Das neue Vaterschaftsrecht
Was plant die Bundesregierung?
Leibliche Väter haben es gelegentlich schwer, wenn Mütter ihnen die rechtliche Vaterschaft verweigern. Das wird sich demnächst vielleicht ändern.
Das Abstammungsrecht ist ein ziemlich dynamisches Rechtsgebiet. In Sachen Vaterschaft gibt es einen aktuellen Gesetzentwurf, mit dem die Bundesregierung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2024 reagiert. Neu geregelt werden soll die Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters.
Stärkung der Grundrechte des leiblichen Vaters
In der Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums bezieht sich Ministerin Stefanie Hubig auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 9. April 2024 - 1 BvR 2017/21) und strebt mit der Neuregelung eine “ausgewogene Lösung” an, welche die Interessen aller Betroffenen berücksichtigt und das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellt. Nach jetziger Rechtslage kann ein leiblicher Vater die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nicht erfolgreich anfechten, wenn zwischen dem Kind und dem anderen Mann eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Darin sehen die Richter in Karlsruhe eine Verletzung des Elternrechts der leiblichen Väter, da diesen kein hinreichend effektives Verfahren zur Erlangung der rechtlichen Vaterschaft zur Verfügung steht.
Die Regelungen im Gesetzentwurf des BMJV
Im Einzelnen sieht der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium folgende Änderungen vor:
a. „Anerkennungssperre“ während eines laufenden Verfahrens
Ein Mann soll die Vaterschaft für ein Kind nicht mehr wirksam anerkennen können, solange ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft eines anderen Mannes läuft. Diese „Anerkennungssperre“ soll einen „Wettlauf um die Vaterschaft“ verhindern. Erkennt ein Mann die Vaterschaft erst an, nachdem der leibliche Vater ein gerichtliches Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft angestrengt hat, soll seine Anerkennung schwebend unwirksam sein.
b. Differenzierte Anfechtungsregelungen
Für die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater sollen künftig neue Regelungen gelten. Ist ein Kind noch minderjährig, soll es zunächst darauf ankommen, ob eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater besteht. Besteht keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater, so soll die Anfechtung – wie auch bislang – Erfolg haben. Der Entwurf sieht dabei die widerlegliche Vermutung vor, dass in der Regel noch keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater besteht, wenn dieser erst seit weniger als einem Jahr der rechtliche Vater des Kindes ist.
Besteht zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung, soll die Anfechtung grundsätzlich erfolgreich sein, wenn eine der vier folgenden Fallkonstellationen vorliegt:
- Zwischen dem Kind und dem leiblichen Vater besteht eine sozial-familiäre Beziehung.
- Zwischen dem Kind und dem leiblichen Vater bestand in der Vergangenheit eine solche Beziehung; sie ist ohne Verschulden des leiblichen Vaters weggefallen.
- Der leibliche Vater hat sich ernsthaft und ohne sein Verschulden erfolglos um eine sozial-familiäre Beziehung bemüht.
- Der Ausschluss der Anfechtung wäre aus einem anderen Grund grob unbillig.
Stellt das Familiengericht im Einzelfall fest, dass der Fortbestand der rechtlichen Vaterschaft für das Wohl des Kindes erforderlich ist, soll eine Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater ausnahmsweise auch dann erfolglos bleiben, wenn einer der vier vorstehenden Fallkonstellationen vorliegt.
Ist das Kind volljährig, soll die Anfechtung des leiblichen Vaters erfolgreich sein, wenn das Kind der Anfechtung nicht widerspricht.
c. „Zweite Chance“ für den leiblichen Vater
Im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht geforderten „zweiten Chance“ soll der leibliche Vater die Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Anfechtungsverfahrens erhalten.
Endet die sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater oder hat der leibliche Vater seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind, soll der leibliche Vater, dessen Anfechtungsantrag abgewiesen wurde, die Wiederaufnahme des Anfechtungsverfahrens beantragen können, sofern zwischen der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses und dem Wiederaufnahmeantrag zwei Jahre vergangen sind. Dieselbe Zweijahresfrist soll für einen erneuten Wiederaufnahmeantrag gelten, wenn ein vorheriger Antrag auf Wiederaufnahme rechtskräftig gescheitert ist. Dabei wird sichergestellt, dass im Rahmen eines wiederaufgenommenen Anfechtungsverfahrens stets eine Kindeswohlprüfung erfolgt.
d. Anerkennung bei Zustimmung aller Beteiligten
Ein leiblicher Vater soll künftig auch rechtlicher Vater seines Kindes werden können, wenn er die Vaterschaft anerkennt und neben der Mutter und dem Kind auch der Mann, der dem Kind bislang als rechtlicher Vater zugeordnet ist, der Anerkennung zustimmt. Bislang wäre in einer solchen Konstellation grundsätzlich eine Anfechtung erforderlich. Dieser unnötige Formalismus soll durch die Neuregelung entbehrlich werden.
Wie geht es weiter im Recht der Vaterschaft?
Der Bundestag hat nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bis Ende März 2026 Zeit für die Anpassung des Vaterschaftsrechts. Für die Bundesjustizministerin ist das aber nur ein erster Schriftt zu einem zeitgemäßen Abstammungsrecht. Im Laufe der Legistlaturperiode will sie weitere Reformen anstrengen, die das Abstammungsrecht “auf eine Höhe mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit" bringen. Ähnliche Vorsätze hatte einst auch die Ampel-Koalition, bevor sie frühzeitig aufgeben musste.
Video: Vaterschaft
Rechtsanwalt Bernfried Rose gibt einen Überblick über die wichtigsten rechtlichen Themen rund um die Vaterschaft.