Fußball: Das Eigentor von Hannover 96

Kind bleibt trotz 50+1-Regel Geschäftsführer

Martin Kind bleibt Clubchef. Der Verein Hannover 96 konnte sich erneut nicht gegen den Geschäftsführer des Clubs durchsetzen. Das Oberlandesgericht bestätigt – trotz 50+1-Regel – die Nichtigkeit der Absetzung Kinds.

Veröffentlicht am: 17.04.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Hamburg
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Bei Hannover 96 läuft es gerade gar nicht rund. Das liegt aber nicht nur an den Kickern. Im Juli 2022 eskalierte der jahrelange Streit zwischen dem Clubchef Kind und dem Mutterverein Hannover 96, worauf der Verein kurzerhand die Abberufung des Geschäftsführers beschlossen hat. Der Geschäftsführer wehrte sich gerichtlich gegen den Abberufungsbeschluss vor dem Landgericht Hannover. Das Landgericht gab Kind im Oktober 2022 mit seinem viel beachteten Urteil recht. Der Verein ging in Berufung und hat nun gemäß des letzte Woche veröffentlichten Urteils vor dem Oberlandesgericht wieder eine Niederlage einstecken müssen.

Problem der komplizierten Gesellschaftsstruktur bei Hannover 96

Die Gerichtsurteile sind ohne die Kenntnis der Struktur des Fußballclubs nicht zu verstehen. Daher ein Überblick über die wesentlichen Elemente des niedersächsischen Hauptstadt-Clubs. Die Profispielerabteilung des Clubs befindet sich in der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA. Diese Profispieler-Gesellschaft verfügt über eine sogenannte Komplementärin, nämlich die Hannover 96 Management GmbH. Diese fungiert als Haftungsschirm und Managementgesellschaft. Martin Kind ist nicht nur (mittelbar) Mehrheitseigner der KG, sondern auch alleiniger Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH. Alleinige Gesellschafterin der Hannover 96 Management GmbH ist der Mutterverein Hannover 96 e.V.

Eigentlich weiß jeder Jurist, dass der Gesellschafter, also hier der Mutterverein, jederzeit ihren GmbH-Geschäftsführer abberufen kann. Dies wäre auch in diesem Fall so, gäbe es da nicht den Hannover 96-Vertrag.

Hannover 96-Vertrag schützt Martin Kind

Die aus 2019 getroffene Spezialvereinbarung sieht vor, dass der Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH nur vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen werden kann. Kind ist aber im Juli letzten Jahres ohne die Beteiligung des Aufsichtsrats im Juli 2022 abgesetzt worden. Der Verein hat sich über den Hannover 96-Vertrag hinweggesetzt und den Clubchef in einer Gesellschafterversammlung in Eigenregie abbestellt. Zurecht fragt der aufmerksame Leser: Wieso wurde der Aufsichtsrat nicht beteiligt?

Der Verein ist im Alleingang vorgegangen, da im Aufsichtsrat eine Pattsituation besteht. Der Aufsichtsrat der Hannover 96 Management GmbH besteht nämlich aus vier Mitgliedern. Zwei Aufsichtsratsmitglieder vertreten den Verein und zwei die Kapitalseite Martin Kind. Der Aufsichtsrat hätte in der Frage der Abberufung von Kind nie eine Mehrheitsentscheidung getroffen. In anderen Worten: Wäre der Verein über den Aufsichtsrat gegangen, wäre es nie zu einem Abberufungsbeschluss gekommen.

Leichtes Spiel der Gerichte

Sowohl das Landgericht Hannover als später auch nun das Oberlandesgericht Celle hatten bei der Urteilsfindung leichtes Spiel. Der Verein war für die Abberufung des Geschäftsführers schlicht nicht zuständig. Die Zuständigkeit oblag aufgrund der statutarischen Vereinbarung dem Aufsichtsrat. Diese Vereinbarung begründet für Hannover 96 e.V. als Gesellschafter der Management GmbH eine Stimmbindung, über die sich der Verein in seiner Gesellschafterversammlung nicht hinwegsetzen darf.

50+1-Regel der DFL

Von den Vertretern der Vereinsseite wurde ins Feld geführt, dass man sich nur an die 50+1-Regel der DFL halten wollte. Diese Verbandsregelung besagt, dass in den Profispielerabteilungen, die auf Kapitalgesellschaften ausgegliedert wurden, der Verein bei wichtigen Entscheidungen, wie der Absetzung der Geschäftsführer, das letzte Wort behalten muss.

Die Gerichte fanden die Argumentation des Vereins jedoch nicht relevant. Die Rechtslage in der Hannover 96 Management GmbH sei klar geregelt und an diese müssen sich alle Organe halten. Wenn die 50+1-Regel eine andere Rechts- und Vertragslage fordert, muss diese im Einvernehmen aller Beteiligten herbeigeführt werden. Die Abberufung von Kind wird jedoch anhand der aktuellen Rechtslage entschieden, egal was 50+1 fordere.

Die Gerichte bringen zum Ausdruck, dass die 50+1-Regel die bestehenden Vereinbarungen nicht verdrängt. Der Verein geht fälschlicherweise von einer Einheit der Rechtsordnung aus. Die Kollision von Regelungen ändert hier aber nichts an der gesellschaftsrechtlichen Rechtslage.

Nach der OLG-Entscheidung ist zunächst einmal für den Fußball-Verein Schluss mit dem Instanzenzug. Obgleich eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH denkbar ist, dürften die Erfolgsmöglichkeiten sehr begrenzt sein. Man wird davon ausgehen können, dass die neue OLG-Entscheidung die DFL auf den Plan rufen wird. Sehr wahrscheinlich ist, dass die DFL gegenüber den Verantwortlichen mit dem Entzug der Spielbetriebslizenz drohen wird, wenn die Vertragslage in Hannover nicht an der 50+1-Regel angepasst werde. Eine DFL gemäße Lösung sähe so aus, dass Martin Kind auf Einfluss und Macht verzichtet. Diese Quadratur des Kreises bleibt spannend.