Reform des Aktienrechts

Die Sicht des Anwalts auf ARUG II

Veröffentlicht am: 30.03.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Die Sicht des Anwalts auf ARUG II

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, Ll.M.

Das deutsche Aktienrecht wird seit vielen Jahren durch europäische Gesetzgebungsakte geformt. Nun schickt sich die sogenannte zweite Aktionärsrechtsrichtlinie („2. ARRL“ -  2017/828/EU) – die bis Mitte 2019 in deutsches Recht umzusetzen ist - an, das Aktiengesetz weiter zu ändern.

Was bezweckt die Aktionärsrechtsrichtlinie?

Die Richtlinie zielt vorrangig auf eine weitere Verbesserung der Aktionärsbeteiligung bei börsennotierten Gesellschaften ab. Auch die grenzüberschreitende Ausübung von Aktionärsrechten soll durch die Richtlinie erleichtert werden. Im besonderen Fokus stehen dabei Regelungen zu

  • Mitspracherechten der Aktionäre bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand („say-on-pay“) und
  • Geschäften der Gesellschaft mit nahestehenden Unternehmen und Personen („related-party-transactions“),
  • einer besseren Identifikation und Information von Aktionären („know-your-shareholder“)
  • sowie zur Verbesserung der Transparenz bei institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern.

Was bringt der Regierungsentwurf?

Der nun vorliegende Regierungsentwurf vom 20.03.2019 führt im Wesentlichen die Linie des Referentenentwurfs aus dem Vorjahr fort. Aktiengesellschaften, Vorstände, Aufsichtsräte und Aktionäre börsennotierter Gesellschaften haben sich auf zahlreiche Änderungen einzustellen.

1. Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand („say-on-pay“)

Die angestrebte stärkere Einbeziehung der Aktionäre, welche mit einem größeren Mitspracherecht derselben verbunden ist,  soll auf zwei Säulen stehen. Zum einen soll es eine verpflichtend herbeizuführende Beschlussfassung der Hauptversammlung über das vorgelegte Vergütungssystem des Vorstandes und Aufsichtsrates geben. Zum anderen soll die Hauptversammlung über den von der Aktiengesellschaft zu publizierenden Vergütungsbericht abstimmen müssen. Während der Vergütungsbericht den Aktionären über sämtliche in der Vergangenheit gezahlte Vergütungen Auskunft geben soll, bezieht sich das Vergütungssystem auf die künftige Vergütung der Geschäftsleiter.

Diese angedachten Änderungen bedeuten einen gewissen Bruch im deutschen Aktienrecht. Dieses basiert auf der Annahme, dass (a) der Aktionär eher passiver Kapitalgeber ist als aktiver Gesellschafter und (b) der Aufsichtsrat als „Stellvertreter“ der Aktionäre den Vorstand kontrolliert und vertritt.

Die Änderungen sind grundsätzlich zu begrüßen. Sie bringen die Aktionäre, welche ihr Kapital zu treuen Händen geben, und den Vorstand, der das Kapital treuhänderisch verwaltet, näher zusammen. Das Stimmrecht der Aktionäre erhält jedenfalls ein größeres ökonomisches Gewicht.

2. Zu Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen („related-party-transactions“)

Schließt die AG, vertreten durch den Vorstand, Geschäfte Unternehmen/Personen, welche dem Vorstand nahe stehen aus, so liegen mögliche Interessenkonflikte des Vorstandes auf der Hand. Das Aktiengesetz sieht bereits heute eine Regelung vor, die solchen Interessenkonflikten begegnen und vorbeugen sollen (z.B. Vertretung der AG durch Aufsichtsrat bei Geschäften mit Vorstand, Wettbewerbsverbot für Vorstand).

Die nun angedachten Änderungen sehen vor, dass Geschäfte mit sogenannten nahestehenden Unternehmen und Personen einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats unterliegen, wenn es sich um wesentliche Geschäfte handelt. Die vom Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrates erfassten Geschäfte sind darüber hinaus spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses öffentlich bekannt zu machen.

Die hierzu angedachten Änderungen des Aktiengesetzes verlieren sich in einer Detailtiefe, welche an die meist undurchdringlichen Details der steuerlichen Gesetzgebung erinnern.

3. Identifikation und Information von Aktionären („know-your-shareholder“)

Die Aktionärsstruktur börsennotierter Gesellschaften ist nicht selten geprägt durch Ketten von Intermediären im In- und Ausland. Den Aktiengesellschaften erschwert dies eine unmittelbare Kommunikation mit den Aktionären.

Die angedachten Regelungen sollen hier Abhilfe schaffen. Börsennotierte Gesellschaften sollen das Recht erhalten, von Intermediären - z.B. von Verwahrern und Verwaltern von Wertpapieren - Informationen zu ihren Aktionären zu erfragen. Intermediäre sollen im Gegenzug verpflichtet sein, Informationen über die Identität der Aktionäre an die Gesellschaft weiterzuleiten.

Den Inhabern von Aktien geht somit eine weiteres Stück der „Anonymität“ verloren, so dass sich die Frage stellt, ob die neuen Regelungen weniger dem Wohl der Aktionäre zu dienen bestimmt sind, als der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung.

4. Transparenz bei institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern

Institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern kommt in der aktienrechtlichen Praxis eine zunehmend größere Rolle zu. Dies gründet sich darauf, dass diese meist über vergleichsweise hohe Beteiligungsquoten verfügen, welchen aufgrund der Apathie vieler Kleinanleger faktisch mehrheitsändernde Bedeutung bei Beschlussfassungen der Hauptversammlung zukommt.

Zur Steigerung der Transparenz dieser wirtschaftlichen Macht sind neue (umfangreiche) Offenlegungspflichten für institutionelle Anleger und Vermögensverwalter geplant. Die größere Transparenz soll Interessenkonflikte vermeiden bzw. solche für die „Endbegünstigten“ leichter erkennbar machen.

Betrachtet man die gesetzgeberischen Aktivitäten rund um das Thema Transparenz / Anleger in den letzten Jahren, so muss man heute einen nicht unbedingt hilfreichen information overkill diagnostizieren.