Abrechnung im Vertragsarztrecht

Dürfen Ärzte alles abrechnen, was sie leisten können?

Was Ärzte abrechnen dürfen und was dagegen nach dem Arztrecht eine fachfremde Leistung darstellt, die nicht abrechenbar ist, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am: 09.08.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Medizinrecht in Hamburg
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Das öffentliche deutsche Gesundheitswesen ist planwirtschaftlich geprägt. Hier gilt nicht „Der Markt regelt das schon.“ Es findet keine Orientierung an Angebot und Nachfrage statt. Das Kassensystem des deutschen Gesundheitswesens wird vielmehr von Gremien der Selbstverwaltung und gesetzlichen Vorschriften gelenkt, wodurch es letztlich auch zu Unproduktivität, Korruptionsanfälligkeit und Misswirtschaft kommt. Die Gewährleistung sozialgerechter allgemeiner Gesundheitsversorgung wird insofern gesellschaftlich priorisiert.

Grenzen ärztlicher Abrechenbarkeit

Die weitgreifende Regulierung der medizinischen Kassenversorgung in Deutschland führt auch dazu, dass Kassenärztinnen und -ärzte nicht jede Leistung abrechnen können, die sie aufgrund ihrer Ausbildung und Praxisausstattung eigentlich erbringen könnten und dürften. Behandelnde müssen sich bisweilen entscheiden, ob sie Patientinnen und Patienten gratis untersuchen bzw. behandeln wollen (weil die Leistungen für sie nicht abrechenbar sind), oder Untersuchungen bzw. Therapien abbrechen und betroffene Patienten an eine andere Praxis mit entsprechender Abrechnungsbefugnis verweisen.

Auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten

Das hat vor allem negative Auswirkungen auf Patientinnen und Patienten, die gegebenenfalls von Arzt zu Arzt geschickt werden und deren Behandlung einer akuten Beschwerde womöglich unnötig in die Länge gezogen wird. Gleichzeitig müssen Krankenkassen mitunter für unnötig entstehende Mehrkosten aufkommen.

Warum darf der Kardiologe das Herz nicht untersuchen?

Wenn beispielsweise ein Kardiologe, d.h. ein Arzt, der sich auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Teilgebiet der Inneren Medizin spezialisiert hat, sich nicht als fachärztlicher Internist (Spezialist für Innere Medizin) sondern als Allgemeinmediziner niederlässt, darf er trotz entsprechender Qualifikation und geeigneter Praxisinfrastruktur keine Ultraschallleistungen am Herzen abrechnen. Warum ist das so?

(Es handelt sich bei den Leistungen um die Gebührenordnungspositionen (GOP) 33ff. -Ultraschalldiagnostik- des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). Überdies ist nach der Ultraschall-Vereinbarung der Vertragspartner des Bundesmantelvertrages (BMV) ein Fachkundenachweis sowie eine Genehmigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung erforderlich).

Urteil: Abgerechnet werden nur fachzugehörige Leistungen

Urteil des Bundessozialgerichts (BSG- B 6 KA 19/19 R) bestätigte den Grundsatz, dass es auf eine individuelle Qualifikation der behandelnden Person und die geeignete Praxisausstattung allein nicht ankommt. Abgerechnet werden können nur Leistungen, die dem Arzt oder der Ärztin fachzugehörig sind.

Ist der oder die Behandelnde für ein spezielles Fachgebiet zugelassen, in das eine Leistung fällt, ist sie fachzugehörig. Fachfremd ist eine Leistung, wenn der Arzt oder die Ärztin in dem speziellen Fachgebiet nicht zugelassen ist. Individuelle Fähigkeiten der behandelnden Person bleiben bei der Beurteilung gänzlich außer Acht. Im Wortlaut des BSG: „Individuelle Qualifikationen sind für die Zuordnung bestimmter Leistungen zu einem Fachgebiet irrelevant.“ Für sich genommen ist das eine beachtliche Aussage, die Außenstehenden kaum erklärllich sein kann. Im Fall klagte ein Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin auf Abrechenbarkeit sonografischer Leistungen.

Umstände des Medizinrechts für Patienten unbegreifbar

Dieser Umstand des Arztrechts bzw. Medizinrechts hinsichtlich des Kassensystems ist nur schwer nachvollziehbar. Hat ein Patient, der ein Herzecho benötigt, beispielsweise einen Allgemeinmediziner aufgesucht, der gleichzeitig ausgebildeter Kardiologe ist und dessen Praxis ein Sonografiegerät besitzt, muss eben dieser Allgemeinmediziner den Patienten an eine fachinternistische Praxis überweisen, wenn er die Leistung nicht kostenlos erbringen will.

Patientinnen und Patienten, die bereits Wartezeit für den ersten Termin hatten, müssen dann oftmals noch länger (teilweise Monate) auf einen Termin in einer anderen spezialisierten Praxis warten und eine noch längere Anreise in Kauf nehmen, obwohl die Diagnose eigentlich auf der Stelle durchgeführt werden könnte. An dieser Rechtslage wird sich in naher Zukunft wohl auch erstmal nicht ändern.

Welche Leistungen sind für Ärzte abrechenbar? KV klärt auf!

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) kann einmal niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten im Zweifelsfall beantworten, ob einzelne Leistungen bzw. Gebührenordnungspositionen (GOPs) für sie abrechenbar sind. Eine solche Abklärung lohnt sich rückblickend vor allem dann, wenn man eine negative Rückmeldung erhält.

Denn im worst case können im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung sämtliche Honorare noch bis zu vier Jahre nachträglich zurückgefordert werden. Abrechnende Ärztinnen und Ärzte sollten daher sichergehen, dass Leistungspositionen, die sie in ihrer Praxis abrechnen, auch tatsächlich abrechenbar sind.