Versorgungsrecht der Arbeitnehmer beim Unternehmensverkauf

BAG entscheidet zugunsten der Mitarbeiter

Veröffentlicht am: 26.11.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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BAG entscheidet zugunsten der Mitarbeiter

Ein Beitrag von Desiree Szitnick

Wird einem Arbeitnehmer die Zusage für eine betriebliche Altersversorgung erteilt und diese nachträglich durch eine Betriebsvereinbarung geändert, sind Mitarbeiter dennoch vor Eingriffen in ihren Versorgungsrechten geschützt, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 22.10.2019 nun bestätigte.

Erwerber regelt betrieblichen Altersversorgung neu

Im Rahmen eines Unternehmensverkaufes kann es auch zu einer Ablösung der ursprünglichen Versorgungsordnung für die Arbeitnehmer kommen. Statt der ursprünglichen gilt dann die Versorgungsordnung des Erwerbers.

So verhielt es sich auch in dem Fall, den das BAG nun zu entscheiden hatte. Der klagende Arbeitnehmer hatte von seinem Arbeitgeber die Zusage für eine betriebliche Altersvorsorge nach einer Betriebsvereinbarung. 1998 wurde das Unternehmen aufgekauft und in der Folge mit dem Erwerberunternehmen verschmolzen. Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits eine Versorgungsordnung in dem Unternehmen des Erwerbers.
Zwei Jahre nach dem Unternehmensverkauf wurde zwischen dem Erwerber und den zuständigen Gewerkschaften ein Tarifvertrag vereinbart. Dieser enthielt auch Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung für die beim Unternehmensverkauf übernommenen Mitarbeiter. Wesentlicher Inhalt sollte sein, dass die übergehenden Arbeitnehmer in die Versorgungsordnung des Erwerbers einbezogen werden sollten – und zwar so, als hätten sie ihre gesamte Betriebszugehörigkeit beim Erwerber verbracht.

Kläger wehrt sich gegen niedrigeres Altersruhegeld

Der klagende Arbeitnehmer erhielt später zwar sein Altersruhegeld, dieses fiel allerdings wesentlich geringer aus als erwartet. Im Juni 2014 hatte der Erwerber dem Kläger mitgeteilt, dass sein Ruhegeld fehlerhaft berechnet worden sei und daher nunmehr das niedrigere Ruhegeld ausgezahlt werde. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin auf Zahlung seines Altersruhegeldes in der bisher bestehende Höhe.

Das BAG hat sich in seinem Urteil (Az.: 3 AZR 429/18) auf die Seite des Arbeitnehmers gestellt und entschieden, dass die alte Versorgungsordnung nicht durch die bestehende Versorgungsverordnung des Betriebserwerbers abgelöst worden sei. Das höchste deutsche Arbeitsgericht stellte damit den Schutz der Betriebsrenten beim Unternehmensverkauf in den Mittelpunkt.

Alter Versorgungsordnung nicht abgelöst

Das BAG stellte insbesondere klar, dass Eingriffe in die Versorgungsrechte von Arbeitnehmern an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu prüfen seien. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, nach dem Unternehmensverkauf nicht mehr die Versorgungsordnung des Veräußerers Anwendung findet, sondern eine ungünstigere Versorgungsordnung des Erwerbers.

Das BAG folgt damit der bisherigen Rechtsprechung zum Schutz von Versorgungsrechten von Arbeitnehmern. Der Schutz der Versorgungsberechtigten vor Eingriffen in ihre Versorgungsrechte wird grundsätzlich dadurch erreicht, dass als Besitzstand durch die Versorgungsordnung des Erwerbers mindestens die Höhe der bereits zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs erdienten Anwartschaft gewährt werden muss. Wenn ihm jedoch nach der Versorgungsordnung des Erwerbers weniger gewährt wird, muss auf die bereits erworbene Höhe an Versorgungsrechten aufgestockt werden.

Ablösung ist an Verhältnismäßigkeit und dem Vertrauensschutz zu messen

Das BAG hat in seiner nun veröffentlichten Entscheidung zusätzlich die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit herangezogen. Es stellt sich dann nicht nur die Frage, ob die Höhe der Versorgungsrechte durch den Erwerber erreicht wird, sondern es wird zusätzlich ein Vergleich mit fiktiven weiteren Anwartschaften aus der Versorgungsordnung des Veräußerers aufgestellt. Hätte der Arbeitnehmer ohne den Betriebsübergang unter der Versorgungsordnung des Veräußerers im Versorgungsfall mehr erhalten als nach der Versorgungsordnung des Erwerbers, ist dieser Eingriff an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu messen.

Bei Eingriffen in Versorgungsanwartschaften außerhalb von Betriebsübergängen gilt die sogenannte 3-Stufen-Theorie. Danach sind den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe der Arbeitgeber gegenüberzustellen. Liegen keine Eingriffsgründe vor, ist die Ablösung unwirksam und die Versorgungsordnung des Veräußerers gilt fort. Nach der Entscheidung des BAG ist diese 3-Stufen-Theorie nun auch im Rahmen eines Betriebsübergangs zu beachten. Im vorliegenden Fall verneinte das BAG allerdings das Vorliegen rechtfertigender Gründe für einen Eingriff.

Im Ergebnis steht dem Kläger daher eine höhere Betriebsrente zu, weil für ihn auch nach dem Betriebsübergang weiterhin die günstigere Versorgungsordnung seines ehemaligen Arbeitgebers gilt.