Tisch, Tätowierung, Testament

Welche Oberflächen eignen sich für den letzten Willen?

Veröffentlicht am: 09.11.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
Lesedauer:

Welche Oberflächen eignen sich für den letzten Willen?

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Kolja Schlecht, Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg

Seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vor über 120 Jahren gilt, dass letztwillige Verfügungen in der Form eines Testaments zur Niederschrift eines Notars oder eigenhändig errichtet werden können. Immer wieder haben Gerichte sich mit ungewöhnlich errichteten handschriftlichen Testamenten und deren Wirksamkeit auseinander zu setzen.

An das eigenhändige Testament und dessen Form werden auf den ersten Blick relativ wenige Voraussetzungen gestellt, damit es zumindest formwirksam ist: es muss vollumfänglich handschriftlich vom Erblasser selbst verfasst und von ihm unterschrieben sein. Dass auch (und gerade) der Inhalt von testamentarischen Verfügungen zu Streit und Auslegungsschwierigkeiten führt, die häufig in gerichtliche Auseinandersetzungen münden, ist ebenfalls Realität.

Entspricht jedoch das, was der Verstorbene als seinen letzten Willen formulieren wollte, nicht der vorgesehenen Form, ist es von vornherein unwirksam und auf dessen Inhalt kommt es nicht mehr an.

Eigenhändig verfasstes Testament

Das Amtsgericht Köln hatte sich mit einem ungewöhnlichen Fall zu beschäftigen, in dem ein Verstorbener mehrere letztwillige privatschriftliche Testamente verfasst hatte bzw. verfassen wollte (AG Köln Beschluss vom 25.05.2020 – 30 VI 92/20).

Ein kinderloser Mann war Anfang 2019 verstorben und hatte mehrere letztwillige handschriftliche und sich teils widersprechende Verfügungen hinterlassen.

Unter anderem hatte er ein mit einem Filzstift – jedoch nicht unterzeichnetes - Schriftstück auf der Tischplatte eines Holztisches vom 22.04.2017 hinterlassen, in welchem er eine nicht mit ihm verwandte Frau zu seiner Alleinerbin bestimmt hatte.

Auf dem Tisch lag neben diesem mit Filzstift verfassten Testament u.a. ein mit Kugelschreiber zweiseitig beschriebenes Blatt. Auf der Vorderseite dieses Papiers fand sich eine Verfügung vom 03.07.2015, mit welcher der Bruder und einziger noch lebende Angehörige des Verstorbenen als Alleinerbe eingesetzt war. Auf der Rückseite dieses Blattes jedoch hatte der Erblasser seinen Bruder mit Datum vom 23.04.2018 ausdrücklich enterbt.

Die in dem auf dem Tisch benannte Frau beantragte auf der Grundlage dieses „Tischtestaments“ einen Erbschein, der vom Nachlassgericht zurückgewiesen wurde.

Für Testamente geeignete „Stoffe“

Der auf der Grundlage des „Tischtestamentes“ gerichtete Antrag war zurückzuweisen, weil der Erblasser keine formgültige Erbeinsetzung vorgenommen hat.

Ein Testament kann von testierfähigen Personen durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Allgemein anerkannt ist, dass Testamente auch auf anderen Materialien als auf Papier verfasst werden können, sofern der testamentarische Wille stofflich manifestiert ist. Der Stoff einer Urkunde spielt für die Gültigkeit des Testaments keine Rolle und kann daher auch aus Holz, Schiefertafeln, Glas, Kohlepapier, einem Notizzettel, einem Bierdeckel etc. bestehen.

Tätowierung – Haut als geeigneter „Stoff“ ?

Noch nicht geklärt, aber vermutlich ausreichend, dürfte eine Tätowierung sein, jedenfalls sofern sichergestellt ist, das der Tätowierungsvorgang tatsächlich eigenhändig von dem Erblasser selbst vorgenommen wurde – also ohne Schreibhilfe durch Dritte (z.B. des Tätowierers). Bislang nicht entschieden ist auch der Fall, in welchem der Erblasser auf seiner Haut den Text seiner Verfügung und seine Unterschrift selbst mit einem Stift vorschreibt und der Tätowierer diesen anschließend in die Haut nachsticht.

Eigenhändige Unterschrift

In dem vorliegenden Fall sah das Nachlassgericht den Textinhalt der letztwilligen Verfügung und dessen stoffliche Manifestierung auf der Tischplatte als ausreichend im Sinne des Gesetzes an.

Es fehlte jedoch an dem weiteren zwingenden Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des Erblassers, da eine solche weder auf der Tischplatte selbst noch auf den übrigen Teilen des Tisches, wie etwa den Tischbeinen, vorhanden war.

Durch die Unterschrift soll ein Mindestmaß an Rechtssicherheit gewährleisten werden und die Identifikation des Erblassers sowie sein Bekenntnis zum Inhalt und den Abschluss des Testaments sicherstellen.

Dass neben dem Text des Tischtestaments das Blatt mit den vorder- und rückseitig vom Erblasser beschriebenen und unterschriebenen weiteren Verfügungen vom 03.07.2015 und vom 23.0.3.2018 lag, mit welchem der Erblasser seinen Bruder als Alleinerben eingesetzt und anschließend enterbt hatte, reichte nicht aus, um einen ausreichenden Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Tischtestament herzuleiten.

Testament mit mehreren Seiten

Ausnahmsweise können zwar in Fällen, in denen ein Testament aus mehreren nicht untrennbar miteinander verbundenen Blättern besteht, diese Blätter aber erkennbar in engem Zusammenhang stehen und eine einheitliche Willenserklärung enthalten, eine Unterschrift nur auf dem letzten Blatt ausreichen, um dem strengen Unterschriftserfordernis zu genügen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Zusammengehörigkeit der einzelnen Blätter zweifelsfrei ist, zum Beispiel aufgrund einer Nummerierung mit Seitenzahlen, eines fortlaufenden Textes oder des Schreibmaterials, und die Unterschrift deshalb den gesamten Urkundentext räumlich abschließt und somit inhaltlich deckt.

In dem entschiedenen Fall jedoch konnte das lose auf dem Tisch gelegte und mit Kugelschreiber geschriebene Testament vom 23.04.2018 als in keinem ausreichend engen Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen auf der Tischplatte mit dickerem Filzstift verfassten Testament erkannt werden. Es fehlte auch an jeglicher textlicher Bezugnahme und an einer zumindest losen, einen Zusammenhang aber herstellenden körperlichen, Verbindung der Verfügungen.

Das Tischtestament war somit mangels Unterschrift unwirksam und die eigentlich als Alleinerbin bestimmte Dame ging leer aus.

Für die Praxis belegt diese Entscheidung erneut, wie wichtig es ist, sich bei der Abfassung eines Testaments rechtzeitig rechtlich beraten zu lassen. Auch wenn die Formvorschriften relativ überschaubar sind, sind von Privatpersonen verfassten Testamente in vielen Fällen unwirksam. Die gesetzliche Erbfolge entspricht selten den Wünschen des Erblassers und diese lässt sich auch mit überschaubarem Aufwand ändern. Nur, nichts ist für die eigentlich Bedachten unerfreulicher, als ein unwirksames Testament, denn ein solches gilt als nicht geschrieben.