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Kündigung wegen privater WhatsApp Nachrichten?

Meinungsfreiheit vs. Kündigungsgrund

Veröffentlicht am: 18.11.2021
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Meinungsfreiheit vs. Kündigungsgrund

Ein Beitrag von Anna-Maria Blömer

Die Kündigung des technischen Leiters eines Vereins im Bereich der Flüchtlingshilfe wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg für unwirksam erklärt (Urteil vom 19.07.2021 – 21 Sa 1291/20). Kündigungsgrund stellten herabwürdigende und verächtliche Äußerungen des Gekündigten über geflüchtete Menschen und ehrenamtliche Helfer in der Flüchtlingshilfe in einem WhatsApp Chat dar. Das LAG entschied, dass die Vertraulichkeit der Kommunikation, welche zwischen den drei Beschäftigten des Vereins stattgefunden hat, der Kündigung entgegensteht.

Kündigung wegen verächtlicher Äußerungen in WhatsApp-Chat

Der Berliner Verein ist hauptsächlich in der Flüchtlingshilfe tätig. Zu seinen Mitgliedern zählen neben dem Landkreis auch verschiedene Städte und Gemeinden sowie einige andere Vereine. Unterstützung erfährt der Verein vor allem von Ehrenamtlichen.

Als ein anderer Beschäftigter des Vereins aufgrund einer Kündigung ausschied, kam ein Chatverlauf zwischen diesem ehemaligen Beschäftigten, dem technischen Leiter und einer weiteren Beschäftigten ans Tageslicht. Innerhalb eines über WhatsApp geführten Chats äußerten sich alle drei (Ex-)Beschäftigten des Vereins in verachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Ehrenamtliche.

Nicht nur der Verein erhielt Kenntnis davon, sondern auch die Presse berichtete über den Chatverlauf. Infolgedessen beendete der Verein u.a. das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter und sprach ihm gegenüber fristgerecht die Kündigung aus.

LAG: Kündigung unwirksam

Die Kündigung wurde jedoch vom LAG Berlin-Brandenburg für unwirksam erklärt. Damit bestätigte es das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel.

Die Verwertung der getätigten Äußerungen im Gerichtsverfahren sei zwar zulässig. Die vertrauliche Kommunikation falle jedoch unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, weshalb eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung nicht von den Richtern festgestellt werden kann.

Die vertrauliche Kommunikation qualifiziert sich im vorliegenden Fall dadurch, dass der Chat in sehr kleinem Kreis sowie über private Handys – nicht etwa über Geschäftshandys – erfolgte und außerdem nicht an Dritte weitergegeben werden sollte, sondern lediglich auf Vertraulichkeit ausgelegt gewesen sei.

Vertrauliche Äußerungen verletzen Loyalitätspflichten nicht

Aus dem Chatverlauf ließe sich außerdem auch kein Schluss für eine fehlende Eignung des Gekündigten für die Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe ziehen. In seiner Funktion als technischer Leiter fallen in seinen Verantwortungsbereich keine Aufgaben im Rahmen der unmittelbaren Betreuung, weshalb keine besonderen Loyalitätspflichten bestünden. Auch ein fehlendes erforderliches Mindestmaß an Verfassungstreue, welches im Zusammenhang mit der Arbeit von Vereinen als Teil des öffentlichen Dienstes bedeutsam wird, könne nicht anhand der vertraulichen Äußerungen festgestellt werden.

Abfindung für Gekündigten

Im Gegensatz zum Arbeitsgericht, hat das LAG das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Vereins und gegen Zahlung einer Abfindung aufgehoben. Denn laut LAG wären die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses im vorliegen Fall erfüllt. Gem. § 9 KSchG sei auch keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zu erwarten.

Aufgrund der Tatsache, dass die schwerwiegenden Äußerungen zwischen den Beschäftigten bereits Teil der öffentlichen Diskussion waren, würde der Verein bei Weiterbeschäftigung des technischen Leiters an Glaubwürdigkeit gegenüber Geflüchteten verlieren. Auch die Gewinnung ehrenamtlicher Unterstützung sowie hauptamtlichen Personals sei belastet.

Für das Bemessen der Abfindung müsse das Auflösungsverschulden des Gekündigten berücksichtigt werden, so das LAG. Aufgrund der angestrebten Vertraulichkeit der Äußerungen minderte es sich jedoch. Die Revision wurde zugelassen.

Kündigungsgrund oder nicht? Umstände des Einzelfalls sind Zünglein auf der Waage

Ganz anders hatte das Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg im Jahr 2019 entschieden, als es einer außerordentlichen Kündigung aufgrund einer WhatsApp Nachricht, die den Arbeitgeber kritisierte, recht gab (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.2019 – 17 Sa 52/18). Entscheidend sei immer, „ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht“.

In diesem Fall vor dem LAG Baden-Württemberg enthielten die WhatsApp Nachrichten Äußerungen darüber, dass der Arbeitgeber ein verurteilter Sexualstraftäter gem. § 177 StGB gewesen sein soll. De facto stellte dies aber eine objektiv unzutreffende Behauptung dar.

Zusätzlich ergab sich aus dem gesamten Chatverlauf zwischen der Gekündigten und einer Arbeitskollegin ihre Entscheidung, nicht mehr für besagten Arbeitgeber tätig sein zu wollen. Die Äußerungen der Gekündigten seien auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen, da das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 Abs. 2 GG dieser entgegen stünde.

Eine WhatsApp Nachricht kann also sehr wohl einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen, allerdings ist dies sehr stark von den Umständen des Einzelfalls abhängig.