Neues Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
EU-weiter Know How-Schutz für Unternehmen
EU-weiter Know How-Schutz für Unternehmen
Ein Beitrag von Dr. Boris Jan Schiemzik, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
In Deutschland besteht bisher kein umfassender Schutz für Unternehmen vor Diebstahl und unzulässiger Verwendung von vertraulichem Know How und Geschäftsgeheimnissen. Das neue vom Bundestag beschlossene Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist auf die Richtlinie (EU) 2016/943 zurückzuführen. Nunmehr hat der Bundesrat die neuen Regeln, die insbesondere der Digital- und Datenwirtschaft Rechnung tragen sollen, am 12. April 2019 gebilligt.
Die Wirtschaftsspionage in Deutschland verursacht jedes Jahr Schäden in Milliardenhöhe. Mit dem neuen Geschäftsgeheimnisschutzgesetz (GschGehG) will der europäische und deutsche Gesetzgeber den Schutz vor Wirtschaftsspionage verbessern. Danach soll Datendieben und vor allem Mitarbeitern, die ihr Unternehmen ausspionieren und mit den gewonnenen Daten Wettbewerber in unzulässiger Weise stärken, das Handwerk legen.
Geschäftsgeheimnisschutz in der bisherigen Unternehmenspraxis
Die Praxis setzt beim Geheimnisschutz gegenüber Geschäftsführern, Mitarbeitern und außerhalb des Unternehmens stehenden Vertragspartnern und Dienstleistern auf spezielle vertragliche Geheimhaltungsvereinbarungen (NDA) und unterschiedlich streng geregelte Wettbewerbsverbote. Diese Vertragspraxis ist in ihrer Effektivität begrenzt. Zum einen begründet sie grundsätzlich nur rein zivilrechtliche Reaktionsmöglichkeiten für betroffene Unternehmen. Überdies ist die Reichweite von insbesondere nachvertraglichen Wettbewerbsverboten begrenzt. Verstoßen die Vertragsregeln gegen die oft zu streng empfundene Rechtsprechung, können die vereinbarten Wettbewerbsverbotsklauseln komplett unwirksam sein. Dies wird von findigen Wettbewerbern ausgenutzt. Betroffene Unternehmen empfinden diese Rechtslage für nicht interessengerecht.
Überdies haben sich die bestehenden strafrechtlichen und sanktionierenden Regelungen im BGB sowie in Spezialgesetzen wie Patentgesetz (PatG), Urheberrechtsgesetzt (UrhG) oder im Wettbewerbsrecht (UWG) als nicht ausreichend für einen effektiven Geschäftsgeheimnisschutz erwiesen.
Neuer gesetzlicher Schutz von Betriebsgeheimnissen
Das neue Gesetz wird daher der wachsenden Bedeutung von jahrelang entwickeltem Know How und IP-Rechten und den schutzwürdigen Belangen der Wissenswirtschaft gerecht.
Die neuen Regeln für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen werden den vertraglichen Schutz durch NDAs und Wettbewerbsverbote nicht ersetzen. Sie werden den Schutz allerdings sinnvoll ergänzen. Da mit dem neuen Gesetz die europäische Richtlinie (EU 2016/943) umgesetzt wird, wird auch in ganz Europa ein einheitlicher Mindeststandard für Betriebsgeheimnisse begründet.
Erlangt, nutzt oder offenbart eine Person Geschäftsgeheimnisse in unzulässiger Weise, erhält das betroffene Unternehmen durch das neue Gesetz diverse zivilrechtliche Ansprüche und Reaktionsmöglichkeiten.
Gesetzliche Maßnahmen gegen Datenspionage
Gegen den Daten- und Know How-Spion begründet das neue GeschGehG einen ganzen Maßnahmenkatalog. Unter anderem kann ein betroffenes Unternehmen wie folgt reagieren; es erhält:
- Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche
- Ansprüche auf Herausgabe oder Vernichtung der im Besitz des Verletzers befindlichen Dokumente
- Vernichtung von rechtsverletzenden Produkten
- Schadensersatzansprüche
- das Recht auf Rückruf eines rechtsverletzendes Produkts.
Überdies kann das betroffene Unternehmen im Rahmen von einstweiligen Verfügungen sehr schnell mit Hilfe eines Gerichts zum Schutz seiner Geschäftsgeheimnisse reagieren. Besonders schwere Verstöße gegen das Geheimnisschutzgesetz werden sogar strafrechtlich verfolgt.
Was gilt als „Geschäftsgeheimnis“ gemäß dem GeschGehG?
Im Gesetz findet sich in § 2 Nr. 1 GeschGehG der Betriff des Geschäftsgeheimnisses definiert. Ein Geschäftsgeheimnis enthält zwei Komponenten: Zum einen wird es - kurz zusammengefasst - als Information verstanden, die von Personen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, weder bekannt nochzugänglich ist und daher von einem wirtschaftlichen Wert ist. Zum anderen erhält eine Information nur dann einen Geschäftsgeheimnisstatus, wenn der rechtmäßige Inhaber mit angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen die vertrauliche Information schützt. Anders als die Immaterialgüterschutzgesetze (Marken-, Urheber- und Patentgesetz) erstreckt das neue Gesetz seinen Schutz auf bloße vertrauliche Informationen, die handelbar sind und einen wirtschaftlichen Wert besitzen. Der gesetzliche Schutz hängt also von der tatsächlichen Geheimhaltung dieser Information ab.
Praxishinweis: Umsetzung des Betriebsgeheimnisschutzes
Wenn ein Unternehmen seine Informationen für schutzbedürftig hält, muss es nach dem neuen Gesetz adäquate Maßnahmen zum Vertraulichkeitsschutz ergreifen. Nur dann kann es auf das GschGehG setzen und später zivilrechtliche Ansprüche und strafrechtliche Maßnahmen gegen Täter ergreifen. Die in der Praxis bereits praktizierten Schutzmaßnahmen organisatorischer und technischer Art erhalten auch für das neue Gesetz eine wesentliche Bedeutung. Dazu zählen passwortgeschützte Zugänge zu vertraulichen Datenbanken und die Begründung von unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen, auf deren Grundlage Mitarbeitern und Dritten der Zugriff auf relevante Informationen gewährt wird. Erfahrungen mit einem gesetzlich angeordneten Informationsschutz bestehen bei kapitalmarktaktiven Unternehmen, die wegen des Insiderhandelsverbots, Informationen organisatorisch und technisch schützen müssen. Hieran könnte sich auch die Praxis betreffend der GeschGehG-Schutzmaßnahmen orientieren. Schließlich bekommen die klassischen Geheimhaltungsvereinbarungen (NDA) und eine entsprechende Vertragsdokumentation für das neue Schutzgesetz eine hohe Relevanz.
Es ist zu erwarten, dass die neuen Regeln nicht nur von mittelständischen Unternehmen und größere Konzernen, sondern auch im Startup-und Venture Capital-Bereich begrüßt werden. Da bei den FinTechs und Co. viel Kraft und Finanzmittel in die Entwicklung von Ideen und Innovationen investiert werden, wird man das neue GeschGehG wertschätzen. Insbesondere im Zusammenhang mit Gesellschafterstreitigkeiten und Konflikten mit Führungskräften sind die Startup-Unternehmen sehr anfällig für Datendiebstahl und Veruntreuung von Know How.