Preisbildung bei Digitalen Gesundheitsanwendungen

Ist die Preisfreiheit der DiGA im ersten Jahr gerechtfertigt?

Dieser Beitrag erläutert die Preisbildung bei Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), die ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurden. Erfahren Sie im Folgenden, wie sich der Preis der Apps auf Rezept zusammensetzt...

Veröffentlicht am: 25.07.2022
Von: Anna-Maria Blömer
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Erst nachdem eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) erfolgreich ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurde, können versicherte Patienten nach § 33a SGB V einen Anspruch auf Nutzung der DiGA sowie auf die Erstattung der daraus resultierenden Kosten haben. Aber wie hoch diese Kosten endgültig ausfallen können, das steht direkt nach der Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis noch gar nicht fest.

Wann die finale Preisbildung für die sogenannten „Apps auf Rezept“ stattfindet, wer dabei mitreden darf und vor allem wie sie erfolgt, aber auch was Kritiker dazu zu sagen haben, schauen wir uns im Folgenden genauer an.

Finale DiGA-Preisbildung erst 12 Monate nach Eintragung

Vom Tag der Eintragung an gilt für 12 Monate der Preis der Hersteller als Grundlage für die Kostenerstattung durch die Krankenkassen. Sind diese 12 Monate abgelaufen, beginnen die Verhandlungen zwischen dem GKV Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) und den Herstellern, um einen endgültigen Vergütungsbetrag auszuhandeln.

Kritische Stimmen bemängeln, dass somit eine Erstattung bereits möglich ist, bevor ein positiver Versorgungsnachweis überhaupt vorliegt. Denn dieser muss unter Umständen erst spätestens 24 Monate nach Eintragung ins DiGA-Verzeichnis vorgelegt werden. Aber dazu später mehr.

DiGA-Preisverhandlungen vor einer Schiedsstelle des GKV-Spitzenverbands

Für die Preisverhandlungen hat der GKV-Spitzenverband bereits eine Schiedsstelle gebildet. Diese besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, aus je zwei Vertretern der Krankenkassen und der Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen, sowie zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern.

Zusätzlich ist eine Rahmenvereinbarung zwischen Herstellern und GKV-Spitzenverband abzuschließen. Darin können Höchst- oder Mindestpreise festgelegt werden.

Preisbildung der digitalen Gesundheitsanwendungen in der Kritik

Kritische Stimmen sind der Meinung, dass Herstellern im derzeitigen Preisfindungssystem im ersten Jahr nach Eintragung ein ungerechtfertigter Vorteil gewährt wird. Damit beziehen die Leute sich auf das Recht der Hersteller, die Höhe des Preises ihrer digitalen Gesundheitsanwendung im ersten Jahr nach Eintragung komplett frei wählen zu können.

Da allgemein bekannt ist, dass die Preisbildung mit dem Spitzenverband erst ab dem 13. Monat beginnt, würden viele Hersteller die „Chance nutzen“ und im ersten Jahr utopische Preise verlangen. Im Vergleich zu DiGA, die sich außerhalb des DiGA-Verzeichnisses auf dem Markt bewegen, sind sie häufig signifikant teurer. Dazu kommt, dass die Preise auch deutlich über der Bezahlung für konventionell erbrachte Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung lägen.

Der Durchschnittspreis aller gelisteten DiGA über eine Verschreibungsdauer von 90 Tagen lag Ende vergangenen Jahres bei 428 EUR. Krankenkassen fordern mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit dreimonatige Preisverhandlungen direkt nach Markteintritt.

700 EUR für DiGA ohne positiven Versorgungsnachweis?

Vereinzelt seien vor Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis des BfArm Preissprünge von bis zu 500 % zu verzeichnen. Dann ist es nicht fernliegend zu behaupten, dass eine vertrauenserweckende medizinische Versorgung anders aussieht. Auch Apps auf Rezept müssten den gesetzlichen Krankenkassen zufolge dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen, denn diese gehen mit den DiGA ein beachtliches Kostenrisiko ein. Bei Kosten von bis zu 700 EUR pro Patient ist das ein sehr gewagter Preis dafür, dass teilweise noch gar keine positiven Versorgungsnachweise vorliegen.

Die Tatsache, dass DiGA bereits in Erprobung auf den Markt kämen und bis zu 24 Monate erstattungsfähig seien, ohne dass ein Nachweis der Evidenz und damit ein tatsächlicher Nutzen für die Versicherten bewiesen wären, sei hinsichtlich der Sicherheit der Patienten nicht zu verantworten. Generell stelle das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm) zu geringe Anforderungen an qualitativ hochwertige Nachweise eines positiven Versorgungseffekts. Im Gegensatz zu anderen Leistungsbereichen könne hier mit wenig Aufwand ein allenfalls mittelmäßiger Nachweis erbracht werden, der für die Etablierung genüge.

DiGA-Hersteller halten Kritik für unberechtigt

Hersteller halten dagegen, dass Außenstehende den Arbeits- und Kostenaufwand, der hinter den Digitalen Gesundheitsanwendungen steckt, maßlos unterschätzen. Zwischen ungelisteten und gelisteten Anwendungen seien dabei große Unterschiede zu finden, die Laien gar nicht mitbekommen könnten. Daher seien die Preisunterschiede keineswegs abwegig.

Weiterhin seien die positiven Versorgungsnachweise je nach Einsatzfeld unterschiedlich zu bestimmen. Je nachdem auf welcher medizinischen Ebene eine Anwendung einen Mehrwert bringen soll, müssten Stadium der Krankheit und weitere detaillierte Faktoren ermittelt werden. Damit sei die Preisbildung bei jeder DiGA individuell zu betrachten.