Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers

Keine Umgehung durch Treuhandverhältnis & Stimmbindungsvertrag mehr!

Veröffentlicht am: 10.11.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Keine Umgehung durch Treuhandverhältnis & Stimmbindungsvertrag mehr!

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Christian Westermann, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und für Arbeitsrecht

Die Frage der Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH ist in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung gewesen und durch das Bundessozialgericht (BSG) Stück für Stück hin zu einer Sozialversicherungspflicht sogar von Minderheitsgesellschaftern verschärft worden.

Als ein womöglich letztes Puzzleteil in der Entwicklung der Rechtsprechung hat das BSG mit Urteil vom 10.12.2019 (Az. B 12 KR 9/18 R) nun auch über die Konstellation entschieden, dass ein Geschäftsführer zwar wirtschaftlich 100 % der Geschäftsanteile inne hat, diese jedoch über einen Treuhänder hält. Im Ergebnis ist auch dieser Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig.

Geschäftsführer als Treugeber-Gesellschafter

Der Kläger war der Geschäftsführer „seiner“ GmbH. Sämtliche Geschäftsanteile hielt jedoch als Treuhänderin seine Ehefrau, auf der Grundlage eines notariell beurkundeten Treuhandvertrags.

Dieser Treuhandvertrag enthielt die Verpflichtung der Treuhänderin, das Stimmrecht aus den Geschäftsanteilen ausschließlich nach den Weisungen des Treugebers auszuüben (sog. Stimmbindungsvereinbarung). Der Treuhandvertrag war jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündbar. Auf jederzeitiges Verlangen des Treugebers war die Treuhänderin verpflichtet, die Geschäftsanteile auf den Treugeber zu übertragen. Der Treugeber hatte sich des Weiteren eine unwiderrufliche Vollmacht vorbehalten, um damit das Stimmrecht aus den GmbH-Geschäftsanteilen in der Gesellschafterversammlung selbst ausüben zu können.

Im Rahmen eines von dem späteren Kläger eingeleiteten sozialversicherungsrechtlichen Statusfeststellungsverfahrens stellte die Deutsche Rentenversicherung die Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers fest. Mit seiner Klage wollte der Kläger die Sozialversicherungsfreiheit feststellen lassen. Nachdem die Vorinstanzen dem Kläger noch teilweise Recht gegeben haben, hat das BSG die Klage in letzter Instanz insgesamt abgewiesen und die vollständige Sozialversicherungspflicht festgestellt.

Treuhandverhältnis beschränkt Gesellschafter nur bedingt

Das BSG bleibt damit seiner bisherigen strengen Rechtsprechung auch in dieser Konstellation treu. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ist das maßgebliche Kriterium für die Frage, ob ein Geschäftsführer selbständig tätig ist oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht, der Aspekt, ob der Geschäftsführer aus dem Gesellschaftsvertrag heraus über die Rechtsmacht verfügt, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern.

Dies setzt voraus, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH entweder

  1. über mindestens 50 % der Anteile am Stammkapital verfügt oder
  2.  – bei einer Minderheitsbeteiligung – ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eine sogenannte qualifizierte Sperrminorität eingeräumt ist. Diese muss sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit beziehen und darf nicht lediglich auf bestimmte Beschlussgegenstände begrenzt sein.
  3. Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbständige Tätigkeit dagegen generell aus.

Mit dem jetzigen Urteil hat das BSG den klagenden Geschäftsführer – obwohl wirtschaftlich betrachtet alleiniger Gesellschafter – faktisch einem Fremdgeschäftsführer gleichgestellt. Die sich allein aus dem notariellen Treuhandvertrag ergebenden Einflussmöglichkeiten des Geschäftsführers seien, so das BSG, allein schuldrechtlich begründet und schränkten die Weisungsgebundenheit des Klägers nicht so ein, wie eine entsprechende Regelung in der GmbH-Satzung.

Systematische Argumentation aus dem Gesellschaftsrecht

Außerhalb der Satzung bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsvereinbarungen oder Vetorechte seien für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht zu berücksichtigen. Rechtliche Alleingesellschafterin sei hier die Treuhänderin, die damit auch alleinige Inhaberin des Stimmrechts als dem wichtigsten Verwaltungsrecht sei. Der Treugeber könne lediglich mittelbar auf die Treuhänderin als Gesellschafterin einwirken.

Die Treuhänderin könne nämlich grundsätzlich auch weisungswidrig in der Gesellschafterversammlung abstimmen und der Treugeber könne dies auf gesellschaftsrechtlicher Ebene nicht verhindern, sondern sei dann lediglich auf Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis beschränkt. Nichts anderes ergebe sich aus der erteilten Stimmrechtsvollmacht, denn bei widersprüchlichen Stimmabgaben von Gesellschafter und bevollmächtigtem Vertreter in der Gesellschafterversammlung sei die Stimme des rechtlichen Gesellschafters maßgebend.

Auch die theoretisch gegebene Möglichkeit für den Treugeber, durch eine Kündigung des Treuhandvertrags die GmbH-Geschäftsanteile an sich zu ziehen, spiele für die Statusfeststellung keine Rolle. Diese Beurteilung sei insbesondere auch deswegen interessengerecht, weil Treuhandverträgen – anders als der im Handelsregister einzureichenden Gesellschafterliste und der GmbH-Satzung – die öffentliche Publizität fehle. Daran ändere auch eine mögliche Offenlegung des Treuhandvertrags im nach dem Geldwäschegesetz neu geschaffenen Transparenzregister nichts.

Fazit für die Praxis und Gestaltungsmöglichkeiten

Sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfungen führen immer wieder zu bösen Überraschungen für betroffene Gesellschaften und mitunter zu hohen, wenn nicht gar existenzbedrohenden Beitragsnachforderungen der Sozialversicherungsträger.

Nach den Absagen des BSG an die frühere „Kopf-und-Seele Rechtsprechung“, die Entscheidungen zur „Schönwetterselbständigkeit“ und zuletzt die Ablehnung einer inhaltlich nur begrenzten Sperrminorität für Gesellschafter-Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung dürfte die jetzige Entscheidung des BSG zur Ablehnung von Treuhandkonstrukten wohl eine Art Schlussakt in der Rechtsprechung darstellen und die Gestaltungsmöglichkeiten für Gesellschaftervereinbarungen neben dem GmbH-Gesellschaftsvertrag weiter einschränken, wenn das Ziel die Sozialversicherungsfreiheit des GmbH-Geschäftsführers sein soll.

Denn andere Gestaltungen als eine echte Sperrminorität, die in der Satzung verankert ist, dürften vor diesem Hintergrund zukünftig nicht mehr möglich und nicht mehr zu empfehlen sein. Eine Sozialversicherungsfreiheit des GmbH-Geschäftsführers ist damit kaum noch herbeizuführen.