Entwurf zur neuen Verbandsklage vorgelegt

Was kann die neue „Eine-für-alle-Klage“?

Das Bundesjustizministerium hat einen Entwurf für die neue Verbandsklage vorgelegt. Was mit dieser neuen Sammelklage erreicht werden kann und was der Entwurf für Unternehmen bedeutet:

Veröffentlicht am: 30.09.2022
Qualifikation: Rechtsanwältin in Hamburg
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Die Musterfeststellungsklage gibt es bereits seit 2018. Sie sollte eine möglichst unkomplizierte Rechtedurchsetzung ermöglichen, nachdem immer häufiger Massenverfahren - wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Dieselskandal - die Gerichte lahmzulegen drohten. Doch wie der Name verrät, konnte mit dieser Klage nur die Feststellung eines Rechtsverstoßes erreicht werden. Die betroffenen Verbraucher mussten ihre jeweiligen Ansprüche also weiterhin in individuellen Klagen geltend machen.  Das sei nicht unkompliziert genug, befanden viele. Und auch die EU verlangt mehr.

EU-Richtlinie verlangt Abhilfeklage

Die EU-Richtlinie 2020/1828 zwingt die Mitgliedstaaten zur Einführung einer auf Schadensersatz oder sonstigen Abhilfe gerichteten Verbandsklage. Das heißt, dass die erfassten Verbraucher mit einer solchen Klage unmittelbar den gewünschten Erfolg erzielen können sollen und gerade kein eigenes Klageverfahren mehr notwendig sein darf.

Zeit für die Umsetzung bleibt noch bis Dezember 2022. Gerade noch rechtzeitig hat die Ampelregierung also nun den Referentenentwurf für das neue Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) vorgelegt. In diesem der Entwurf der neuen – verbesserten – „Eine-für-alle-Klage“.

Verbraucherverbände können direkt auf Leistung klagen

Besonders qualifizierte Verbände sollen demnach direkt auf Leistung, also z.B. auf Zahlung von Schadensersatz, klagen können. Hierfür müssen 50 Personen gleichartige Ansprüche zum Verbandsklageregister anmelden. Zeit bleibt für eine solche Anmeldung bis zum Tag vor der ersten mündlichen Verhandlung. Mit diesem sogenannten Opt-in System unterscheidet sich die deutsche Sammelklage deutlich von dem US-amerikanischen Opt-out Modell , der sogenannten class action.

Ein bedeutender Unterschied zur bisherigen Musterfeststellungsklage ist zudem, dass auch kleinere Unternehmen ihre Ansprüche anmelden können. Darunter fallen solche Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz unter 10 Mio. Euro. Voraussetzung hierfür ist, dass die jeweiligen Unternehmen gleichermaßen wie Verbraucher betroffen sind.

Eingeklagt werden können sollen sämtliche Ansprüche, die eine Vielzahl von Verbrauchern gegen ein Unternehmen geltend machen. Damit geht der Entwurf weiter als die EU-Richtlinie verlangt, die eine Verbandsklage nur für bestimmte Verbraucherrechte, wie z.B. Datenschutzrechte vorsieht.

Unternehmen müssen sich individuell wehren

Die neue Form der Sammelklage bedeutet für Unternehmen das Risiko, bei Pflichtverletzungen von einer Vielzahl von Verbrauchern auf einmal kollektiv in Anspruch genommen zu werden. Das Gericht soll einen kollektiven Gesamtbetrag zusprechen und darf zunächst unterstellen, dass alle angemeldeten Ansprüche in voller Höhe berechtigt sind. Eine konkrete Prüfung findet erst im anschließenden Umsetzungsverfahren statt, in dem ein vom Gericht bestimmter Sachverwalter die einzelnen Ansprüche prüft und die jeweiligen Beträge ausschüttet. Hat das beklagte Unternehmen Einwendungen gegen einzelne Verbraucher, muss es diese in einem eigenen Klageverfahren geltend machen und die ausgezahlten Beträge einzeln zurückverlangen.

Revolution für kartellrechtliche Schadensersatzklagen?

Gerade für kartellrechtliche Schadensersatzklagen könnten die Ausweitungen der neuen Klage besonders interessant sein. Solche Klagen beschäftigen Gerichte ebenfalls regelmäßig. Sofern es um Produkte geht, die bei Verbrauchern und Unternehmern gleichermaßen gefragt sind, könnte die neue Sammelklage hier ebenfalls für eine deutliche Entlastung der Justiz sorgen. Zwar bleibt erst abzuwarten, ob der Entwurf tatsächlich umgesetzt wird, trotzdem sollten Unternehmen sich in Zukunft noch besser mit dem geltenden Wettbewerbsrecht befassen, da neben kartellrechtlichen Bußgeldverfahren ansonsten künftig auch Sammelklagen durch Verbraucher drohen könnten.