Pflichtteil fordern trotz Pflichtteilsstrafklausel?

Kein Verlust der Erbenstellung bei wertlosem Pflichtteil

Wer seinen Pflichtteil bei einem Berliner Testament mit Pflichtteilsstrafklausel schon beim ersten Erbfall fordert, verliert nicht immer seine Erbenstellung, wenn der geforderte Pflichtteil wertlos ist. Die konkrete Formulierung im Testament ist hier ausschlaggebend.

Veröffentlicht am: 10.03.2023
Qualifikation: Rechtsanwältin für Erbrecht in Köln
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Wer durch ein Berliner Testament als Schlusserbe eingesetzt ist und nach dem ersten Erbfall seinen Pflichtteil geltend macht, verliert in aller Regel seine Erbenstellung für den zweiten Erbfall, sofern das Berliner Testament eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel beinhaltet. Dass dies aber nicht immer so ist, zeigt ein aktuelles Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Hier verlor die eingesetzte Schlusserbin ihre Erbenstellung nicht, da der zuvor geltend gemachte Pflichtteilsanspruch wertlos war.

Berliner Testament mit Pflichtteilsstrafklausel

Dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 21.02.2023 (21 W 104/22) lag ein Berliner Testament zugrunde, durch welches sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt hatten. Die Erblasserin hatte in ihre Ehe eine Tochter und der Erblasser hatte zwei Töchter „mitgebracht“. In dem Testament hieß es wörtlich: „Wir gehen davon aus, dass unsere Kinder keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tod des Erstverstorbenen Elternteils erheben. Nach dem Tod des überlebenden Partners wird das Vermögen unter den Kindern (... Namen der drei Töchter) zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ausgenommen ist dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat."

Der Erblasser starb als Erstes. Trotz der aufgenommenen Klausel im Testament machte eine seiner beiden Töchter gegenüber der überlebenden Ehegattin ihren Pflichtteil geltend. Die Bemühungen waren allerdings nicht erfolgreich, denn der Nachlass des verstorbenen Erblassers war nicht werthaltig, sodass der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch auf einen Betrag von 0 Euro hinauslief.

Erbenstellung durch Geltendmachung des Pflichtteils nicht verwirkt

Nachdem auch die Erblasserin verstorben war, waren die beiden weiteren Töchter der Ansicht, dass die Schwester, die bereits nach dem Tod des Erblassers ihren Pflichtteil erfolglos gefordert hatte, ihre Schlusserbschaft verwirkt habe. Sie beantragten daher einen Erbschein, der beide Schwestern jeweils zu einem Anteil von 50 % als Erbinnen ausweisen sollte. Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag zurück und auch die eingelegte Beschwerde beim Oberlandesgericht in Frankfurt war nicht erfolgreich. Beide Gerichte waren der Auffassung, dass die Tochter, die zwar einen Pflichtteil gefordert habe, aber kein Geld bekommen habe, ihre Erbenstellung gerade nicht verwirkt habe. Schlusserben waren nach Auffassung des Gerichts alle drei Töchter.

Lediglich Schutz des überlebenden Ehegatten gewollt

Das Oberlandesgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Ehegatten durch die genaue Formulierung im Testament zum Ausdruck gebracht hätten, dass es ihnen „um das Zusammenhalten des Nachlassvermögens, dessen Werthaltigkeit und den Schutz des überlebenden Ehegatten" gegangen sei. Die Sanktionierung sollte nach dem Willen der Erblasser nur für den Fall gelten, dass eine der Töchter den Nachlass tatsächlich schmälert. Da der Nachlass und damit auch der Pflichtteilsanspruch nicht werthaltig waren, hätte nach dem Willen der Erblasser auch keine Sanktion in Form einer Enterbung die Folge sein sollen.

Achtung: Genaue Formulierung im Testament entscheidend

Testierende, Erben und Pflichtteilsberechtigte sollten aber bedenken, dass das Urteil auf viele gemeinschaftliche Testamente mit Pflichtteilsstrafklausel nicht übertragbar ist. Die Besonderheit bei dem zugrundeliegenden Fall war, dass die Ehegatten in ihrem Berliner Testament genau formuliert hatten, dass die Tochter kein Schlusserbe wird, welche den Pflichtteil beansprucht und erhalten hat. Häufig sind Pflichtteilsstrafklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten allerdings anders formuliert, denn sie stellen oft nur auf das „Geltend machen“ oder das „Fordern“ des Pflichtteils ab. Dann reicht in der Regel auch das Fordern des Pflichtteils aus, um seine Schlusserbschaft zu verwirken.

Erblasser sollten sich bei der Errichtung von Berliner Testamenten daher detaillierte Gedanken machen, ob sie eine Pflichtteilsstrafklausel aufnehmen wollen und welches Verhalten der Schlusserben genau sanktioniert werden soll. Eine durchdachte und konkrete Formulierung kann insbesondere auch spätere Streitigkeiten der Erben vermeiden.