Commercial Courts in Deutschland
Internationalisierung der Justiz
Die deutsche Justiz wird internationaler: Mit den neuen Commercial Courts – die in Frankfurt und Berlin schon existieren - können Unternehmen ihre Wirtschaftsstreitigkeiten künftig vor spezialisierten Richtern und in englischer Sprache klären.
Die deutsche Justiz steht vor einem bedeutsamen Wandel: Mit dem Justizstandort-Stärkungsgesetz, das 2025 in Kraft getreten ist, können die Bundesländer erstmals sogenannte Commercial Courts einrichten. Diese spezialisierten Spruchkörper sollen insbesondere internationale Wirtschaftsstreitigkeiten effizienter und den Justizstandort Deutschland, und damit das wirtschaftliche Umfeld insgesamt, attraktiver machen.
Bislang gab es an einigen Landgerichten bereits spezielle Kammern für internationale Handelssachen, die Verfahren teilweise in englischer Sprache führten. Diese „Commercial Chambers“ waren jedoch in verschiedener Hinsicht noch begrenzt und konnten mit den spezialisierten Gerichten anderer Länder – etwa in den Niederlanden oder Großbritannien – nicht wirklich konkurrieren. Die Globalisierung des Welthandels und die zunehmende Bedeutung des Englischen als Vertragssprache haben insoweit den Bedarf nach einer Modernisierung der deutschen Justiz deutlich gemacht. Viele Unternehmen schätzen es, dass sie ihre Streitigkeiten in der Sprache ihrer Verträge und vor spezialisierten Gerichten austragen können. Das neue Gesetz ist daher ein wichtiger Schritt, um den Justizstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken und attraktiver zu machen.
Inhalt des Gesetzes: Voraussetzungen, Instanzenzug und Gerichtssprache
Das neue Justizstandort-Stärkungsgesetz sieht vor, dass Commercial Courts als spezialisierte Senate an den Oberlandesgerichten (OLG) eingerichtet werden können, die bisher reine Berufungs- und Revisionsinstanz waren. Voraussetzung für die Austragung eines Rechtsstreits vor dem Commercial Court ist eine entsprechende Vereinbarung der Parteien, die auch stillschweigend durch rügeloses Einlassen in einem eröffneten Verfahren erfolgen kann. Die Verfahren vor dem Commercial Court setzen einen Streitwert von mindestens EUR 500.000 voraus. Dadurch bleiben die Commercial Courts für komplexe und wirtschaftlich bedeutende Streitigkeiten reserviert.
Ein zentrales Merkmal ist die Möglichkeit, das gesamte Verfahren in englischer Sprache zu führen – ein Novum für die deutsche Justiz. Die Parteien können sich aber auch auf Deutsch oder eine gemischte Verhandlungssprache einigen. Urkunden müssen grundsätzlich nicht übersetzt werden, und Dolmetscher können jederzeit hinzugezogen werden. Auch die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ist vorgesehen, wobei bei erstinstanzlichen Urteilen des Commercial Courts keine Zulassung erforderlich ist.
Neben den Commercial Courts an den OLGs können die Länder auch weiterhin Commercial Chambers an den Landgerichten einrichten. Diese Kammern können ebenfalls Verfahren in englischer Sprache führen und dort können Streitigkeiten mit einem geringeren Streitwert geführt werden.
Commercial Courts vs. Schiedsverfahren
Commercial Courts stellen eine Alternative zu privaten Schiedsverfahren dar, welche bei größeren internationalen Angelegenheiten oft gewählt werden. Commercial Courts bieten ein staatliches Gerichtsverfahren mit einer vom Gesetzgeber festgelegten öffentlich-rechtlichen Verfahrensordnung. Sie sind besonders attraktiv für Parteien, die Wert auf Rechtssicherheit, Verfahrensgarantien und die rechtssichere Vollstreckbarkeit eines Urteils von staatlicher Stelle legen. Schiedsverfahren hingegen punkten durch größere Flexibilität, Vertraulichkeit durch Ausschluss der Öffentlichkeit und durch die Möglichkeit, die Schiedsrichter selbst auszuwählen. Commercial Courts dürften insbesondere im Hinblick auf die Schiedsrichterhonorare in der Regel günstiger sein als private Schiedsgerichte.
Die neuen Commercial Courts in Frankfurt und Berlin: Zuständigkeit und Besonderheiten
Zwischenzeitlich haben Hessen und Berlin als erste Bundesländer das Gesetz genutzt und Commercial Courts eingerichtet. In Frankfurt am Main wird zum 1. Juli 2025 ein allgemein zuständiger Commercial Court am OLG mit zwei spezialisierten Senaten eingerichtet. Parallel entstehen mehrere Commercial Chambers am Landgericht Frankfurt. Die Verfahren können auf Deutsch, Englisch oder gemischtsprachig geführt werden. Frankfurt dürfte dadurch als internationales Wirtschafts- und Finanzzentrum gestärkt werden.
Berlin hat einen besonderen Weg eingeschlagen: Bereits seit dem 1. April 2025 gibt es dort einen Commercial Court am Kammergericht, der auf das Bau- und Architektenrecht ausgerichtet ist. Dieser Senat ist nicht auf Berlin beschränkt, sondern kann aus ganz Deutschland angerufen werden. Die Parteien können ihren Prozess auf eine einzige Tatsacheninstanz beschränken und von der besonderen Expertise des Gerichts profitieren. Parallel dazu entstehen am Landgericht Berlin Commercial Chambers, die sich ebenfalls – international ausgerichtet – auf das Bau- und Architektenrecht konzentrieren und Verfahren ab einem Streitwert von 5.000 Euro übernehmen können.
Ausblick: Chancen und Herausforderungen
Mit der Einführung der Commercial Courts betritt die deutsche Justiz Neuland. Die Erwartungen sind durchaus hoch: Die neuen Gerichte sollen den Justizstandort Deutschland für die internationale Wirtschaftsstreitbeilegung attraktiv machen und Vorbild für weitere Modernisierungsschritte der Ziviljustiz sein. Damit es langfristig ein Erfolg wird, sind noch weitere Anstrengungen nötig. Dazu gehören die Ausstattung der Gerichte mit moderner Technik, woran es immer noch oft fehlt, sowie die gezielte Fortbildung der Richter in englischer Sprache und internationaler Rechtsmaterie. Auch bei der Vertragsgestaltung müssen sich die neuen Commercial Courts erst noch durchsetzen, ebenso wie in den Köpfen anwaltlichen Berater, die diese Option kennen müssen. Dann kann das Projekt ein Erfolg werden und den Justiz- und Wirtschaftsstandort Deutschland stärken.
Mehr Informationen zum Internationalen Handelsrecht finden Sie hier: UN-Kaufrecht (CISG)