Murder Mansions, Mord und Stalker im Immobilienrecht

Wie im falschen Film…

Einige Hauskäufer interessieren sich auch für die Vorgeschichte einer Immobilie. Allerdings dürfte es jeden interessieren, ob das potenzielle neue Eigenheim jemals Tatort eines schrecklichen Verbrechens gewesen ist – oder? Was eine neuste Entscheidung im Immobilienrecht kurioses dazu sagt, schauen wir uns nun einmal an…

Veröffentlicht am: 02.03.2022
Von: Anna-Maria Blömer
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Wie im falschen Film…

Autorin: Anna-Maria Blömer

Die Entscheidung darüber, welche Immobilie man als Eigenheim kauft, sollte mit Bedacht getroffen werden, denn ständige Umzüge mag eigentlich keiner. Häufig wird die Entscheidung für ein Haus von vielen Faktoren beeinflusst, die die Wahl des Käufers lenken. Ob es um den Kaufpreis, die Lage, die Grundstücksgröße oder um Ausbaumöglichkeiten geht – all das sind Umstände, die ein Kaufinteressent bei seiner Entscheidung berücksichtigen wird.

Einige Hauskäufer interessieren sich auch für die Vorgeschichte einer Immobilie. Das zählt wahrscheinlich für einen Gutshof auf dem Land mehr und für ein Mehrparteienhaus in der Stadt weniger. Allerdings dürfte es jeden interessieren, ob das potenzielle neue Eigenheim jemals Tatort eines schrecklichen Verbrechens gewesen ist – oder? Was eine neuste Entscheidung im Immobilienrecht kurioses dazu sagt, schauen wir uns nun einmal an…

Hausverkäuferin verschweigt Doppelmord – zurecht?

Im Raum Coburg hat eine Frau im Jahr 2018 ein Grundstück gekauft. Erst einige Zeit nach dem Kauf erfuhr sie von einem Verbrechen, das bereits über 20 Jahre zurücklag. Im Jahr 1998 waren in ihrem Haus eine Frau und deren Kind ermordet worden. Aufgrund dieser neuen Informationen wollte sie den damaligen Immobilienkaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten und rückgängig machen. Ihrer Meinung nach hätte die Verkäuferin – auch ohne eine Nachfrage ihrerseits – den Doppelmord zumindest erwähnen und darauf hinweisen müssen.

LG Coburg: keine arglistige Täuschung, Immobilienkaufvertrag wirksam

Damit zog die Käuferin vor das Landgericht Coburg (LG Coburg, Urteil vom 06.10.2021 - 11 O 92/20). Dessen Richter wiesen die Klage zu ihrem Erstaunen ab. Eine arglistige Täuschung habe schon deshalb nicht vorgelegen, da das Verbrechen bereits so weit in der Vergangenheit lag. Darüber hinaus führten die Richter zur Begründung die Tatsache an, dass die ehemalige Eigentümerin selbst erst nach dem Einzug von dem Mord erfahren hatte, aber sie ja noch einige Jahre weiter in dem Haus gelebt hat, ohne dass es sie gestört hat. "Dementsprechend spielte der Doppelmord beim Verkauf des Hauses für die Beklagte auch keine entscheidende Rolle." Nach dem Motto: Wenn es ihr nichts ausgemacht hat, dann hast du dich auch nicht zu beklagen. Es scheint wohl naheliegender, dass die Tatsache, dass das Verbrechen so weit in der Vergangenheit liegt, von größerem Gewicht ist.

Mittlerweile ist das Urteil aus dem vergangenen Jahr auch rechtskräftig, da die neue Eigentümerin mit ihrer geplanten Berufung, auf Hinweis des OLG Bamberg, doch wieder zurückgerudert ist.

Suizid in der Vorgeschichte der Immobilie geheim halten? Schlechte Idee

Im Jahr 2006 hat eine deutsche Familie in Ostseenähe ein Haus für sich entdeckt und gekauft. Über die Vorbesitzer war zwar bekannt, dass sie gestorben waren. Was man aber nicht wusste, war, dass sie sich im Haus erhängt und ihre Leichen über mehrere Wochen dort verwesten und nicht gefunden worden waren. Der Makler hatte diese Information wohlwissend verschwiegen und dahingehend gelogen, dass sich die ehemaligen Eigentümer in Spanien das Leben genommen hätten.

