CO2-Zertifikate auf Blockchain-Basis

Neue Plattform nach europarechtlichen ESG-Vorgaben

Eine Initiative aus der Wirtschaft will auf Blockhain-Basis eine Plattform für freiwillige CO2-Zertifikate gründen. Dabei stellen sich rechtliche und steuerliche Fragen.

Veröffentlicht am: 01.11.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Hamburg
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In 2023 will eine Gruppe von ehemaligen Bankern zusammen mit dem Ex-CEO von Linde, Wolfgang Reitzle, eine Handelsplattform für freiwillige CO2- Zertifikate auf Blockchainbasis unter dem Namen Callirius an den Start bringen. Daran zeigt sich, dass der Umbau der Wirtschaft orientiert an Nachhaltigkeitszielen vor dem Hintergrund der europarechtlichen ESG- Vorgaben in Verbindung mit der Blockchain- Technologie immer mehr Fahrt aufnimmt. Dabei stellen sich eine Reihe von spannenden aufsichtsrechtlichen, handelsrechtlichen und steuerlichen Fragen.

Chancen und Herausforderungen für die Wirtschaft durch Nachhaltigkeitsziele

Durch eine Reihe von Gesetzesvorhaben versucht der europäische Gesetzgeber die Wirtschaft in Richtung der Nachhaltigkeitsziele in Bezug auf Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung zu lenken. Die Anbieter von Finanzprodukten müssen bereits seit längerem darüber informieren, inwieweit ihre Investments diesen Kriterien entsprechen. Mittelbar übt dies entsprechenden Druck auf Unternehmen aus, welche auf die Kapitalmärkte angewiesen sind. Außerdem bestehen für börsennotierte Unternehmen Berichtspflichten, die der EU- Gesetzgeber ab 2023 auch auf bestimmte mittelständische Unternehmen ausweiten. Dies erfordert erhebliche Anpassungsprozesse. Andererseits sehen viele Unternehmen dies auch als Chance, sich gegenüber Kunden und Mitarbeitern als entsprechend gemeinwohl- und zukunftsorientiert präsentieren zu können. Hierfür spielen freiwillige CO2- und vergleichbare Umweltzertifikate zunehmend eine Rolle. Damit investieren interessierte oder verpflichtete Unternehmen in solche Umwelt-Zertifikate, die von Eigentümern und Initiatoren ökologisch relevanter Projekte emittiert werden. Die Entstehung entsprechender Märkte fördert wiederum die Möglichkeiten, solche Projekte zu initiieren oder auszubauen. Ein Win-Win Situation.

Praktische, rechtliche und steuerliche Herausforderungen

Praktisch stellt sich die Schwierigkeit, Investoren, die schwerpunktmäßig in entwickelten Volkswirtschaften ansässig sind, und Projektentwickler, die schwerpunktmäßig in weniger entwickelten Volkswirtschaften agieren, zusammenzubringen. Eine fachlich fundierte Bewertung der Projekte vor Ort mit entsprechender Zertifizierung ist unerlässlich, um Betrug und Green-Washing einen Riegel vorzuschieben.

Wenn Handelsplattform, wie von Callirius geplant, eingerichtet werden und wenn die Zertifikate in digitaler Form als Token oder Kryptoassets gehandelt werden können sollen, werden BaFin-Lizenzen und möglicherweise Prospekte für die Zertifikate notwendig. Wenn die Zertifikate vergleichbar einem Wertpapier ausgestaltet sind, gelten grundsätzlich die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen. Handelt es sich dagegen bei der Ausgestaltung um einen Utility- Token, so wird dies grundsätzlich vermieden. Interessant ist, das Callirius in der Schweiz gegründet worden ist, jedoch in Deutschland eine BaFin-Lizenz anstrebt.

Um die freiwilligen Umwelt-Zertifikate für Investoren attraktiv zu machen, sollten diese zudem bilanzierungsfähig sein. Insoweit stellen sich wiederum schwierige rechtliche Fragen, welche vor dem Hintergrund der Neuartigkeit dieser Instrumente und der technischen Komplexität zu beantworten sind. Zudem ist die Frage, wie die Zertifikate und mögliche Gewinne hieraus steuerlich zu behandeln sind, zu klären.

Immer höhere Schlagzahl bei der Schaffung von Umweltzertifikaten

Callirius ist nur das neueste bekannt gewordene Projekt in einer Reihe von entsprechenden Klimaprojekten, welche „Impact Investoren“ mit Nachhaltigkeitsprojekten zusammenbringen wollen. Ein anderes spannendes Start-up ist die Berliner goodcarbon GmbH, die einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Hier brauchen allerdings auch die Investoren ein „Zertifikat“. Denn investieren dürfen nur Unternehmen, die nachgewiesen haben, dass sie selbst im Unternehmen alles getan haben, um ihren CO2- Fußabdruck zu minimieren. Erst dann dürfen Sie in die von der Plattform ausgewählten externen Umweltprojekte investieren und ihre Klimabilanz weiter aufbessern. Dies zeigt, dass es sich bei den ESG-Investments aktuell um einen Nachfragemarkt handelt. Auch goodcarbon arbeitet mit der Blockschein-Technologie, in welcher jedoch nicht nur die Trading-Informationen abgebildet werden, sondern auch die Nachhaltigkeitsinformationen der Projekte aufgenommen werden.

Noch ist in diesem Bereich vieles freiwillig. Dennoch sollten Unternehmen bereits heute darüber nachdenken, wie ihre individuelle Nachhaltigkeitsstrategie aussieht und ob sie in solche Produkte investieren wollen. Zum einen ist absehbar, dass der Gesetzgeber in Zukunft vom Freiwilligkeitsprinzip weiter abrückt und gesetzliche Vorgaben machen wird und zum anderen dürfte eine - nicht zuletzt darauf basierende - Nachfrage in der Zukunft Zertifikate an geeigneten Umweltprojekten erheblich verteuern.