Minderung des Pflichtteilsanspruchs wegen Grabpflege?

BGH-Entscheidung zur Berechnung des Pflichtteils

Veröffentlicht am: 29.06.2021
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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BGH-Entscheidung zur Berechnung des Pflichtteils

Ein Beitrg von Rechtsanwalt Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg

Wird ein naher Angehöriger durch ein Testament enterbt, können mit dem Erbfall Pflichtteilsansprüche entstehen. Bestimmte Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Erbschaft können den Pflichtteil jedoch reduzieren. Mit der Frage, ob Grabpflegekosten dazugehören, befasste sich kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 – IV ZR 1).

Erst Adoption, dann Enterbung

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte eine ältere Dame in einem Testament mehrere Personen als Erben eingesetzt und zur Grabpflege verpflichtet. Wörtlich hieß es in der letztwilligen Verfügung: „Der Rest ist für die Beerdigung und, 20 Jahre Pflege des Grabes. Eure Margot.“ Ein Mitglied der Erbengemeinschaft war der adoptierte Sohn der Erblasserin. Da dieser nach der gesetzlichen Erbfolge als einziger Abkömmling Alleinerbe geworden wäre, seine Erbquote nach dem Testament nun aber lediglich 9 Prozent betrug, machte er seinen Pflichtteilsanspruch geltend. Er forderte einen Zusatzpflichtteil in Höhe von 41 Prozent, um so im Ergebnis bei seiner Pflichtteilsquote von 50 Prozent zu landen.

Testamentsvollstrecker kürzt den Pflichtteil

Der Wert des Nachlasses betrug lediglich 16.000 Euro, die Beerdigungskosten ca. 6.000 Euro und die erwarteten Aufwendungen für die Grabpflege knapp 10.000 Euro. Die von der Erblasserin eingesetzte Testamentsvollstrecker wollte auf dieser Basis lediglich 800 Euro an den Adoptivsohn zahlen.

Dieser klagte seinen Pflichtteilsanspruch vor Gericht ein. Vor dem Amtsgericht und in zweiter Instanz auch vor dem Landgericht hatte er damit keinen Erfolg. Die Richter waren der Auffassung, dass die Kosten der Grabpflege beim Pflichtteil mindern zu berücksichtigen seien, wenn man dem Willen der Verstorbenen angemessen Rechnung tragen wolle.

Erfolgreiche Pflichtteilsklage beim BGH

Der enterbte Sohn gab sich damit nicht zufrieden und brachte den Erbstreit zum BGH.  Und dort hatte er schließlich Erfolg. Die Kosten der Grabpflege, so die Richter in Karlsruhe, seien von den Beerdigungskosten zu trennen und keine bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeit. Die mögliche Berücksichtigung dieser Position bei der Erbschaftsteuererklärung ändere daran nichts. Der BGH wertete die Klausel zur Grabpflege im Testament juristisch als Auflage, die für die Erben verbindlich sei. Gegenüber dem Pflichtteilsanspruch sei die Auflage aber nachrangig und nicht abzuziehen. Dies ergebe sich aus der im Gesetz festgelegten Rangfolge der Verbindlichkeiten.

Anders sei der Fall zu bewerten, wenn der Erblasser zu Lebzeiten selbst einen Pflegevertrag abgeschlossen habe. Diese vertragliche Verpflichtung gehe dann im Erbfall auf die Erbengemeinschaft über. Damit läge eine Verpflichtung vor, die für die Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt werden müsse.

Pflichtteil richtig berechnen

Wie der Fall zeigt, ist die Berechnung des Pflichtteils nicht immer ganz einfach. Neben der Frage, welche Verbindlichkeiten gegebenenfalls den Pflichtteilsanspruch reduzieren, wird häufig auch darüber gestritten, was überhaupt zum pflichtteilsrelevanten Vermögen gehört. Eine große Rolle spielen dabei lebzeitige Schenkungen des Erblassers an Dritte, die gegebenenfalls zur Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen können.