Herausgabe des Erbes bei ungültigem Testament?

Aktuelle Entscheidung zur gutgläubigen Erbschaft

Auf die Wirksamkeit eines Testaments kann sich der Erbe nicht verlassen - so gutgläubig er auch sein mag.

Veröffentlicht am: 20.01.2023
Qualifikation: Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht in München
Lesedauer:

Werden große Nachlässe durch ein Testament verteilt, kommt es häufig zum Streit um die Erbfolge. So ein Erbstreit dauert dann durchaus mal ein paar Jahre – vor allem, wenn es um die Frage geht, ob der Erblasser überhaupt noch geistig in der Lage war ein Testament wirksam zu errichten.
Das Oberlandesgericht Celle hat vorgestern (18. Januar 2023) eine Pressemeldung zu einer aktuellen Entscheidung (OLG Celle Az: 6 U 2/22) veröffentlicht, in dem es um so einen Sachverhalt ging.

Steuerberater wurde als Alleinerbe im Testament eingesetzt

Eine ältere Dame – ohne nähere Angehörige, aber mit viel Vermögen – hatte ihren Steuerberater als alleinigen Erben eingesetzt. Das tat sie zunächst per Testament im Jahr 2008 und später erneut in einem Erbvertrag aus dem Jahr 2014. Als die Erblasserin 2015 verstarb und der Steuerberater einen Erbschein beantragte, kam es zum Streit um die Erbfolge, da die Testierfähigkeit der Dame angezweifelt wurde.
Und tatsächlich kam ein vom Nachlassgericht eingeholtes psychiatrisches Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Verstorbene aufgrund von wahnhaften Störungen nicht mehr in der Lage war, ihren letzten Willen wirksam zu errichten. Wie in solchen Fällen üblich, musste der Gutachter dafür Notare, Ärzte und andere Zeugen vernehmen. Der Kampf um die Wirksamkeit des Testaments zog sich (wie üblich) einige Jahre, da nach dem Amtsgericht noch das Landgericht und schließlich das Oberlandesgericht bemüht wurde.

Keine gutgläubige Erbschaft

Der vermeintlich erbende Steuerberater unterlag in allen Instanzen und verzichtete nun letztlich auf eine weitere Beschwerde. Die Richter am OLG hatten ihm klargemacht, dass er insbesondere nicht auf die Testierfähigkeit der Erblasserin vertrauen durfte und ihm auch seine Gutgläubigkeit diesbezüglich nicht weiterhelfe.
Da in der Pressemitteilung des OLG zu lesen war, dass der Steuerberater das Erbe hausgeben müsse, stellt sich die Frage, wie er überhaupt ohne Erbschein an das Erbe gelangt war. Möglicherweise konnte er aufgrund einer transmortalen oder postmortalen Vollmacht über den Nachlass verfügen.
Die Gerichtsentscheidung zeigt wieder einmal, dass man sich auch dann nicht auf die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung verlassen kann, wenn diese bei einem Notar errichtet wurde. Der Notar kann sich zwar bei der Beurkundung des Testaments bzw. des Erbvertrags ein Bild über den geistigen Zustand des Erblassers machen, er ist diesbezüglich aber eben kein Sachverständiger.