Musterklagen für alle?

Wie Verbraucher von der Reform des Kartellrechts profitieren könnten

Veröffentlicht am: 14.12.2016
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Wie Verbraucher von der Reform des Kartellrechts profitieren könnten

Ein Gastbeitrag von Sonja Dähnhardt

Geschirr, Zahnpasta, Spülmittel, Dachziegel, Zucker, Kaffee, Wurst, Zement ja sogar vor dem deutschen Heiligtum, dem Bier, haben sie nicht Halt gemacht: Kartelle. Der Feind der freien Marktwirtschaft.  

„Die Nachfrage bestimmt das Angebot“ - das Glaubensbekenntnis des gewissenhaften Kapitalisten - treten sie schamlos mit Füßen. Große Wirtschaftsunternehmen missbrauchen seit jeher ihre Macht gegenüber dem kleinen Mann und ziehen dem Verbraucher das Geld aus der Tasche ohne rot zu werden.  

Ja, Kartellabsprachen sind verboten. Und ja, die deutschen Kartellbehörden verhängen regelmäßig Bußgelder in Millionenhöhe. Aber was hilft das den eigentlichen Opfern? Erstattet das Bundeskartellamt dem getäuschten Bürger das Geld, dass er in den letzten Jahren zu viel für sein Spülmittel gezahlt hat? Mitnichten.

Bundesrat sieht Handlungsbedarf für Schadensersatz

So kann es nicht weitergehen, findet der Bundesrat und fordert für Verbraucherschutzverbände die Einführung von Musterklageverfahren.  

In seiner Stellungnahme zur Überarbeitung des Wettbewerbsrechts bzw. Kartellrechts spricht er sich für die Einführung von Musterfeststellungsklagen (dem schüchternen deutschen Pendant zur US-Amerikanischen Sammelklage) aus, um endlich auch Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, aufgrund von Kartellabsprachen Schadensersatz einzufordern.

Ein Rechenbeispiel: Vielleicht erinnern Sie sich ja noch. Ganze acht Jahre lang, von 2000 bis 2008, haben die großen Kaffeehändler illegale Preisabsprachen getroffen und sich somit auf Kosten der Verbraucher bereichert. Der Spiegel berichtete damals mit Verweis auf Angaben der Verbraucherschutzverbände von einem Schaden in Höhe von fast 5 Milliarden Euro auf Seiten der Verbraucher. Geht man davon aus, dass jeder dritte Deutsche Kaffeetrinker ist, ergibt das einen durchschnittlichen Schaden von 235 Euro pro Nase.

In Folge der Ermittlungen durch das Bundeskartellamt wurden den betroffenen Unternehmen 2008 die besagten Kartellrechtsverstöße nachgewiesen, woraufhin gegen sie ein Bußgeld in Höhe von insgesamt 159,5 Millionen Euro verhängt wurde. Vergleicht man nun die beiden genannten Summen miteinander, erscheint das Bußgeld als geradezu lächerlich gering. Darüber hinaus darf man sich wundern, weshalb dem Staat ein Bußgeld von immerhin rund 160 Millionen zufließt, während der geprellte Verbraucher als das eigentliche Opfer, leer ausgeht.  

Das Problem liegt in der Streuwirkung  

Die ungerechtfertigten Preiserhöhungen belasten den Verbraucher vergleichsweise wenig. Doch je größer die Zahl der Kunden, umso höher fällt der finanzielle Vorteil für die Beteiligten des Kartells aus.

Weil der Schaden des einzelnen oft gering ist, lohnt es sich in den seltensten Fällen eventuelle Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Lediglich für Großkunden kann dies interessant sein. Im Falle des Kaffeekartells forderte beispielsweise die Deutsche Bahn Schadensersatz in Höhe von 1 Million Euro vom Hamburger Kaffeeröster Tchibo.  

Endlich kommt die Sammelklage - naja, fast

Nachdem das Wettbewerbsrecht durch die geplante 9. GWB-Novelle bereits an einigen entscheidenden Stellen verschärft wurde. So wurde unter anderem die Verantwortlichkeit im Kartellrecht neu geregelt Nun fordert der Bundesrat auch bezüglich der Schadensersatzmöglichkeiten der Verbraucher eine Anpassung. Nach Ansicht der Landesvertreter sollen Verbraucherschutzverbände stellvertretend für den einzelnen im Wege eines Musterklageverfahrens feststellen lassen können, dass für eine Vielzahl von Verbrauchern ein Anspruch gegen die beteiligten Unternehmen besteht.

Bei einem Musterklageverfahren handelt es sich noch nicht um eine Sammelklage wie sie im US-Amerikanischen Recht vorkommt. Nur ein einziger Musterfall ist Gegenstand des Verfahrens. Dafür kann anschließend jeder einzelne Verbraucher im Falle einer eigenen Klage auf das Musterverfahren verweisen.   Das jeweilige Gericht ist dann an die Wertungen aus dem Musterverfahren gebunden. Hat ein solches Musterverfahren Erfolg, bedeutet dies in der Regel, dass es für den Beklagten günstiger ist den Schadensersatzforderungen der einzelnen Verbraucher direkt nachzukommen, um nicht noch eventuelle Verfahrenskosten auferlegt zu bekommen.  

Bundesrat erhofft sich Stärkung der Verbraucher

Der Bundesrat will auf diese Art eine effektivere Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen von Verbraucher zu ermöglichen. In seiner Stellungnahme vom 25. November forderte er daher die Bundesregierung auf, eine solche Musterfeststellungsklage in den Entwurf mit aufzunehmen. Es bleibt abzuwarten wie die Bundesregierung sich hierzu äußert und wie der Bundestag letztendlich über die GWB-Neuregelung abstimmen wird.  

Im Namen der Verbraucher bleibt zu hoffen, dass sie sich in Zukunft gegen illegale Preisabsprachen wehren können. Überteuerte Druckknöpfe, wie im Jahr 2007 könnte man vielleicht noch tolerieren, aber wenn vor den deutschen Grundnahrungsmitteln Kaffee, Wurst und Bier nicht mehr Halt gemacht wird, hört der Spaß wirklich auf!