Digitalisierung im Arbeitsrecht: Fortschritt & Formvorschriften

Was ist, wenn die Kündigung per WhatsApp kommt?

Die rasante Digitalisierung überrollt Land und Leute. Sie hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie wir arbeiten, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, die unsere Arbeitsverhältnisse regeln.

Veröffentlicht am: 06.02.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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In der heutigen Zeit sind Gehaltsabrechnungen, Krankmeldungen und sogar Arbeitsverträge längst nicht mehr auf Papierform beschränkt. Doch trotz des digitalen Wandels bleiben einige Formvorschriften im Arbeitsrecht bestehen. Was gilt und wo hat die Digitalisierung ihre Spuren hinterlassen? Nachfolgend finden Sie unseren Kurzüberblick:

Formerfordernisse im Individualarbeitsrecht: Formfreiheit und ihre Grenzen

Das gesamte Individualarbeitsrecht, also das Teilgebiet des Arbeitsrechts, das unmittelbar die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelt, folgt grundsätzlich dem Prinzip der Formfreiheit. Dennoch können durch Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag bestimmte Formerfordernisse festgelegt werden.

Der goldene Grundsatz der Schriftform nach § 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verlangt dabei traditionell eine eigenhändige Unterschrift des Verfassers mit "wet ink". Elektronische Formen gemäß § 126a BGB sind ebenfalls möglich, erfordern jedoch eine qualifizierte elektronische Signatur nach EU-Recht. Die einfachste Form ist die Textform nach § 126b BGB, die eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger erlaubt, einschließlich E-Mails, SMS oder eben WhatsApp. Bei der Frage, welche Form wofür gilt, unterscheiden die Juristen zwischen dem Beginn, dem laufenden und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Beginn des Arbeitsverhältnisses: Elektronische Formen und schriftliche Nachweise

Der Abschluss eines Arbeitsvertrags unterliegt grundsätzlich keiner Form, es sei denn, es handelt sich zum Beispiel um Befristungsabreden oder nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die der Schriftform bedürfen. Obwohl das Arbeitsrecht formfrei ist, verlangt das Nachweisgesetz (NachwG) vom Arbeitgeber, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten.

Elektronische Formen sind dabei ausdrücklich nicht zulässig, und Verstöße können sogar mit Bußgeldern geahndet werden.

Bestehendes Arbeitsverhältnis: Fortschritte in der Digitalisierung

In laufenden Arbeitsverhältnissen hat die Digitalisierung bereits einige Formerfordernisse erleichtert. Der elektronische Abruf ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch den Arbeitgeber bei der gesetzlichen Krankenkasse hat seit Anfang 2023 die Übersendung des „Gelben Scheins“ in Papierform abgelöst. Der Arbeitnehmer muss sich nur noch bei seinem Arbeitgeber krankmelden, wozu der Übermittlungsweg per Telefon, E-Mail oder sogar WhatsApp genutzt werden kann.

Auch Abmahnungen sind formfrei möglich, jedoch wird aus Beweisgründen eine Textform empfohlen. Gehaltsabrechnungen können in Textform erfolgen, aber bei elektronischer Bereitstellung ist das Einverständnis des Arbeitnehmers erforderlich.

Schließlich ist die elektronische Führung einer Personalakte möglich, doch für rechtliche Auseinandersetzungen sollten Originale aufbewahrt werden.

Ende des Arbeitsverhältnisses: Schriftform bei Kündigung und Zeugnis

Für Kündigungen und Aufhebungsvereinbarungen gilt weiterhin die Schriftform. Bitte beachten: Die elektronische Form ist und bleibt ausgeschlossen, das heißt, dass weiterhin keine Kündigung per WhatsApp ausgesprochen werden kann.

Die sogenannte Schriftsatzkündigung im laufenden Gerichtsverfahren durch Rechtsanwälte ist durch das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht mehr möglich. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bleibt der Postweg inklusive Originalunterschrift unumgänglich.

Die Schriftform gilt auch für die Erteilung des Arbeitszeugnisses. Für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von Ausschlussfristen gilt, dass diese in Textform geltend gemacht werden können.

Freiwillige Schriftform zu Beweiszwecken und Gesetze als Hemmnis

Unabhängig von gesetzlichen Formerfordernissen ist sehr oft die Verschriftlichung von Erklärungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu empfehlen, um die Dokumentation und Beweisbarkeit sicherzustellen. Bei der Digitalisierung von Arbeitsbeziehungen sollten klare Richtlinien für die Interaktion zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entwickelt werden, um den Erfolg digitaler Prozesse zu gewährleisten. Gesetzliche Vorschriften sind jedoch weiterhin eine Hürde für umfassende digitale Lösungen, da sie einen Medienbruch erzwingen.

Die Digitalisierung im Arbeitsrecht schreitet voran, aber mit dem Blick auf rechtliche Rahmenbedingungen und Formerfordernisse bleibt es eine anspruchsvolle Gratwanderung zwischen Fortschritt und bewährten Prinzipien.