Gründer-Vesting: Notwendigkeit für Startups! (DE/EN)

Warum Vesting-Klauseln bei der Gründung eines Startups Pflicht sind

Gründer von Startups sollten schon zu Beginn ein Vesting (sog. Gründer-Vesting) vereinbaren, um die dauerhafte Erbringung der vollen Arbeitsleistung durch alle Beteiligten sicherzustellen.

Veröffentlicht am: 09.06.2022
Qualifikation: Rechtsanwältin in Hamburg & Berlin
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Die meisten Startups beginnen mit einer gemeinsamen Idee: Drei Freunde oder Kollegen tun sich zusammen, arbeiten erst ein bisschen, dann immer mehr und schließlich Vollzeit an dem Projekt. Sie gründen ein Unternehmen und holen Investoren zur Finanzierung des Startups heran - so weit, so gut.

Da anwaltlicher Rat nicht umsonst ist, sparen viele bei derGründung des Startups leider zu Beginn oft am falschen Ende - und sehen sich Jahre später mit Verträgen konfrontiert, die das erfolgreiche Weiterkommen des Unternehmens signifikant beeinflussen - etwa: ungünstige Mehrheitserfordernisse im Gesellschaftsvertrag, fehlende Einziehungsregelungen oder eben ein fehlendes Vesting für die Gründer (sog. Gründer-Vesting, engl. Founder Vesting). Warum Gründer von Startups in den meisten Fällen Vesting-Regelungen schon zu Beginn vorsehen sollten, beleuchten wir daher - gratis - in diesem Beitrag.

Vesting - was ist das überhaupt?

Sogenannte Vesting-Klauseln finden sich mittlerweile in der Praxis überall: In Finanzierungsrunden, Beteiligungsverträgen oder Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen - und häufig eben auch schon bei der Gründung eines Unternehmens. Das Prinzip „Vesting“ funktioniert dabei immer gleich: Gründer oder Mitarbeiter von Startups müssen sich ihre Beteiligung an dem Unternehmen eine gewisse Zeit lang "verdienen" und zwar dadurch, dass sie dem Startup ihre Arbeitsleistung für eine gewisse Zeit (die sog. Vesting-Period) zur Verfügung stellen.

Scheiden die Betroffenen verfrüht aus dem Startup aus, verlieren sie ihre Anteile teilweise oder ganz. Typischerweise bekommen Sie als Ausgleich für die verlorenen Anteile entweder gar nichts oder nur einen reduzierten Betrag gemessen am Verkehrswert des Unternehmens - je nachdem, warum und wann sie ausscheiden. Die verschiedenen Konstellationen werden dabei durch sogenannte Bad & Good Leaver-Klauseln ausdifferenziert.

Nähere Informationen zum Vesting finden Sie auf unserer Webseite zum Thema: Vesting-Klauseln

Warum Vesting-Klauseln für Gründer?

Ein Gründer-Vesting wird in der Praxis häufig erst auf ausdrücklichen Wunsch später hinzukommender Investoren vereinbart - diese wollen sicherstellen, dass die Köpfe eines erworbenen Unternehmens nicht kurz nach dem Exit mit dem frischen Geld das Schiff verlassen, sondern ihr Know-How dem Unternehmen über einen gewissen Zeitraum auch nach der Investition zur Verfügung stellen. Ein Gründer-Vesting wird daher oft erst nachträglich vereinbart.

Tatsächlich werden aber Vesting-Regelungen auch zu Beginn der Unternehmung immer häufiger direkt zwischen den Gründern selbst aufgenommen. Hintergrund: Nehmen wir an, alle drei Freunde aus unserem obigen Beispiel sind zu je ein Drittel beteiligt. In den ersten Monaten stecken alle drei ihre gesamte Arbeitsleistung in das Projekt - dann aber vergeht dem Gründer A die Lust an dem Projekt und er sucht sich einen anderen Job. Obwohl B und C weiter die gesamte Zeit alleine für das Projekt schuften, steht Gründer A trotzdem weiter ein Drittel von allem zu. Zurecht empfinden B und C das irgendwann als ungerecht.

Gründer-Vesting: Gerechte Verteilung nach Arbeitsleistung der Gründer

Eine Vesting Regelung bei Gründung des Unternehmens hätte dafür gesorgt, dass A seine volle Anzahl an Anteilen nur so lange auch behalten darf, während er seine volle Arbeitsleistung dem gemeinsamen Unternehmen zur Verfügung stellt. Will er früher raus, muss er einen Teil seiner Anteile wieder abgeben und bekommt diese ggf. (mit Abschlag) nach dem Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt seines Ausscheidens vergütet. Dadurch wird seine bisherige Arbeitsleistung hinreichend und fair honoriert - er nimmt aber nicht mehr in demselben Umfang an zukünftigen Wertsteigerungen des Unternehmens teil, die allein durch die Arbeit der zwei verbleibenden B und C erreicht werden.

