Eidesstattliche Versicherung auch bei notariellem Nachlassverzeichnis?

Welche Ansprüche hat der Pflichtteilsberechtigte?

Der BGH hat klargestellt, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis wie ein privatschriftliches Verzeichnis zu behandeln sei, also auch hier ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bestehen kann.

Veröffentlicht am: 02.01.2022
Qualifikation: Fachanwältin für Familienrecht und Rechtsanwältin für Erbrecht in München
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Bieten die Angaben des Erben Anlass zu Zweifeln, ob die Erstellung des Nachlassverzeichnisses sorgfältig erfolgt ist, kann der Pflichtteilsberechtigte somit vom Erben verlangen, die Richtigkeit aller aufgeführten Positionen an Eides Statt zu versichern. Der Bundesgerichtshof hält es in seiner Entscheidung vom 01.12.2021 (IV ZR 189/20) dabei für irrelevant, ob das Verzeichnis von einem Notar oder von dem Erben selbst erstellt worden ist. Damit ist dieser Streit erstmalig höchstrichterlich entschieden worden.

Dies allerdings mit der Maßgabe, dass der Erbe, wenn er mit Einzelangaben des Notars nicht einverstanden ist, dies in seine eidesstattliche Versicherung eindecken kann. Er muss also nichts bearbeiten, was er für unrichtig hält.

Keine Unterscheidung zwischen privatschriftlichem und notariellen Nachlassverzeichnis gerechtfertigt

Gestritten hatten zwei Brüder nach dem Ableben des Vaters, der einen Sohn als Alleinerben eingesetzt und dessen Bruder damit enterbt hat, so dass der andere nur pflichtteilsberechtigt war.

Der Erbe legte zunächst eine selbst verfasste Erklärung zum Nachlass vor, worin ein Bankkonto des Vaters nicht aufgeführt war.

Vor dem Landgericht Kiel wurde er zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt.

Darin hatte der Notar - allein aufgrund eigener Recherche - Angaben zu diesem Konto aufgeführt. Der Pflichtteilsberechtigte verlangte deshalb, der Erbe möge die Vollständigkeit und Richtigkeit aller aufgeführten Positionen an Eides Statt versichern. Das Landgericht lehnte diese 2. Stufe der Leistungsklage ab, das Oberlandesgericht Schleswig verurteilte den Erben zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich aller Positionen im Verzeichnis, die auf seinen eigenen Angaben beruhten - aber nicht über diejenigen, die der Notar eigenverantwortlich erstellt hatte. Beide Brüder legten Revision zum Bundesgerichtshof ein - das Urteil wurde aufgehoben und an das OLG zurückverwiesen.

BGH stellt nicht auf den Ersteller des Verzeichnisses ab

Das notarielle Verzeichnis ist wie Privatverzeichnis zu behandeln. Ein Pflichtteilsberechtigter kann vom Erben die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auch dann verlangen, wenn dieser ein notarielles Verzeichnis vorlegt. Bestehe ein Grund, anzunehmen, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden ist, müsse der Erbe grundsätzlich die Richtigkeit des Nachlassbestands beeiden - und zwar auch der Positionen, die der Notar erstellt hat. Dabei ist es dem BGH zufolge unwichtig, von wem das Verzeichnis erstellt worden ist.

Der Bundesgerichtshof gibt auch die Folgen einer anderen Handhabung zu bedenken: Das notarielle Verzeichnis würde erheblich an Bedeutung als höhere Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit verlieren, wenn eine eidesstattliche Versicherung entfiele. Ist der Erbe aber mit einzelnen Angaben des Notars nicht einverstanden, kann er dem BGH zufolge dieser Tatsache in seine eidesstattliche Versicherung einflechten - er muss nichts beeiden, was er für falsch hält.

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