Das Familienheim im Erbfall

Keine doppelte steuerliche Begünstigung

Unter welchen Umständen im Erbfall eine Steuerbefreiung im Zusammenhang mit einer Immobilie gewährt wird, lesen Sie hier...

Veröffentlicht am: 20.04.2022
Qualifikation: Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht in München
Lesedauer:

Die Vererbung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie an die Kinder ist erbschaftsteuerfrei, und zwar zusätzlich zu bzw. unabhängig von den persönlichen Erbschaftssteuer-Freibeträgen. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist jedoch, dass der Erblasser das Eigenheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und die Erben die Immobilie nach der Erbschaft zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzen. Zudem gilt die Steuerbefreiung nur, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt.

Über einen interessanten Fall hatte das Finanzgericht München (Urteil vom 16.6.2021, 4 K 692/20)zu entscheiden. Danach war strittig, für welche nacheinander bewohnte Immobilie die Steuerbefreiung des Familienheims gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG zu gewähren ist.

Nachlassimmobilien in der Erbengemeinschaft

Die Erblasserin hatte bis zu ihrem Tod am 19.06.2015 zusammen mit ihrer Tochter in dem ihr gehörenden Wohnhaus in X gelebt. Dort war die Erblasserin auch mit ihrem Wohnsitz gemeldet. Laut Erbschein des Amtsgerichts M vom 29. Dezember 2015 wurde die Erblasserin je zur Hälfte vom Kläger und seiner Schwester beerbt. Im Nachlass der Erblasserin befand sich außer dem Haus in X unter anderem noch ein weiteres Wohnhaus in Y. In dem zuletzt genannten Haus ist der Kläger mit Wohnsitz gemeldet. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung der Erbengemeinschaft setzten sich der Kläger und seine Schwester dahingehend auseinander, dass der Kläger das Haus in Y und seine Schwester das Haus in X jeweils zum Alleineigentum erhielt.

Nach entsprechender Aufforderung durch das Finanzamt gaben der Kläger ebenso wie seine Schwester Erbschaftssteuererklärungen ab. Die Schwester des Klägers deklarierte das Haus in X teilweise als steuerbefreites Familienheim. In seiner Erbschaftssteuererklärung vom 29. November 2016 gab der Kläger die Gesamtwohnfläche des von ihm vollständig eigengenutzten Hauses in Y mit 188,87 m² an. Der Kläger hatte beim Finanzamt vorgetragen, dass es sich bei dem Haus in Y, um ein von der Erbschaftssteuer befreites Familienheim handeln würde und beantragte ihm deshalb die entsprechende Steuerbefreiung zu gewähren.

Das Finanzamt teilte dessen Rechtsauffassung nicht und setzte mit Erbschaftsteuerbescheid vom 27. November 2019 die Erbschaftsteuer des Klägers dementsprechend auf 408.519 EUR fest.

Die Entscheidung des Finanzgerichts München

Das Finanzgericht München wies das Begehren des Klägers ab und stellte klar: Die Steuerbefreiung als Familienheim kann nur für ein einziges Objekt in Betracht kommen. Dies gelte sowohl bei gleichzeitiger Eigennutzung mehrerer Immobilien durch den Erblasser zu seinen Lebzeiten als auch im Falle zeitlich aufeinander folgender Eigennutzung verschiedener in seinem Eigentum stehender Immobilien.

Die Steuerbefreiungsvorschrift begründe kein Recht des Erben, nach dem Erbfall auszuwählen, welche von mehreren ererbten Immobilien, die vom Erblasser nacheinander zeitweise selbst genutzt worden und aufgrund zwingender Gründe jeweils wieder verlassen worden waren, als Familienheim begünstigt sein soll.

Dies gilt insbesondere für das vorliegende Klagebegehren auf Anerkennung der Steuerbefreiung des Grundbesitzwertes des Hauses in Y unter dem Gesichtspunkt des Familienheimes gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Bei der Festsetzung der Erbschaftssteuer bleibt der Erwerb von Todes wegen eines sogenannten Familienheimes durch Kinder des Erblassers unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerfrei.

Danach ist der erbschaftssteuerrechtliche Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück durch Kinder des Erblassers im Sinne des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich nach dem Erbfalle zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Die Steuerbefreiung wird gewährt, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m² nicht übersteigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung als Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG waren im Streitfall in Bezug auf das Haus in Y jedoch nicht erfüllt.

Das Haus in Y hat zwar unstreitig bis zum Tode der Erblasserin in ihrem Alleineigentum gestanden. Weiterhin ist unstreitig, dass die Erblasserin in diesem Haus ab dem Zeitpunkt des Erwerbes im Jahre 1954 gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann gelebt und das Haus bis zu ihrem Auszug zu eigenen Wohnzwecken selbst genutzt hatte. Schließlich ist die tatbestandliche Voraussetzung der Steuerbefreiung in Gestalt der unverzüglichen Bestimmung der Selbstnutzung durch den Erben auch dann erfüllt, wenn dieser - wie im Streitfall der Kläger - bereits vor dem Tode der Erblasserin in dem Haus als seinem Lebensmittelpunkt gewohnt hatte und die Selbstnutzung danach weiterhin fortsetzt.