Zudem werden durch die Abgabe der Anteile des A auch neue Möglichkeiten geschaffen, die Rolle von A zu ersetzen und möglicherweise einen neuen Gesellschafter mit ins Boot zu holen, der die Aufgaben von A in Zukunft wahrnimmt und seinerseits über die Anteile an der Wertsteigerung ab seinem Eintritt in die Gesellschaft partizipieren kann.

Bedeutung von Abfindung und Good & Bad Leaver Klauseln für die Wirksamkeit des Founder-Vestings

Dabei ist eine faire Ausgestaltung insbesondere in Bezug auf die Abfindung aber nicht nur empfehlenswert, sondern oft auch Voraussetzung für eine Gültigkeit des Gründer-Vestings. Denn: Wenn der Gründer bereits eine exorbitant hohe Leistung für das Startup erbracht hat, und dann - schlimmstenfalls sogar erst aufgrund einer nachträglichen Vereinbarung - den wesentlichen Wert seiner Anteile entzogen bekommt, kann das unangemessen und sittenwidrig und daher unwirksam sein. 

Wichtig ist hier eine passgenaue Formulierung der Good & Bad-Leaver Klauseln für das Vesting: Welche Konstellationen sollen welche Abfindung nach sich ziehen und ist diese für die jeweilige Situation auch angemessen? 

Umsetzung: Reverse-Vesting für Gründer

Praktisch wird beim Gründer-Vesting dann meist ein sog. Reverse-Vesting (deutsch: umgekehrtes Vesting) vereinbart. Das bedeutet, dass der Gründer nicht monatlich Anteile zugeteilt bekommt - dann würden Wert und Steuern jeden Monat mit jedem übergegangenen Anteil neu berechnet werden. Vielmehr werden dem Gründer erst einmal seine vollen Anteile zugewiesen. Am Ende der Vesting-Period sind dann alle seine Anteile unverfallbar und damit gesichert. Scheidet er dagegen während der Vesting-Period verfrüht aus dem Unternehmen aus, verliert er aber den nicht "gesicherten" Teil seiner Anteile (ggf. gegen Abfindung, ggf. mit Abschlag).

Dabei ist es auch möglich, eine anteilige Anpassung des Vestings im Verhältnis zur Arbeitsleistung zu vereinbaren. Fängt der Gründer also in Vollzeit an, möchte aber nach einer gewissen Zeit nicht ganz raus, sondern nur seine Arbeitsleistung auf 4 oder 3 Tage die Woche (Teilzeit) reduzieren, erfolgt eine entsprechende Anpassung der Vesting-Period.

Praxis-Tipp: Rechtssichere Gesellschaftervereinbarung vermeidet Streit

Um eine Verzögerung des Prozesses von vornherein zu vermeiden, wird dabei meistens eine aufschiebend bedingte Übertragung der Geschäftsanteile vereinbart. Kommt es zum Ausscheiden aus dem Unternehmen, muss das Vorliegen des Leaver-Events nur festgestellt werden, und die nicht gevesteten Anteile des ausscheidenden Gesellschafters fallen automatisch zurück. In einem zweiten Schritt wird dann erst der Kaufpreis betrachtet. So bleibt die Gesellschaft handlungsfähig und kann schnell agieren.

Um ferner Streit vorzubeugen, empfehlen wir, bereits in der Gesellschaftervereinbarung einen aufschiebend bedingt gefassten, unwiderruflichen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung zur Übertragung der Vesting-Geschäftsanteile aufzunehmen. Darin stimmen alle Gesellschafter bereits der Übertragung der Anteile für den Fall des Eintritts eines Leaver-Events zu und verzichten vorsorglich auf alle sonstigen Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag, wie zum Beispiel Vorerwerbsrechte und Tag-Along-Rechte.

Entbrennt später doch Streit unter den Gründern, legt dieser jedenfalls nicht das gesamte Unternehmen lahm - etwa weil zeitweise unklar ist, wem die Gesellschaft eigentlich gehört und wer berechtigt ist, entsprechende Entscheidungen zu treffen. Erst wenn ein Gerichtsurteil ergeht, müssen ggf. nachträglich Änderungen gemacht werden.