BVerfG stärkt Kirchenarbeitsrecht
Egenberger-Beschluss sorgt für Diskussion
Das BVerfG läutet mit seinem Beschluss eine neue Runde im Egendorfer-Verfahren ein. Mit neuen, kirchenfreundlichen Vorgaben verweist es den Fall an das BAG zurück.
Recherchiert man das kirchliche Arbeitsrecht, kommt man am Fall Vera Egenberger nicht vorbei. Seit nunmehr 13 Jahren verfolgt Frau Egenberger vor den Arbeitsgerichten einen Anspruch auf Entschädigung wegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gegen eine Diakonie. Nachdem ihr das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Entschädigung zugesprochen hatte (BAG, Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14), kassiert das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Entscheidung nun wieder ein (BVerfG, Beschluss vom 29.09.2025 – 2 BvR 934/19).
Kein Kirchenmitglied, kein Job
Die konfessionslose Frau Egenberger hatte sich 2012 auf eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Die ausgeschriebene Tätigkeit umfasste die Mitarbeit an einem Bericht von Nichtregierungsorganisationen zur deutschen Umsetzung der UN-Antirassismus-Konvention. Egenberger erfüllte sämtliche fachlichen Voraussetzungen und verfügte bereits über einschlägige Berufserfahrung. Dennoch blieb ihre Bewerbung erfolglos. Grund hierfür sei, ihre fehlende Kirchenzugehörigkeit.
Das AGG sieht vor, dass niemand wegen Religion, Herkunft, Geschlecht oder ähnlicher Merkmale benachteiligt werden darf. Kommt es dennoch zu einer solchen Benachteiligung, hat der Betroffene aus § 15 Absatz 2 AGG einen Entschädigungsanspruch. Frau Egenberger machte diesen Anspruch im Jahr 2012 in Höhe von 4.000 Euro geltend.
Kirchenarbeitsrecht als Minenfeld
Die Geltendmachung dieses Anspruchs eröffnete eine ganze Reihe von Fragen im Bereich des Kirchenarbeitsrechts. Zwar garantiert die deutsche Verfassung den Kirchen die eigenständige Regelung ihrer Angelegenheiten, doch wie weit diese Kompetenz tatsächlich reicht, ist umstritten. Auch die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie, auf der das AGG basiert, verbietet den Kirchen nicht grundsätzlich, eine Religionszugehörigkeit als Einstellungsvoraussetzung zu verlangen. Vor diesem Hintergrund stellte sich dem BAG in einer der ersten Runden des Egenberger-Verfahrens die Frage, ob und inwieweit kirchliche Bewerbungsanforderungen überhaupt einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. 2018 musste daher der EuGH angerufen werden.
Dieser entschied, dass kirchliche Entscheidungen gerichtlich überprüfbar sein müssen. Die Gerichte sollten dabei im Einzelfall die Angemessenheit beurteilen. Infolgedessen sprach das BAG Frau Egenberger den geltend gemachten Entschädigungsanspruch zu. Die Diakonie zeigte sich damit unzufrieden und legte Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein.
EuGH falsch verstanden?
Vor der EuGH-Entscheidung von 2018 vertrat das BVerfG selbst die Auffassung, dass arbeitskirchenrechtliche Entscheidungen nicht gerichtlich überprüfbar seien. In seinem Egenberger-Beschluss bestätigte das Gericht nun zwar die Vorgaben des EuGH, blieb in der Sache aber kirchenfreundlich.
Der EuGH habe einen nationalen Spielraum gelassen, den das BAG nicht hinreichend beachtet habe. In dessen Urteil komme das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu kurz. Dieses müsse in einen angemessenen Ausgleich mit dem Diskriminierungsschutz nach dem AGG gebracht werden. Einen solchen Ausgleich habe das BAG bislang nicht vorgenommen, weshalb das BVerfG den Fall zurückverwies.
Freude mit Grenzen
Kirche und Diakonie zeigen sich zufrieden mit der Entscheidung des BVerfG. Allerdings kann der Beschluss nicht als Freifahrschein für religiöse Diskriminierung im kirchlichen Arbeitsumfeld verstanden werden. Vielmehr müssen Kirchen künftig im Einzelfall nachvollziehbar darlegen, warum für eine bestimmte Stelle eine Religionszugehörigkeit erforderlich ist. Dabei müssen sie so genau sein, dass im Zweifelsfall auch ein Gericht von der Voraussetzung überzeugt werden kann.
Ob der EuGH die Sache damit auf sich beruhen lässt, ist noch fraglich. Mit seiner Entscheidung hat das BVerfG die europäischen Vorgaben dann doch eher großzügig ausgelegt. Da bereits weitere Streitigkeiten im Bereich des Kirchenarbeitsrechts anhängig sind, dürfte eine erneute Entscheidung des EuGH nur eine Frage der Zeit sein.