Mietzahlungspflicht trotz behördlicher Ladenschließung?

LG Osnabrück entscheidet gegen gewerblichen Mieter

Veröffentlicht am: 18.11.2021
Qualifikation: Rechtsanwalt in Hamburg
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Aktuell sind die Gerichte im Gewerbemietrecht sehr häufig mit der Streitfrage konfrontiert, ob staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19 - Pandemie grundsätzlich eine Reduzierung bzw. Anpassung der Miete nach sich ziehen.

Das Landgericht Osnabrück hat nun in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil bezüglich eines großen Warenhausbetreibers entschieden, dass dieser trotz behördlich angeordneter Geschäftsschließung aufgrund der Corona-Pandemie weiter zur Zahlung der Miete verpflichtet ist (Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 27.10.2021 – 18 O 184/21).

Warenhausbetreiber stellte Mietzahlungen ein und verlangte Vertragsanpassung

Der Warenhausbetreiber, dem in Deutschland mehrere hundert Warenhäuser gehören, zahlte für eines seiner Geschäfte im Emsland im April 2020 die vertraglich vereinbarte Miete nicht. Er musste seine Warenhäuser aufgrund einer behördlichen Anordnung zeitweise schließen. Aufgrund dessen hatte der Warenhausbetreiber dem Vermieter (und auch weiteren Vermietern seiner deutschen Warenhäuser) schriftlich mitgeteilt, dass er die Mietzahlungen einstellen werde und während der von der WHO angekündigten Dauer der Corona-Pandemie eine Reduzierung der Miete und anderer Nutzungsentgelte erwarte. Der Vermieter verklagte den Warenhausbetreiber daraufhin auf Zahlung der rückständigen Miete.

Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko liegt beim Mieter

Das Landgericht Osnabrück gab dem Vermieter im Ergebnis recht. Das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko trage bei einem Gewerbemietvertrag allein der Mieter. Der Vermieter schulde hingegen nur die Überlassung der vermieteten Räumlichkeiten.

Die behördlich angeordnete Schließung begründe auch keinen Mangel an der Mietsache. Die Gründe, die zu den angeordneten Nutzungs- und Betriebsbeschränkungen geführt hätten, beruhten weder auf dem baulichen Zustand noch auf der Lage der Mietsache. Vereinbarungen zu Besucher- und Kundenfrequenz seien nicht vertraglich getroffen worden.

Keine Störung der Geschäftsgrundlage des Gewerbemietvertrages

Das Landgericht Osnabrück verneinte auch einen Mietanpassungsanspruch des Warenhausbetreibers nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Zwar seien die Auswirkungen der Corona-Pandemie für den Einzelhandel nicht vorhersehbar gewesen. Sie seien jedoch weder dem Risikobereich des Vermieters noch dem Risikobereich des Warenhausbetreibers zuzuordnen.

Auch für eine solidarische Aufteilung des Risikos (wie sie zum Teil von anderen Gerichten angenommen wurde) sah das Landgericht Osnabrück vorliegend keinen Raum. Eine solche Anpassung des Vertrages komme nur ausnahmsweise in Betracht, sofern das Festhalten an dem Mietvertrag für den Warenhausbetreiber nicht zumutbar sei. Eine solche Unzumutbarkeit sah das Gericht vorliegend nicht. Nicht alle seine Mitarbeiter seien in Kurzarbeit gewesen. Zudem hätte die Möglichkeit des Online-Handels bestanden.

Warenhausbetreiber verhielt sich nicht wie ein ehrbarer Kaufmann

Nach Auffassung des Landgerichts Osnabrück habe das Verhalten des Warenhausbetreibers schließlich den Grundsätzen eines ehrbaren Kaufmannes widersprochen. Er habe es sich zu einfach gemacht, indem er - trotz der für alle Marktteilnehmer nie dagewesenen Situation - einseitig sämtliche Risiken auf den Vermieter habe abwälzen wollen, ohne nach einer konstruktiven Lösung zu suchen. Auch vor diesem Hintergrund könne der Warenhausbetreiber nun nicht erwarten, im Zuge einer Interessenabwägung eine Mietreduzierung zu erreichen.

Auf den Einzelfall kommt es an

Die bisherige Rechtsprechung im Gewerbemietrecht zeigt mehr und mehr, dass es für eventuelle Mietanpassungsansprüche im Zusammenhang mit behördlichen Corona - Maßnahmen allein auf die Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage ankommen wird. Die Hürden für ein erfolgsversprechendes Vorgehen des Mieters sind unter Beachtung der jüngsten gerichtlichen Entscheidungen jedoch hoch. Entscheidend sind dabei stets die Umstände des konkreten Einzelfalles.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Rechtsprechung in Bezug auf die Anwendung des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) nach wie vor uneinheitlich ist. Mit großer Spannung wird daher eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwartet. Zu beachten ist allerdings, dass sich bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch die rechtlichen Rahmenbedingungen fortentwickeln. Das gilt insbesondere für eventuell anstehende staatliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der aktuellen, sogenannten 4. Corona-Welle.

Wir empfehlen unseren Mandanten daher stets, zunächst das konstruktive Gespräch zu suchen. In Anbetracht der uneinheitlichen und unübersichtlichen Rechtsprechung und der sich sehr dynamisch fortentwickelnden rechtlichen Rahmenbedingungen empfiehlt sich zudem eine Beratung und Begleitung durch einen erfahrenen, auf das gewerbliche Mietrecht spezialisierten Rechtsanwalt. Einen weiteren Blogbeitrag zu dem Thema mit einer Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung der Oberlandesgerichte finden Sie hier: Gewerbemietzahlungspflicht während Covid 19