Darf ein Berufsbetreuer Erbe sein?

Testament zugunsten Betreuer sittenwidrig

Die Einsetzung eines Berufsbetreuers zum Erben kann unter bestimmten Voraussetzung wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Das Oberlandesgericht Celle hat sich in einem aktuellen Beschluss zu den Voraussetzungen geäußert.

Veröffentlicht am: 15.02.2024
Qualifikation: Rechtsanwältin für Erbrecht in Hamburg
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Das Oberlandesgericht Celle hat sich zum zweiten Mal in kurzer Zeit mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Testament, welches den eigenen Berufsbetreuer zum Erben einsetzt, wirksam ist. In dem aktuellen Beschluss vom 9. Januar 2024 (6 W 175/23) kommt es zu dem Ergebnis, dass ein solches Testament im konkreten Fall sittenwidrig und damit nichtig war. Dennoch sei nicht jedes Testament zugunsten eines Berufsbetreuers nichtig, es komme immer auf die konkreten Umstände an, wie die letztwillige Verfügung zustande gekommen ist.

Erblasserin ohne Angehörige

Die Erblasserin war zum Zeitpunkt ihrer Testamentserrichtung im Jahr 2022 bereits 92 Jahre alt. Ihr Ehemann war bereits viele Jahre zuvor verstorben. Im September 2022 war zudem die einzige Tochter der Erblasserin verstorben. Die Erblasserin hatte damit keine Angehörigen mehr.

Da die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt in einem sehr schlechten Gesundheitszustand war und zudem an Depressionen litt, wurde für diese kurz nach dem Tod ihrer Tochter eine Berufsbetreuerin bestellt. Bei einer Anhörung durch die Betreuungsrichterin hatte die Erblasserin zunächst davon gesprochen, dass sie gerne ein Testament zugunsten der Kirche errichten möchte.

Betreuerin organisierte Notartermin für Testamentserrichtung

Nur einen Monat nach Beginn der Betreuung vereinbarte die Berufsbetreuerin für die Erblasserin einen Notartermin zur Errichtung eines Testaments. Die Berufsbetreuerin sorgte durch ihre Hilfe dafür, dass der Notartermin trotz des schlechten Gesundheitszustands im Krankenhaus stattfinden konnte. Die Erblasserin setzte in diesem Testament die Berufsbetreuerin zu ihrer alleinigen Erbin ein. Ihr Vermögen betrug in etwa 350.000 Euro. Noch vor dem Tod der Erblasserin beantragte die Berufsbetreuerin zudem einen Erbschein für die Erblasserin nach deren Tochter.

Erbeinsetzung aufgrund der Umstände der Testamentserrichtung sittenwidrig

Die Erblasserin starb kurze Zeit später. Die Berufsbetreuerin beantragte auf Grundlage des zuvor errichteten Testaments einen Erbschein, welchen diese als Alleinerbin ausweisen sollte. Das Oberlandesgericht Celle hatte sich daraufhin mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Einsetzung der Berufsbetreuerin im Testament als Erbin zulässig sei.

Es kam zu dem Entschluss, dass die Einsetzung insbesondere aufgrund der Umstände, unter denen das Testament zustande gekommen ist, sittenwidrig und damit nichtig sei. Hierbei bezog sich das Oberlandesgericht auf einen ähnlichen, bereits 2021 entschiedenen Fall, in welchen es ähnlich entschieden hatte. Ein Testament sei nach der mittlerweile bestätigten Ansicht des Gerichts zumindest dann „sittenwidrig, wenn ein Berufsbetreuer seine gerichtlich verliehene Stellung und seinen Einfluss auf einen älteren kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einem von ihm herangezogenen Notar in seinem Sinne letztwillig zu verfügen“. Diese Voraussetzungen sah das Gericht als gegeben an.

Testierfreiheit stehe Sittenwidrigkeit nicht entgegen

Das Oberlandesgericht setzte sich in seiner Entscheidung auch mit der Frage auseinander, inwiefern die grundrechtlich geschützte Testierfreiheit einer Sittenwidrigkeit entgegenstehe. Diese gibt jedem Erblasser das grundsätzliche Recht, seine Erben frei auszuwählen, unabhängig wie intensiv die Beziehung zu diesen ist bzw. wie lange diese bereits dem Erblasser bekannt sind. Das Oberlandesgericht betont allerdings in diesem Zusammenhang, dass durch die Testierfreiheit nur selbstbestimmte Entscheidungen geschützt werden sollen. Bei der Erblasserin ging das Oberlandesgericht aber gerade davon aus, dass auf diese durch die Berufsbetreuerin in unzulässiger Weise eingewirkt worden sei und dass ihre Entscheidung bei der Testamentserrichtung daher gerade nicht selbstbestimmt getroffen worden sei.

Rechtsprechung noch nicht gefestigt

Die Situation, dass Berufsbetreuer als Erben eingesetzt werden und über die Wirksamkeit des Testaments nachträglich gestritten wird, kommt in unserer erbrechtlichen Praxis immer mal wieder vor. Das Oberlandesgericht Celle steht derzeit mit seiner klaren Rechtsprechung allein da. Abzuwarten bleibt, ob sich weitere Gerichte in Zukunft anschließen werden oder ob sich der BGH zukünftig zu ähnlich gelagerten Fällen äußern wird.