Klage gegen Beschluss der Hauptversammlung wegen Handyverbot

Versammlungsleiter – Rechte, Pflichten, Anfechtung

Beschlüsse einer Hauptversammlung können bei Gesetzesverstößen vor Gericht angefochten werden. Doch rechtfertigt ein Handyverbot eine entsprechende Klage?

Veröffentlicht am: 24.06.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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In der Hauptversammlung treffen die Aktionäre die wesentlichen Entscheidungen der AG: Gewinnverwendung, Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, Umwandlungen ... Es verwundert daher nicht, dass Beschlüsse der Hauptversammlung häufig im Fokus der Aktionäre stehen. Insbesondere opponierende Aktionäre und die altbekannten Berufskläger greifen mögliche Fehler bei der Vorbereitung, Durchführung und Beschlussfassung der Hauptversammlung auf, um mit Hilfe des Gerichts gefasste Beschlüsse der Hauptversammlung zu Fall zu bringen.

Eine aktuelle Entscheidung des Kammergerichts Berlin, KG Urteil vom 26.1.2024, Az 14 U 122/22 (nicht rechtskräftig), zeigt auf, dass Beschlüsse der Hauptversammlung auch wegen vermeintlich alltäglicher Belanglosigkeiten vor Gericht erfolgreich angefochten werden können.

Fehler bei Einladung zur Hauptversammlung?

Ausgangspunkt der Entscheidung war die Einladung zur Hauptversammlung. Die Einladung zur Hauptversammlung der AG enthielt unter dem Punkt „Einlasskontrolle“ den folgenden Passus:

„Zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Hauptversammlung und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Aktionäre sind Bild- und Tonaufnahmen während der Hauptversammlung nicht gestattet. Geräte, die sich zur Bild- oder Tonaufnahme eignen, dürfen von den Aktionären nicht mitgeführt werden. Am Eingang wird eine Einlasskontrolle durchgeführt.“

Der identische Text befand sich auch auf der Einladungskarte, die die Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung erhielten. Diese Maßnahme sollte sicherstellen, dass die Versammlung ordnungsgemäß und ohne Störungen ablaufen konnte. In der Versammlung wiederholte der Versammlungsleiter das Verbot und wies ausdrücklich darauf hin, dass von dem Verbot auch entsprechende Handys umfasst seien; diese dürften nicht mit in den Versammlungssaal genommen werden. Der Versammlungsleiter wies zudem daraufhin, dass im Versammlungssaal Computer mit Internetzugang zur Nutzung durch die Aktionäre bereitstünden.

Hauptversammlung – Verweigerung des Zutritts

Einzelne Aktionäre begehrten ungeachtet des Handyverbots Einlass zur Hauptversammlung mit ihrem Handy. Diesen Aktionären wurde jedoch der Zutritt zum Versammlungssaal durch die Ordnungskräfte verweigert. Die Aktionäre verließen anschließend den Ort der Hauptversammlung.

Klage gegen Beschluss wegen Handyverbots

Die betroffenen Aktionäre empfanden das Verbot, Handys mit Audio- und Videoaufnahmefunktion in der Hauptversammlung nicht mitführen zu dürfen, als unzulässige Einschränkung ihrer Rechte. Die Aktionäre erhoben daraufhin Klage. Sie argumentierten, dass das Mitführverbot von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten über das Ziel hinausschieße und ihre Teilnahmerechte unverhältnismäßig beschränke.

Aus diesem Grund erhoben sie gegen die auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse eine sogenannte Beschlussmängelklage.

Rechte des Versammlungsleiters und Beschlussmangel

Das generelle Verbot, Mobiltelefone und Laptops zur Hauptversammlung mitzuführen, wurde vom Gericht als unverhältnismäßig angesehen. Sowohl die Aktiengesellschaft (Einladung Hauptversammlung) als auch der Versammlungsleiter (Durchführung Hauptversammlung) hätten ihre Befugnisse überschritten.

Das Verbot, Mobiltelefone und Laptops zur Hauptversammlung mitzuführen, stehe nicht im Verhältnis zur Aufrechterhaltung der Ordnung und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte. Das Verbot schränke die Arbeitsfähigkeit der Aktionäre erheblich ein. Besonders in den betroffenen Hauptversammlungen der beklagten AG, deren Tagesordnungen in jüngerer Zeit von zahlreichen Bestätigungsbeschlüssen geprägt sei, stelle das Verbot eine große Beeinträchtigung dar. Eine effektive Teilnahme an einer Hauptversammlung sei heutzutage ohne die Nutzung von Notebooks, Mobiltelefonen oder Tablets kaum noch denkbar. Diese Geräte ermöglichten einen schnellen Zugriff auf alle relevanten Unterlagen, eine effiziente Volltextsuche erlaubte es den Aktionären, sich parallel mit anderen Anforderungen zu befassen. Die Nutzung der Geräte sei, so das Gericht, elementarer Bestandteil des Teilnahmerechts der Aktionäre.

Nach Auffassung des Gerichts könnten auch „Ausgleichsmaßnahmen“, wie zum Beispiel

  • die Möglichkeit der Nutzung der Geräte außerhalb des Versammlungssaals und/oder
  • Bereitstellung eines Notfalltelefons und eines internetfähigen PCs im Versammlungssaal,

die Schwere des Eingriffs in das Teilnahmerecht nicht ausreichend abmildern. Zudem seien diese „Ausgleichsmaßnahmen“ nicht in der Einladung kommuniziert worden.

Das generelle Verbot, Mobiltelefone und Laptops zur Hauptversammlung mitzuführen, führe daher zur Unwirksamkeit sämtlicher in der Hauptversammlung gefasster Beschlüsse.

Aktionär – Anfechtungsrecht trotz Nichtteilnahme an Hauptversammlung?

Bevor das Gericht der Klage stattgeben konnte, hatte es noch ein anderes „Problem zu lösen“.

Das Aktiengesetz verlangt für eine erfolgreiche Klage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss, dass

  • der klagende Aktionär in der Hauptversammlung anwesend war und
  • gegen den betreffenden Beschluss einen Widerspruch zu Protokoll („Niederschrift“) erklärt.

Beide Voraussetzungen waren vorliegend nicht erfüllt. Der klagende Aktionär war vor Beginn der Versammlung schon wieder gegangen und auch ein Widerspruch wurde durch ihn nicht erklärt. Das Gericht griff jedoch auf eine mancherorts unbekannte Alternativregelung zurück, so erlaubt § 245 AktG auch die Anfechtung eines Beschlusses durch einen Aktionär, wenn dieser zu der Hauptversammlung zu Unrecht nicht zugelassen worden ist.

Genau dies war hier der Fall: Dem klagenden Aktionär war nach Auffassung des Gerichts vorliegend der Zutritt zur Hauptversammlung (mit Handy) zu Unrecht verweigert worden.

Verhinderung von Klagen durch Satzung und Kompetenzen des Versammlungsleiters?

Die Entscheidung des KG Berlin lässt die Frage im Raum, ob Handyverbote in Hauptversammlungen per se unzulässig sind. Ausgangspunkt des Urteils war die Frage, ob der Einladende (Vorstand) oder der Versammlungsleiter (in der Praxis meist der Vorsitzende des Aufsichtsrates) kraft ihrer Kompetenzen ein Handyverbot erlassen können. Offen bleibt damit, ob ein in der Satzung verankertes Handyverbot einer gerichtlichen Prüfung standhalten würde. Es bleibt also spannend bei Klagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse