Übertragung des gesamten Vermögens der GmbH & Co KG

Anwendung des Aktienrechts - müssen die Kommanditisten zustimmen?

Veröffentlicht am: 11.09.2022
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Anwendung des Aktienrechts - müssen die Kommanditisten zustimmen?

Autor: Dr. Jens Nyenhuis, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 22.02.2022 (Az: II ZR 235/20) nunmehr auch für die GmbH & Co. KG bestätigt, dass die Vorschriften aus dem Aktiengesetz zur Verpflichtung zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens nicht entsprechend anzuwenden sind. Gleiches hatte der Bundesgerichtshof im Jahr 2019 bereits für die GmbH entschieden (BGH, Urteil vom 8.1.2019 – II ZR 364/18).

Kommanditgesellschaft veräußert nahezu gesamtes Vermögen

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, im Rahmen einer so bezeichneten Entschuldungsvereinbarung diverse Beteiligungen an anderen Unternehmen veräußert. Diese Beteiligungen machten mutmaßlich das nahezu gesamte Vermögen der klagenden Kommanditgesellschaft aus. 

Zu einem späteren Zeitpunkt bereute die Klägerin die Veräußerung der von ihr vormals gehaltenen Beteiligungen. Sie wollte nunmehr festgestellt wissen, dass sie noch immer Inhaber der veräußerten Beteiligungen ist bzw. klagte auf deren Rückübertragung.

Fehlende Zustimmung der Gesellschafterversammlung?

Dabei berief sich die klagende Kommanditgesellschaft darauf, dass die Veräußerung der Beteiligungen ohne die erforderliche Zustimmung ihrer Gesellschafterversammlung vorgenommen wurde und aus diesem Grund unwirksam sei. 

Die Zustimmung der Gesellschafterversammlung, so die Klägerin, sei in analoger Anwendung des § 179a Aktiengesetz notwendig gewesen, weil die veräußerten Beteiligungen ihr gesamtes vormaliges Vermögen ausgemacht hätten. Die genannte Vorschrift sieht für einen solchen Fall einer Übertragung des gesamten Vermögens vor, dass die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft dem entsprechenden Vertrag zustimmen muss. 

Urteil: Keine Parallele zum Aktienrecht 

Die Klage wurde in erster Instanz durch das zuständige Landgericht abgewiesen. Auch die Berufung blieb erfolglos. Nun hat der Bundesgerichtshof die vorinstanzlichen Entscheidungen bestätigt. Das Gericht machte deutlich, dass § 179a AktG für die Kommanditgesellschaft keine entsprechende Anwendung finden kann und „kassierte“ eine ältere Entscheidung, die davon noch ausgegangen war. 

Die Entscheidung wird überzeugend damit begründet, dass die Strukturen einer Aktiengesellschaft nicht mit denen einer Kommanditgesellschaft vergleichbar sind. Bei einer Aktiengesellschaft  haben die Aktionäre kaum Einfluss auf die operativen Geschicke. § 179a AktG dient insofern dem Schutz der Aktionäre vor einem totalen Ausverkauf. 

KG von Geschäftsführung stärker kontrolliert

Bei der Kommanditgesellschaft hingegen besteht schon von Gesetzes wegen eine deutlich stärkere Kontrolle der Geschäftsführung durch die Gesellschafter. So dürfen Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Gewerbes hinausgehen, ohnehin nur mit der Zustimmung der Gesellschafter vorgenommen werden. 

Daher, so das Gericht, besteht bei der Kommanditgesellschaft kein Bedürfnis die genannte Vorschrift in § 179a AktG auf Kommanditgesellschaften entsprechend anzuwenden. 

Praxishinweise: Achtung bei "außergewöhnlichen Geschäften"

In der Praxis wird leicht übersehen, dass außergewöhnlichen Geschäfte einer Kommanditgesellschaft der Zustimmung auch der Kommanditisten bedürfen. Entgegen der gesetzlichen Formulierung handelt es sich um einen echten Zustimmungsbehalt.

Abweichende Regelungen sind jedoch möglich und in der Praxis auch durchaus üblich. 

Offene Fragen: Was ist mit der Publikums-KG?

Offen gelassen hat der Bundesgerichtshof die Frage einer analogen Anwendung des § 179a AktG auf Publikums-Kommanditgesellschaften. Diese ist charakterisiert durch ist eine Vielzahl von Kommanditisten, deren Engagement an der Gesellschaft sich auf eine rein kapitalmäßige Beteiligung beschränkt (sog. Anlagegesellschafter). Die Gesellschafter unterwerfen sich bei ihrem Beitritt einem vorformulierten Gesellschaftsvertrag, auf dessen Gestaltung sie regelmäßig keinen Einfluss haben.

Die Rechte der Kommanditisten der Publikums-KG sind sehr beschränkt und werden häufig nur über ein Vertretungsorgan wahrgenommen. Da dadurch die Struktur der KG der einer Aktiengesellschaft stark angenähert ist, stellt sich hier in besonderem Maße die Frage nach der analogen Anwendung des Aktienrechts. Insoweit ist also weiterhin Vorsicht geboten.