Auseinandersetzung zwischen Gerichten in Italien und Deutschland
Deutsches Gericht rettet Ravensburger Puzzle
Erlangen Rechtsstreitigkeiten internationale Bezüge, sind Zuständigkeitskonflikte zwischen den Gerichten vorprogrammiert. Grundsätzlich sieht das europäische Recht eine Sperrwirkung zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts vor. Damit diese allerdings greift, müssen die Verfahren denselben Streitgegenstand haben. Bei unterschiedlichen Verfahrensarten ist dies jedoch nicht der Fall, auch wenn der Streitinhalt derselbe ist.
Durch die Globalisierung werden Rechtsstreitigkeiten immer regelmäßiger über Staatsgrenzen hinweg geführt. Dabei geraten Gerichte häufig in Konflikt hinsichtlich ihrer Zuständigkeiten. Oft lässt es sich nicht auf dem ersten Blick feststellen, welches Gericht örtlich zuständig wäre und ob bzw. wie eine Gerichtsentscheidung in anderen Staaten Rechtswirkung entfaltet. In einem aktuellen Urteil widersprach das Oberlandesgericht Stuttgart der Entscheidung eines italienischen Gerichts, sehr zu dessen Bedauern (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.06.2025 - 4 U 136/24).
Da-Vinci-Zeichnung als Puzzle
Der Ursprung des Rechtsstreits liegt in einer Zeichnung von Leonardo da Vinci aus dem Jahr 1490. Seit 1822 ist diese im Besitz der Gallerie dell‘Áccademia in Venedig. Dies hinderte viele Unternehmen allerdings nicht an der Verwendung der Zeichnung. So nutzt der deutsche Konzern Ravensburger das Bild, welches international bekannt als der "Vitruvianische Mensch" ist, unter anderem für Spiele, Puzzles sowie Kinder- und Jugendbücher.
Nach Ansicht des Museums in Italien habe Ravensburg allerdings keine Nutzungsrechte am Bild und fordert den deutschen Konzern daher 2019 zu dem Abschluss eines Lizenzvertrags auf oder anderenfalls die Verwendung des Bildes zu unterlassen. Die rechtliche Grundlage dieser Forderung findet sich im italienischen Recht, konkret aus dem italienischen Kulturgüterschutzgesetz.
Nachdem die Verhandlungen zwischen dem italienischen Museum und Ravensburg erfolglos blieben, erwirkte das Museum in Zusammenarbeit mit dem italienischen Kulturministerium eine einstweilige Verfügung durch ein Gericht in Venedig. Dieses untersagte dem deutschen Konzern die kommerzielle Nutzung des Bildes in Italien und auch im Ausland.
Italienisches Recht bindet nicht
Mit der Entscheidung des italienischen Gerichts gab sich der deutsche Puzzle-Hersteller nicht zufrieden. Mit Erfolg ließ Ravensburger vom Landgericht Stuttgart feststellen, dass eine Nutzungsuntersagung außerhalb von Italien keine Wirkung entfalte.
Das Museum und das italienische Kulturministerium hielten dem entgegen, dass die deutschen Gerichte aufgrund des laufenden Verfahrens in Italien nicht zuständig seien. Die europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sieht eine Sperrwirkung zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts vor.
Nach dem OLG Stuttgart sei dies im Fall Ravensburger allerdings nicht hinderlich. Die Sperrwirkung greife nur, wenn derselbe Streitgegenstand bei Gerichten verschiedener Mitgliedsstaaten anhängig gemacht wird. In Italien sei jedoch ein einstweiliges Verfahren anhängig gewesen, während es in Deutschland um ein Hauptsacheverfahren gehe. Diese Verfahrensarten unterscheiden sich in Zweck und damit im Streitgegenstand. Im Gegensatz zum Hauptsacheverfahren geht es beim Eilverfahren nicht um das Bestehen oder Nichtbestehens eines Anspruchs. Das deutsche Gericht sei daher weder an die Entscheidung des italienischen Gerichts gebunden, noch stehe diese einer Entscheidung in der Hauptsache entgegen.
Völkerrechtliches Territorialitätsprinzip
Italiens Argumentation scheiterte hauptsächlich am völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip. Danach dürfen Staaten Rechtsnormen grundsätzlich nur im eigenen Hoheitsgebiet erlassen, anwenden und durchsetzen.
Das italienische Kulturgüterschutzgesetz kann damit keine Rechtswirkung über die Staatsgrenzen Italiens hinaus entfalten. Die kommerzielle Nutzung des Bildes kann Ravensburger daher allenfalls in Italien untersagt werden, nicht im Ausland.