Mutterschutz und virtuelle Beteiligungsprogramme

Virtuelle Anteile als wichtiger Baustein der Mitarbeiterbindung

Veröffentlicht am: 04.12.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Virtuelle Anteile als wichtiger Baustein der Mitarbeiterbindung

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Gregor Kübler

Virtuelle Beteiligungsprogramme erfreuen sich großer Beliebtheit. Gerade junge Unternehmen bzw. Startups lassen ihre Mitarbeiter durch die schuldrechtliche Simulation einer Gesellschaftsbeteiligung am Unternehmenserfolg teilhaben und erzeugen so eine Bindung an das Unternehmen. Durch die Aussicht auf eine hohe Exit-Beteiligung in der Zukunft sind junge Talente auch ohne hohe Löhne im Hier und Jetzt bereit, am Aufbau eines Startups mitzuwirken. Die virtuellen Gesellschaftsanteile werden häufig auch als „Virtual Shares“ oder „Phantom Shares“ bezeichnet.

Eine rein virtuelle Beteiligung hat aus Sicht der Gründer eines Unternehmens den entscheidenden Vorteil, dass die beteiligten Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt echte Gesellschafter sind. Mangels Stimmrecht können sie keinen direkten Einfluss auf Unternehmensentscheidungen ausüben. Hinzu kommt, dass den nur virtuell beteiligten Mitarbeitern auch sonst keine Gesellschafterrechte, insbesondere keine Auskunfts- oder Einsichtsrechte zustehen. So können die Geschäftsgeheimnisse und Interna des Unternehmens geschützt werden. Darüber hinaus fallen bei der Ausgabe von virtuellen Anteilen an Mitarbeiter auch keine für die Ausgabe oder Übertragung echter Gesellschaftsanteile notwendigen Notarkosten an.

Grundfunktion von Vesting-Regelungen

Die Höhe der Zahlung an einen Mitarbeiter hängt regelmäßig von der Anzahl der ihm vom Unternehmen zugewiesenen virtuellen Anteile im Zeitpunkt eines Exits ab. Ganz überwiegend stehen die einem Mitarbeiter zugewiesenen Anteile diesem jedoch nicht von Anfang an in voller Höhe zu, sondern müssen erst durch eine fortgesetzte Tätigkeit für das Unternehmen über einen definierten Zeitraum verdient bzw. angespart werden. Dieser Mechanismus wird auch als
„Vesting“ bezeichnet. Auf diese Weise wird aus Sicht des Unternehmens sichergestellt, dass für den Mitarbeiter ein Anreiz besteht, weiter für das Unternehmen zu arbeiten. Die Anreizwirkung kann dadurch weiter verstärkt werden, dass angesparte virtuelle Anteile bei einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Mitarbeiter teilweise wieder abschmelzen.

Ein Vesting wird zudem oft mit einem „Cliff“ kombiniert – dann findet auf Grundlage der virtuellen Beteiligung erst ab einer bestimmten Dauer der Beschäftigung ein Ansparen statt.  

Vorsicht bei Vesting-Hemmung während Mutterschaftsurlaub

Nach dem Inhalt vieler Optionsbedingungen wird das Ansparen virtueller Anteile dann ausgesetzt bzw. pausiert, wenn eine Arbeitnehmerin während des Mutterschaftsurlaubes nicht für das Unternehmen tätig ist. Der Mutterschaftsurlaub erstreckt sich auf einen Zeitraum von acht bis zwölf Monaten nach der Geburt.

Da von einer Vesting-Hemmung während des Mutterschaftsurlaubes faktisch nur Frauen betroffen sein können, wird in der juristischen Fachliteratur vermehrt die Ansicht vertreten, dass eine Vesting- Hemmung während des Mutterschaftsurlaubes im Ergebnis zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen führt. Da nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts verboten ist, wird auf dieser Grundlage die Ansicht vertreten, dass die entsprechenden Vesting-Regelungen unwirksam sein sollen.

Gerichtliche Klärung ist noch nicht erfolgt

Da eine gerichtliche Klärung bislang noch nicht erfolgt ist, lässt sich die Zulässigkeit der entsprechenden Hemmungsregelungen bei der Mitarbeiterbeteiligung noch nicht abschließend beurteilen. Trotzdem sollten betroffene Unternehmen und Mitarbeiter die weitere Entwicklung genau verfolgen und eine mögliche Unwirksamkeit der Hemmung während des Mutterschaftsurlaubes bei der Berechnung der Anzahl der angesparten Anteile einkalkulieren. Aus Mitarbeitersicht könnte so beispielsweise argumentiert werden, dass ein Cliff doch erreicht wurde, sodass auf dieser Grundlage doch eine Exit-Vergütung geschuldet ist.