Wunsch und Wirklichkeit bei der Aktiengesellschaft…

Unzulässigkeit der Einflussnahme auf den Vorstand einer Aktiengesellschaft

Veröffentlicht am: 06.11.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
Lesedauer:

Unzulässigkeit der Einflussnahme auf den Vorstand einer Aktiengesellschaft

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Finn R. Dethleff

Neben der GmbH finden sich in der Geschäftswelt auch immer wieder Aktiengesellschaften. Während die großen Konzerne diese Rechtsform unter anderem deshalb gewählt haben, um die Aktien am regulierten Markt, sprich der Börse, handelbar zu machen, und deshalb die umfangreichen Anforderungen an diese Rechtsform beachten, werden im Mittelstand häufig Aktiengesellschaften gegründet, die dann aber wie eine GmbH geführt werden.

Ein wiederkehrendes Motiv für die Gründung einer Aktiengesellschaft bei überschaubarem Gesellschafterkreis ist die Bezeichnung der Leitungs- und Überwachungsorgane. Nicht selten hört man im Vorwege einer Gründung, Vorstand bzw. Aufsichtsrat klinge irgendwie „cooler“ als Geschäftsführer. Mit den tatsächlichen Unterschieden der Rechtsform und den spezifischen gesetzlichen Vorgaben zur Geschäftsleitung haben sich die Beteiligten hingegen selten intensiver auseinandergesetzt.

Dies führt in der Praxis dazu, dass die Aktionäre der Auffassung sind, dem Vorstand, auch ad hoc, Weisungen erteilen zu können oder bereits im Vorwege mit dem Vorstand Vereinbarungen zur zukünftigen Führung der Gesellschaft geschlossen werden. Das dies früher oder später zu Streitigkeiten führen kann, ist offensichtlich.

Das OLG Brandenburg (Urteil vom 29.8.2018, Az.: 7 U 73/14) musste sich zuletzt mit einer solchen Konstellation auseinandersetzen und entschied, dass schuldrechtliche Vereinbarungen, mit welcher sich der Vorstand einer AG gegenüber einem oder mehreren Aktionären verpflichtet, den Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht abzuberufen und diesen Informationen aus dem Kernbereich der Unternehmensleitung zu erteilen, unwirksam sind.

Begriff und Wesen des Vorstands

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist das notwendige Organ, durch das die Gesellschaft als juristische Person willens- und handlungsfähig ist. Dem Gesamtvorstand ist ein bestimmter Kompetenzbereich gesetzlich zugewiesen. Ihm allein steht nach § 76 Abs. 1 AktG die Leitung der Gesellschaft zu. Die organschaftlichen Befugnisse des Vorstands werden von den Vorstandsmitgliedern als natürlichen Personen ausgeübt. Die Vorstandsmitglieder haben die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Sie handeln selbstständig nach eigenem Ermessen. Ihre Unabhängigkeit wird insbesondere durch die zwingende Abgrenzung der Funktionen zwischen den einzelnen Gesellschaftsorganen gesichert. So werde die Vorstandsmitglieder zwar vom Aufsichtsrat bestellt, dem Aufsichtsrat können aber Maßnahmen der Geschäftsführung nicht übertragen werden. Der Aufsichtsrat ist nicht Vorgesetzter des Vorstands, sondern muss sich aller Eingriffe in den Bereich der Geschäftsführung enthalten und sich auf die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands beschränken. Der Aufsichtsrat kann den Vorstand deshalb nicht positiv zwingen, eine bestimmte Geschäftsführungsmaßnahme vorzunehmen. Auch an Beschlüsse der Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung ist der Vorstand nur gebunden, wenn die Hauptversammlung auf Verlangen des Vorstandes entschieden hat. Weder die Hauptversammlung noch der Aufsichtsrat, weder ein Großaktionär noch ein außenstehender Dritter können dem Vorstand insoweit Weisungen erteilen. Eine Ausnahme von dieser Weisungsfreiheit besteht für den Vorstand nur bei einer sog. beherrschten oder eingegliederten Gesellschaft.

Entscheidung des OLG Brandenburg

Vor dem OLG Brandenburg stritten Aktionäre und Organmitglieder einer Aktiengesellschaft über die Wirksamkeit der Kündigung einer Vereinbarung zwischen dem Vorstand und einem Aktionär, in welcher der Vorstand bestimmte Verpflichtungen in Bezug auf die Leitung der AG übernommen hatte. Unter anderem verpflichtete sich der Vorstand gegenüber dem Aktionär, ihn als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft zukünftig nicht abzuberufen und Informationen aus dem Kernbereich der Unternehmensleitung an den Aktionär weiter zu geben.

Nachdem die Aktiengesellschaft, vertreten durch den Vorstand, diese Vereinbarungen außerordentlich gekündigt hatte, begehrte der Aktionär die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung.

Das OLG Brandenburg hat die Berufung des Aktionärs gegen das abweisende Urteil zurückgewiesen. Die Vereinbarungen zwischen dem Aktionär und dem Vorstand seien unwirksam, weil sie dem Vorstand Verpflichtungen auferlegen, die mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbar seien. Nach der gesetzlichen Grundregel habe der Vorstand die AG „unter eigener Verantwortung“ zu leiten. Daraus folge, dass der Vorstand zwar schuldrechtliche Verpflichtungen gegenüber Dritten eingehen könne, diese aber aber nicht in den Kernbereich der Leitungsfunktion eingreifen dürfen. In diesem Kernbereich könne der Vorstand seine Leitungsaufgabe nicht auf einen Dritten übertragen und auch keine ihn in seinem Handeln als Vorstand bindende Verpflichtungen eingehen.

Die Frage der Geschäftsführerbestellung und -Abberufung in Tochterunternehmen gehöre zum Kernbereich der Leitungsfunktion eines Vorstands. Hiermit sei es unvereinbar, wenn diese Leitungsfunktion durch eine Verpflichtung, den klagenden Aktionär nicht als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft abzuberufen, umgangen werde. Als ebenso unzulässig sah das Gericht die Verpflichtung des Vorstands an, Auskünfte zur Unternehmensplanung an den Aktionär zu erteilen, da auch dies einen Kernbereich der Unternehmensleitung betreffe. Die Gewährung eines vollständigen und zeitlich unbeschränkten Zugriffs auf die Unternehmensdaten durch eine Person außerhalb des Vorstands sei mit der Leitungsmacht des Vorstands unvereinbar. Mit der gleichen Begründung wurden weitere Regelungen in der Vereinbarung als unzulässig qualifiziert.

Praktische Konsequenzen

Die Entscheidung des OLG Brandenburg zeigt erneut, dass die wesentlichen Unterschiede bei der Führung einer AG und einer GmbH bei vielen noch nicht angekommen sind. Während die Geschäftsführung einer GmbH grundsätzlich den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen ist, können weder der Aufsichtsrat noch die Hauptversammlung dem Vorstand Weisungen erteilen.

Die Aussicht, zukünftig die Bezeichnung Vorstand oder Aufsichtsrat führen zu können, sollte deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass die GmbH oftmals den tatsächlichen Bedürfnissen der Beteiligten besser entspricht.