Ein Handwerker klärte die Familie nach dem Kauf über den grausamen Fund auf, wie er tatsächlich stattgefunden hatte. Daraufhin hatte diese Familie damals den Kaufvertrag aufgrund arglistiger Täuschung anfechten wollen. Das Oberlandesgericht Celle gab ihr recht (OLG Celle, Urteil vom 18.09.2007 - 16 U 38/07). Im Vordergrund stand hier die Tatsache, dass der Makler bei direkter Nachfrage nach den Vorbesitzern vorsätzlich gelogen hat.

Der Beginn eines jeden Horrorfilms…

Eine junge Familie zieht in einen kleinen Vorort, kauft dort ein Haus, das schon längst hätte verkauft sein können, aber mysteriöserweise jahrelang leer stand. Sie ahnen nichts Böses, denken es war Schicksal und dass sie mächtiges Glück gehabt haben, dieses Haus zu finden. Aber den Ausgang dieser Geschichten kennen wir ja alle… Erst kommen die seltsamen Geräusche, die schlechten Träume. Dann schließen oder öffnen sich Türen wie von Geisterhand. Schließlich fängt auch die Elektrik an, sich selbständig zu machen. Und am Ende steht das Haus wieder leer und ist um ein Verbrechen älter. Aber 9 von 10 Horrorfilmen stammen aus Amerika, wie sieht es also dort mit den Aufklärungspflichten der Makler oder Verkäufer aus?

Müssen Makler in den USA über Morde, Suizide oder Stalking aufklären?

Auch in der Realität ist es so, dass sich Häuser, über deren kriminelle Vorgeschichte die Öffentlichkeit Bescheid weiß, viel schwerer verkaufen lassen. Als prominentes Beispiel kann man hier die „Murder Mansion“ aka die „Mordvilla von Los Feliz“ anführen. Seit einem Mord mit anschließendem Suizid im Jahr 1959 steht das Grundstück leer und wurde seitdem auch nicht mehr in Stand gehalten. Regelmäßig pilgern morbide Schaulustige dort vorbei, aber eher für den „Kick“ als aus Kaufinteresse. Nun ist das Grundstück erstmals seit 50 Jahren auf dem Markt. So wurde es in der Immobilienanzeige auch publiziert. Nach kalifornischem Gesetz müssen gewaltsame Todesfälle, die in dem Haus stattgefunden haben, nämlich nur dann den neuen Eigentümern mitgeteilt werden, wenn sie innerhalb der vergangenen drei Jahre geschehen sind.

In New Jersey wird von einem Fall berichtet, in dem ein Stalker, der sich selbst „The Watcher“ nennt (auch wenn er wie ein Verwandter von „Geralt von Riva“ aka „The Witcher“ klingt, haben die beiden keinerlei Gemeinsamkeiten), seit mehreren Generationen den Bewohnern eines Hauses anonyme Briefe schickt. Darin informiert er sie, dass sie von ihm beobachtet werden. In den Briefen heißt es weiter „Habt ihr eigentlich schon herausgefunden, was sich in den Wänden befindet?... Mit der Zeit werdet ihr das schon herausfinden“. Der Stalker kann seit mehreren Generationen nicht ausfindig gemacht werden. Vor ihm haben bereits sein Vater und Großvater diese Briefe verfasst. Unter amerikanischen Juristen scheint es allerdings umstritten, ob Verkäufer über potenzielle Stalker-Aktivitäten informieren müssen. Grundsätzlich treffe Eigentümer lediglich die Pflicht, Kaufinteressenten über die Probleme des Hauses zu informieren, dazu zählten aber ähnlich wie in Deutschland eigentlich nur greifbare Dinge wie bauliche Mängel, Ungezieferplagen und Co.

Aufklärungspflichten von Verkäufer und Makler beim Immobilienverkauf

Es geht Verkäufern und Maklern im Zweifel also erst dann an den Kragen, wenn sie auf direkte Nachfrage über die Vorgeschichte der Immobilie gelogen haben. Wurde lediglich verschwiegen, was vor über 20 Jahren geschehen ist, ist das längst vergangene Verbrechen wohl nicht mehr von erheblicher Bedeutung.

Eine Offenbarungs- bzw. Aufklärungspflicht von Verkäufer oder Makler kann dadurch scheinbar lediglich hinsichtlich objektiv feststellbarer und greifbarer Mängel und Altlasten der Immobilie bestehen, die eine Wohnraumnutzung auch aktiv einschränken. Alles was diesen Rahmen überschreitet und einzig die Vorgeschichte des Hauses berührt, kann nicht mehr von der Aufklärungspflicht umfasst sein, denn wer kann schon beurteilen, welche Ereignisse und Informationen für wen eine psychische Belastung darstellen könnten?