Erbrecht bei Samenspende

12 Milliarden für mehr als 100 Kinder

In Deutschland gilt der Grundsatz, dass alle Kinder das gleiche gesetzliche Erbrecht haben. Bei Samenspenden gibt es jedoch hinsichtlich der Vaterschaft Besonderheiten.

Veröffentlicht am: 24.06.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt & Mediator
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Möchten Sie sich das Erbe Ihres Vaters mit mehr als 100 Geschwistern teilen? Kein Problem, wenn Ihr Vater Pawel Durow ist, der Gründer des Messenger-Dienstes Telegram, dessen Vermögen auf ca. 12 Milliarden Euro geschätzt wird. Der hat zwar gemeinsam mit drei Partnerinnen “nur” 6 Kinder, als Samenspender aber noch mehr als 100 weitere Abkömmlinge in zwölf Ländern. Und nach seinem Wunsch sollen alle seine Kinder gleich viel erben. 

Alle Kinder haben die gleichen Rechte?

“Sie sind alle meine Kinder und haben alle die gleichen Rechte” wird Pawl Durow in der Presse zitiert. Das deutsche Erbrecht und Familienrecht sieht das im Falle der Samenspende jedoch etwas differenzierter. Hier bestimmt § 1600d Absatz 4 BGB: 

Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde, so kann der Samenspender nicht als Vater dieses Kindes festgestellt werden.

Das gilt jedoch nur für Samenspenden vor dem 1. Juli 2018. Seitdem können betroffene Kinder beim Versterben des Samenspenders keine Erbansprüche oder Pflichtteilsansprüche gelten machen. 

Welches Recht ist überhaupt anwendbar?

Ob im Falle von Herrn Durow ähnliche Regelungen wie in Deutschland greifen, ist ungewiss. Der Milliardär wurde in der Sowjetunion geboren, lebt heute wohl überwiegend in Frankreich und Dubai und hat mehrere Staatsangehörigkeiten. Nach der EU-Erbrechtsverordnung wäre bei einem Versterben das Erbrecht des Staates anwendbar, in dem er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Daher sollte sich Pawel Durow vielleicht mit dem französischen Erbrecht sowie dem Erbrecht von Dubai auseinandersetzen.

Zumindest in einem französischen Testament dürfte es - unabhängig vom gesetzlichen Erbrecht bei einer Samenspende - problemlos möglich sein, mehr als 100 Personen zu benennen. 

Streit und Steuern vorprogrammiert?

Unterstellt man, dass dem Telegram-Boss sein Vorhaben gelingt, könnte also eine Erbengemeinschaft mit mehr als 100 Miterben entstehen. Nach deutschem Recht würden sich dann folgende Probleme stellen:

  • Da nach deutschem Recht viele Kinder aufgrund der Bestimmungen für Samenspenden nicht gesetzliche Erben wären, könnten Pflichtteilsansprüche der anderen Kinder entstehen.
  • Eine Erbengemeinschaft mit so vielen Mitgliedern wäre kaum handlungsfähig, wenn es um die Verwaltung bzw. Verteilung des Nachlasses geht.
  • Das Finanzamt würde den Kindern, deren Abstammung aufgrund der Regelungen für die Samenspende nicht festgestellt werden kann, kaum die Freibeträge für Kinder und die niedrigen Steuersätze bei der Erbschaftsteuer anwenden. 

Pawel Durow wird sich daher hoffentlich guten Rat eingeholt haben, als er sein Testament gemacht hat. Mit viel Geld und den richtigen Anwälten und Steuerberatern lässt sich bekanntlich ja fast jedes Problem lösen. 

Video: Sind alle Kinder beim Erben gleichberechtigt?

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt das Erbrecht unter Geschwistern. Nach dem Gesetz sind Kinder gleichberechtigt. Im Testament kann das anders aussehen und im Erbfall kann es zu Ausgleichspflichten kommen.