daher prüfen, welches Erbrecht einschlägig ist. Nach Artikel 25 Absatz 2 EuErbVO richtet sich die Bindungswirkung bei Erbverträgen nach der Rechtswahl der Parteien. Das vorliegend errichtete gemeinschaftliche Testament ist insoweit als Erbvertrag im Sinne der EuErbVO zu qualifizieren. Eine ausdrückliche Rechtswahl haben die Ehegatten jedoch nicht getroffen und so musste geklärt werden, ob womöglich eine konkludente Rechtswahl stattgefunden hat.

Die Karlsruher Richter des Bundesgerichtshofes stellten klar, dass die Auslegungsfrage nach einer konkludenten Rechtswahl nach Europarecht geklärt werden müsse. Bei Letzteren sind die Voraussetzungen niedriger, so dass im vorliegenden Fall davon auszugehen sei, dass die Erblasserin und ihr Ehemann durch die Verwendung deutscher Rechtsbegriffe und -institute konkludent deutsches Recht gewählt haben. Beispielsweise zeige sich dies durch den Begriff der „Schlusserben“, der im österreichischen Recht unbekannt ist.

Im Ergebnis sei daher deutsches Erbrecht konkludent gewählt worden, so dass das Ehegattentestament bereits Bindungswirkung entfaltet hat, so dass das nachfolgende Testament unwirksam gewesen ist. Es blieb damit bei der durch die Ehegatten ursprünglich gewählten Erbfolge.

Nichts dem Zufall überlassen

Im vorliegenden Fall zeigt sich, wie wichtig es ist, dass das anwendbare Recht zweifelsfrei festgestellt wird. Dies kann beispielsweise auch insbesondere im Pflichtteilsrecht der Fall sein, da verschiedene Rechtsordnungen abweichende Pflichtteilsberechtigte mit unterschiedlichen Pflichtteilsquoten vorsehen.

Um derartige Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, sollten sich zukünftige Erblasser nicht auf die Auslegung der Gerichte verlassen, sondern ihre letztwilligen Verfügungen möglichst klar und präzise formulieren. Im Hinblick auf Rechtswahlklauseln darf allerdings auch nicht außer Acht gelassen werden, dass derartige Klauseln in Notarverträgen zu einer nicht unerheblichen Erhöhung der Notargebühren führen. Es kommt daher stets auf den konkreten Einzelfall an, ob eine Rechtswahlklausel in die letztwillige Verfügung aufgenommen werden soll oder ob auf diese verzichtet werden kann.