Der Beklagte hat dem Kläger die Steuerbefreiung als Familienheim aber deshalb zu Recht versagt, weil die Erblasserin das Haus in Y weder bis zu ihrem Tode zu Wohnzwecken eigengenutzt hat, noch der der Eigennutzung gleichgestellte Ausnahmetatbestand vorgelegen hat.

Unstreitig hat die Erblasserin das vom Kläger bewohnte Haus bis zu ihrem Tode nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die in § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG genannte Ausnahme von der Selbstnutzung durch die Erblasserin bis zu ihrem Tode liegt aber auch nicht vor. Ausnahmsweise ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG die Eigennutzung durch die Erblasserin bis zu ihrem Tode dann entbehrlich, wenn sie aus zwingenden Gründen an der Fortsetzung der Eigennutzung gehindert war. Zwingende Gründe für die Beendigung der Eigennutzung durch den Erblasser/die Erblasserin sind nach den Motiven des Gesetzgebers (vgl. Bundestags-Drucksache 16/11107 vom 26. November 2008 zu § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) beispielsweise der Eintritt der Pflegebedürftigkeit verbunden mit dem Umzug in ein Senioren- oder Pflegeheim oder auch sonstige gesundheitliche Gründe in seiner/ihrer Person, die die Fortsetzung der Eigennutzung der Wohnung ausschließen (vgl. Finanzgericht -FG- München Urteil vom 22. Oktober 2014, 4 K 2517/12, EFG 2015, 238).

Entscheidend ist, dass die Erblasserin durch ihren Auszug aus ihrem Haus in Y ihren bis dahin dort befindlichen Hausstand in Y aufgegeben und für einen Zeitraum von weit über einem Jahrzehnt einen neuen Hausstand in ihrem weiteren Haus in X begründet und unterhalten hatte. Hierdurch hatte die Erblasserin ihren Lebensmittelpunkt zweifelsfrei nach X verlegt.

Erfüllt die zum neuen Lebensmittelpunkt bestimmte Wohnung ihrerseits die Voraussetzungen für ein Familienheim im o.g. Sinne, so scheidet die Anwendung der Steuerbefreiung auf die bisherige Wohnung aus (vgl. FG München Urteil vom 11. April 2018, 4 K 532/17, EFG 2018, 1115).

Das Finanzgericht München versteht den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG in dem Sinne, dass die Steuerbefreiung nur auf diejenige Immobilie Anwendung finden soll, die als zeitlich letzte vor dem Erbfall die Funktion als Familienheim des Erblassers erfüllt hat.

Nach Ansicht des Finanzgerichts München hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, im Falle des wiederholten Wechsels des Lebensmittelpunktes des Erblassers jede diesem gehörende Immobilie zu begünstigen, die der Erblasser im Laufe seines Lebens zeitweise zu Wohnzwecken eigengenutzt und aus den in § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG gemeinten zwingenden Gründen verlassen hatte.

Der Auszug aus der bislang eigengenutzten Immobilie unter gleichzeitiger Verlegung des Lebensmittelpunktes in eine andere eigengenutzte Immobilie ist nicht mit dem vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Fall des Umzuges in ein Senioren- oder Pflegeheim aus zwingenden gesundheitlichen Gründen gleichzustellen. Letzteres hat der Gesetzgeber ausnahmsweise lediglich deshalb der im Regelfall erforderlichen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch den Erblasser bis zu seinem Tode gleichgestellt, um sachliche Unbilligkeiten infolge schwerwiegender - in der Regel gesundheitlicher - Hinderungsgründe des Erblassers, die Eigennutzung dort weiter fortzusetzen, zu vermeiden.

Die Steuerbefreiung als Familienheim kann schließlich auch nur für ein einziges Objekt in Betracht kommen. Dies gilt sowohl bei gleichzeitiger Eigennutzung mehrerer Immobilien durch den Erblasser/die Erblasserin zu seinen/ihren Lebzeiten (vgl. FG München Gerichtsbescheid vom 4. Mai 2020, 4 K 3287/18, EFG 2020, 1088), als auch im Falle zeitlich aufeinander folgender Eigennutzung verschiedener in seinem/ihrem Eigentum stehender Immobilien. Die Steuerbefreiungsvorschrift begründet nach dem Erbfall ebenso wenig ein Recht des oder der Erben zwischen mehreren ererbten Immobilien auszuwählen, die vom Erblasser/von der Erblasserin nach einander zeitweise selbst genutzt worden und aufgrund zwingender Gründe jeweils wieder verlassen worden waren.

Das Haus in Y hat deshalb im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin, als deren Familienheim nicht mehr in Betracht kommen können.