Umsatzsteuerkarussell im Saarland?

Steuerfahndung ermittelt wegen dubioser Geschäfte in Frankreich

Im Saarland laufen Ermittlungen wegen eines möglichen Umsatzsteuerkarussells. Mehr Informationen dazu in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am: 06.06.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht & Steuerrecht
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Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbehörden sind im Saarland einer Bande wegen vermuteter groß angelegter Steuerhinterziehung auf der Spur. Die Verdächtigen sollen in der Lebensmittelbranche tätig gewesen sein und Waren von Deutschland nach Frankreich verkauft haben.

Der mutmaßliche Schaden durch Steuerhinterziehung wurde von der Staatsanwaltschaft auf eine viertel Million EUR geschätzt. Ermittelt wird insbesondere wegen eines sogenannten „Umsatzsteuerkarussells“.

Verdacht: Steuerhinterziehung im großen Stil

Die Steuerfahndung sei auf drei Geschäftsmänner aufmerksam geworden. Einer der Verdächtigen – ein 28-Jähriger – wurde nach Angaben der Ermittlungsbehörden Mitte Oktober 2024 bereits kurzzeitig festgenommen. Bei einer Umsatzsteuersonderprüfung sollen Auffälligkeiten in den Geschäftsbüchern des Jungunternehmers festgestellt worden sein. Er soll innerhalb von zwei Jahren mehr als eine Million Euro Umsatz mit Exportgeschäften nach Frankreich gemacht haben. 

Allein in den Jahren 2023 und 2024 soll er den Büchern zufolge Verpackungsmaterial und Getränke im Wert von knapp 1,4 Millionen EUR an drei verschiedene Großhändler in Frankreich geliefert haben. Es wurde zunächst ein Haftbefehl verkündet, der junge Mann befinde sich nun aber wieder auf freiem Fuß, weil laut Einschätzung des Gerichts keine Fluchtgefahr bestünde.

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn und die anderen beiden Unternehmer, Steuerhinterziehung im großen Stil begangen zu haben, insbesondere hinsichtlich der Umsatzsteuer.

Lieferungen nach Frankreich haben nicht stattgefunden

Eine von drei Lieferadressen des Unternehmens habe nach Paris zu einem Schuhhandel geführt; die anderen beiden nach Forbach und Saargemünd zu zwei Getränke- und Lebensmittelhändlern, ebenfalls in Frankreich. Die angeblichen Warenempfänger sollen nach eigenen Angaben jedoch keinerlei Waren erhalten haben. Die Staatsanwaltschaft gehe nun davon aus, dass die Verpackungen und Getränke in Wirklichkeit schwarz an Imbissbuden, Dönerläden und Pizzerien im Saarland geliefert worden seien.

Nach Behördenschätzung handele es sich um eine hinterzogene Umsatzsteuer in Höhe von circa 265.468, 48 EUR. Die Ermittlungsbehörden vermuten ein sogenanntes Umsatzsteuerkarussell.

Umsatzsteuerkarussell & Missing-Trader Unternehmen

Bei einem Export ins europäische Ausland muss die Umsatzsteuer von 19 % nicht in Deutschland gezahlt werden, sondern von der Käuferfirma im Ausland. Nach Ermittlungen der französischen Behörden handele es sich in diesem Fall bei den Empfängerunternehmen in Frankreich um sogenannte „Missing-Trader“. Diese fungieren ausschließlich als Scheinunternehmen (eine typische Konstellation im Umsatzsteuerkarussell), um im Rahmen vorgetäuschter innergemeinschaftlicher Lieferungen ins EU-Ausland Umsatzsteuer zu hinterziehen.

Bei einem solchen Karussellgeschäft verkauft ein Unternehmer Waren an einen Zwischenhändler in ein anderes EU-Land (oft erfolgen die Verkäufe aber nur auf dem Papier). Nach dem Bestimmungslandprinzip ist in diesem Fall die Umsatzsteuer jedoch nicht von dem Verkäufer, sondern von dem Zwischenhändler im Ausland zu entrichten. Dieser macht einen (unrechtmäßigen) Vorsteuerabzug geltend.

Somit bleibt es zunächst für beide Beteiligten Unternehmer ein steuerneutrales Geschäft. Der Zwischenhändler verkauft dann die Waren weiter an einen Unternehmer im gleichen Land. Hier fällt dann aber Umsatzsteuer an, weil der Zwischenhändler nicht erneut die Vorsteuer geltend machen kann. Der Zwischenhändler führt die Umsatzsteuer jedoch nicht ans Finanzamt ab. Noch vor einer Kontrolle durch das Finanzamt wird das Unternehmen des Zwischenhändlers geschlossen (sogenannter Missing-Trader).

Die gehandelten Waren werden sodann wieder zurück an den ursprünglichen Verkäufer verkauft – der grenzüberschreitende Verkauf erfolgt wieder umsatzsteuerfrei. Der Unternehmer kann aber den Vorsteuerabzug bei seinem Finanzamt geltend machen. Dadurch erhält er die vom Zwischenhändler in Rechnung gestellte Umsatzsteuer von Finanzamt erstattet. Das stellt den Gewinn aus dem Umsatzsteuerkarussell dar. Die Waren werden daraufhin immer wieder im Kreis über die Grenzen verschoben.

Razzia in Merzig-Brotdorf wegen Steuerhinterziehung

Der 28-Jährige soll laut Staatsanwaltschaft nur ausführendes Organ gewesen sein. Das tatsächliche Oberhaupt sei ein anderer Unternehmer, der dem 28-Jährigen „auf Zuruf“ Bargeld zukommen ließ. Dieser pflegte wohl Beziehungen zu einem Fleischereibetrieb in Merzig-Brotdorf. Dort kam es Mitte Oktober 2024 zu einer Razzia.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich vor drei Jahren in Neunkirchen. Laut den Geschäftsbüchern sollen Unternehmer tonnenweise Dönerspieße ins Ausland verkauft und geliefert haben. In Realität wurden die Waren aber schwarz an Dönerläden im Saarland verkauft. Der Steuerschaden betrug damals 500.000 EUR. Weil die Summe vollständig zurückgezahlt wurde, kamen alle Beteiligten mit einer Bewährungsstrafe davon.

Bei den geschilderten Vorgängen handelt es sich um laufende Ermittlungen. Wir berichten wieder, wenn neue Informationen zum Fall bekannt werden.