Sammelklage (class action)

Die US „class action“ und das deutsche Äquivalent einer Sammelklage

Sammelklagen zwingen in den Vereinigten Staaten immer wieder große Unternehmen in die Knie und helfen Verbrauchern, ihre Rechte trotz finanzieller Unterlegenheit durchzusetzen. Sie sorgen außerdem für die höchsten Stundensätze amerikanischer Anwälte in der Geschichte des Landes.

Ob eine deutsche Sammelklage rechtlich ermöglicht werden kann, ist und bleibt unter Juristen und Politikern umstritten.

Die amerikanische class action

Eine Sammelklage ist in den Vereinigten Staaten ab einem Streitwert von 5.000.000 Dollar oder bei Beteiligung ausländischer Parteien möglich, wenn eine vermeintliche Klasse von in rechtlich und tatsächlich gleicher Weise Geschädigten besteht und Einzelklagen aufgrund der großen Zahl der Geschädigten nicht praktikabel wären. Dies geschieht besonders häufig im Bereich der Produkthaftung.

Das Gericht prüft vor Annahme des Antrags die obigen Voraussetzungen. Die klagenden Anwälte müssen außerdem über hinreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen. Ein Urteil bindet dann alle Gruppenmitglieder, auch wenn sie nicht am Prozess beteiligt waren oder unter Umständen sogar, wenn sie von dem Verfahren nichts wussten. Will ein Mitglied der betroffenen Klasse von dem Urteil oder einem Vergleich nicht gebunden sein, muss es explizit die Gruppe verlassen (sog. „opting out“).

Vorteile einer Sammelklage

Die Sammelklage ermöglicht eine gerichtliche Geltendmachung auch bei geringen einzelnen Streitwerten, etwa wenn eine Vielzahl von Verbrauchern um nur wenig Geld gebracht wurden. So wird für Rechtssicherheit gesorgt und rechtsmissbräuchliches Verhalten auch im Kleinen geahndet.

Auch wenn es um große Unternehmen auf der Beklagtenseite geht, ermöglicht allein die Sammelklage einen Ausgleich der Kräfteverhältnisse. Durch die Bündelung des Streitwertes können große Kanzleien mit hinreichend Ressourcen den von den Unternehmen beauftragten Großkanzleien etwas entgegensetzen.

Nachteile einer Sammelklage

In den USA wird die Sammelklage häufig als Druckmittel missbraucht, wenn Unternehmen nicht rechtzeitig genug auf Verbraucherbeschwerden reagieren oder um es im Rahmen eines unabhängigen Verfahrens rechtlich oder finanziell unter Druck zu setzen.

Weil die rechtlichen Konsequenzen für das beklagte Unternehmen in der Regel unüberschaubar sind, enden die meisten Klagen mit einem Prozessvergleich zwischen den Parteien. Kläger müssen sich im Vorfeld darüber klar sein, welcher Teilerfolg für sie wirtschaftlich sinnvoll ist.

Die deutsche Rechtslage

Im deutschen Recht ist eine allgemeine Sammelklage nicht möglich. Ein Urteil wirkt gemäß dem sogenannten „inter-partes“-Grundsatz nur zwischen den beteiligten Parteien. Allenfalls ist eine gemeinsame Prozessführung als Streitgenossen möglich, wenn die Kläger oder Beklagten hinsichtlich des Streitgegenstandes aus demselben rechtlichen oder tatsächlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind. Prozesshandlungen werden dennoch gesondert beurteilt. Nur ausnahmsweise wirken gewisse Handlungen bei der notwenigen Streitgenossenschaft zwingend für und gegen eine andere Partei. Darüber hinaus kann der Richter nach eigenem Ermessen zwei Prozesse zu einem gemeinsamen Prozess gemäß § 147 ZPO verbinden.

Es gibt allerdings einige spezielle Ausnahmen.

  1. Eine Sammelklage in Form einer Verbandsklage findet sich im deutschen Umweltrecht. Danach sind etwa Umwelt- oder Naturschutzverbände befugt, Klage zu erheben (sog. Popularklage).
  2. Auch das Verbraucherschutzrecht sieht vor, dass Verbraucherschutzverbände bei der Verletzung von Verbraucherschutzvorschriften befugt sind, Unterlassungsklage zu erheben.
  3. Eine weitere Ausnahme existiert im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG). Dort ist ein Musterverfahren als Sonderform der Sammelklage vorgesehen, wenn Kapitalanleger falsch oder unzureichend informiert werden. Sobald mindestens zehn private Aktionäre klagen, deren Rechtsverletzung auf denselben Rechts- und Tatsachenfragen basieren, wird ein solcher Musterprozess vor dem zuständigen Oberlandesgericht geführt. Das Urteil bindet alle registrierten Kläger. Andere Verfahren vor Gerichten, die mit dem Musterverfahren zusammenhängen, werden ausgesetzt, bis ein Urteil des Oberlandesgerichts vorliegt. Dessen Ergebnisse fließen dann in die jeweiligen Verhandlungen ein.

Veränderungen in Europa

Immer mehr Staaten führen die Sammelklage nun in ihr Rechtssystem ein. Viele sehen darin die einzige Möglichkeit, Waffengleichheit gegenüber großen Unternehmen zu schaffen. So hat etwa Frankreich 2014 die „action de groupe“ eingeführt. Bereits jetzt sind deutsche Unternehmen auch von der amerikanischen class action betroffen. In Zeiten internationaler Handelsabkommen wie CETA und TTIP ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis endlich auch deutschen Verbrauchern Rechte gegen die Großen der Wirtschaftswelt zugesprochen werden.

Die Europäische Kommission versucht seit 2007, eine allgemeine europäische Sammelklage einzuführen, scheiterte bisher aber vor allem am Widerstand von deutschen und französischen Politikern. 2014 legten die Grünen dem Bundestag einen Entwurf vor, der einen kollektiven Rechtsschutz vorsah, der ein Jahr später aber abgelehnt wurde.