Wenn im Ehevertrag auf alles verzichtet wird

Sittenwidrigkeit bei fehlender Kompensation

Eheverträge sollen Vermögen schützen und Streit vermeiden. Übertreibt man dabei jedoch, setzt man beide Ziele auf's Spiel.

Veröffentlicht am: 14.11.2023
Qualifikation: Fachanwältin für Familienrecht und Erbrecht
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Bei den meisten Eheverträgen geht es darum, dass sich der wirtschaftlich stärkere Partner vor den nachteiligen Folgen einer Scheidung schützen will. Übertreibt man es dabei, kann der Ehevertrag jedoch ungültig, weil sittenwidrig, sein. Das Kammergericht in Berlin hat vor einigen Wochen entschieden, dass das bei einem "Globalverzicht" der Fall sein kann, wenn diesem keine Kompensation gegenüber steht (KG, Beschluss vom 28. August 2023 - 16 UF 21/23).

Ehevertrag unter Druck und Tränen

In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Deutscher eine Weißrussin geheiratet und im Anschluss mit ihr einen Ehevertrag geschlossen. Dieser kam allerdings nur zustande, weil der Mann monatelang Druck gemacht hatte und seiner Frau anderenfalls mit Scheidung gedroht hatte, was zum Verlust ihres Aufenthaltstitels und Ausweisung aus Deutschland geführt hätte. Beim Notar unterschrieb sie dann unwillig und "unter Tränen" einen Ehevertrag, der nicht nur Gütertrennung vorsah, sondern auch den Versorgungsausgleich ausschloss und Unterhalt im Scheidungsfall nur für den Fall der Kinderbetreuung vorsah.

Da die Frau ihren Mann in den folgenden Jahren auf längeren Montageaufenthalten im Ausland begleitete, konnte sie kein eigenes Einkommen erzielen oder gar Vermögen aufbauen. Als es dann schließlich zur Scheidung kam, stand der Ehevertrag auf dem gerichtlichen Prüfstand. Das Familiengericht und in der Folge auch das Berliner Kammergericht erklärten den Ehevertrag für sittenwidrig.

Wirtschaftliches Gefälle statt Augenhöhe

Der Vertrag, so das Kammergericht, sei nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, da dem Verzicht auf den Versorgungsausglich keine Kompensation gegenüberstehe. Während der Mann ein hohes Einkommen erzielt habe, habe sich die Frau aufgrund der Lebensumstände auf Nebenerwerbstätigkeiten beschränken müssen. Zwar behauptete der Ehemann, er habe (wegen der beidseitigen "sowjetischen Sozialisierung") die Erwartung einer Doppelverdienerehe gehabt; faktisch wurde aber eine Alleinverdienerehe gelebt. Vom Gericht bei der Gesamtwürdigung ebenfalls berücksichtigt wurde der ausländerrechtliche Status, da die Aufenthaltsgenehmigung bei einer Scheidung entfallen wäre und dies daher ein erhebliches Druckmittel darstellte.

Der Ehemann, so das Gericht in Berlin, habe seine Frau über Monate "weichgeklopft" und sie auf ihre hilflose Lage hingewiesen. Daher sei auch subjektiv Sittenwidrigkeit gegeben, da er die Lage bewusst ausgenutzt habe. Als "Kompensation" für die weggefallenen Scheidungsfolgen sah der Mann die "Fortführung der Ehe" und die "mietfreie Mitwohngelegenheit" in der Immobilie des Ehepartners. Dem wollte das Gericht aber nicht folgen.

Nicht über das Ziel hinausschießen

Die Entscheidung des Kammergerichts zeigt, dass beim Ehevertrag gewisse Spielregeln einzuhalten sind. Wer sein Vermögen schützen will, versucht natürlich, die gesetzlichen Scheidungsfolgen Zugewinnausgleich, Versorgungsausglich und Unterhalt zu seinen Gunsten zu modifizieren. Gerade wenn die beiden Vertragspartner aber wirtschaftlich nicht auf Augenhöhe stehen und noch weitere Umstände hinzutreten, führt ein umfassender Eingriff in das gesetzliche Scheidungsrecht aber schnell zur Sittenwidrigkeit.

Daher sollte bei jedem Ehevertrag genau geprüft werden, wie weit man im konkreten Fall gehen kann, ohne dass der Vertrag im Ernstfall vom Gericht einkassiert wird. Dabei gibt es zahlreiche Konstellationen mit besonderen Anforderungen, wie etwa ein Ehevertrag mit einem Ausländer.