Schmerzensgeld wegen Newsletter?

Erste Gerichtsentscheidung zum Schmerzensgeld nach DSGVO

Veröffentlicht am: 29.11.2018
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Erste Gerichtsentscheidung zum Schmerzensgeld nach DSGVO

Das Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) brachte die Befürchtung vor einer Abmahnwelle mit sich, die jedoch bislang ausblieb. Allerdings könnte sich dies bald ändern. Denn mit dem Urteil des Amtsgerichts Diez vom 07.11.2018 hat sich zum ersten Mal ein deutsches Gericht mit der Frage von Schadensersatzansprüchen nach dem neuen Datenschutzrecht aufgrund von unzulässiger Werbung per Mail beschäftigt.

Was war passiert?

Die Beklagte sendete am 25.05.2018 aufgrund des Inkrafttretens der DSGVO Mails an die Kunden ihres Online-Shops, um die nun erforderliche Einwilligung zur Zusendung von Newslettern einzuholen. Eine solche Einwilligung hätte allerdings bereits zuvor eingeholt werden müssen, sodass schon diese Mail eine unrechtmäßige Verarbeitung der personenbezogenen Daten und somit einen Verstoß gegen die DSGVO darstellte. Daher forderte die Klägerin ein Schmerzensgeld für einen erlittenen immateriellen Schaden gemäß Art. 82 Abs.1 DSGVO. Die von der Beklagten bereits vor der gerichtlichen Entscheidung freiwillig gezahlten 50 € entsprachen jedoch nicht der Vorstellung der Klägerin, die ein Schmerzensgeld von 500 € für angemessen hielt.

Wie hat das Amtsgericht entschieden?

Das AG Diez entschied, dass aus einem bloßen Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO noch kein Anspruch auf Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld folgt. Vielmehr bedürfe es eines konkreten Schadenserfolgs. Zwar sei das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt, jedoch dürfe nicht jeder einfache Verstoß zum Schadensersatz führen. Das Gericht geht daher von einer Bagatellgrenze für Datenschutzverstöße aus, die nicht mit Schadensersatzansprüchen der Betroffenen sanktioniert werden sollen.

Verlangt wird somit ein spürbarer Nachteil und eine objektiv nachvollziehbare, gewichtige Beeinträchtigung der persönlichkeitsbezogenen Belange. Ohne einen solchen erkennbaren Schadenseinschlag soll es daher nicht zu einem Schmerzensgeldanspruch kommen können.

Das AG hält das bereits gezahlte Schmerzensgeld von 50 € für mehr als ausreichend und stellt darüber hinaus infrage, ob dieses überhaupt nötig gewesen sei. Da die Newsletter-Anfrage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der DSGVO zwecks einer Einwilligung der Betroffenen erging, hatte das Gericht grundsätzlich Zweifel bezüglich des Anspruchs auf Schmerzensgeld.  Die Vermutung, dass das AG bei willkürlicher Werbung per Mail zu einem späteren Zeitpunkt dem Kläger kein Schmerzensgeld zugesprochen hätte, liegt also nahe.

Die Schadensersatzvorschriften der DSGVO

Aus den Erwägungsgründen zur DSGVO lässt sich entnehmen, dass der Begriff des Schadens grundsätzlich weit ausgelegt werden soll, um die Ziele der DSGVO zu erreichen. Ein effektiver Schutz vor Werbung per Mail wird dem Verbraucher durch die Art. 5 ff. DSGVO gewährt, sodass eine Sanktionierung der unzulässigen Mailzusendung im Sinne der Verordnung wäre. Ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 50 € hätte somit eine effektive Warnfunktion. Allerdings soll auch nur der erlittene Schaden ersetzt werden. Ein Schmerzensgeld als immaterieller Schaden gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO setzt im hier einschlägigen Persönlichkeitsrecht insoweit voraus, dass andere Ausgleichsmöglichkeiten fehlen und für ein Schmerzensgeld ein unabwendbares Bedürfnis besteht. Besonders der letzte Punkt dürfte bei solchen Bagatellen nicht gegeben sein.

Ob sich diese Rechtsprechung aber durchsetzt, wird abzuwarten sein. Vor dem Hintergrund, dass nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers Betroffene effektiv geschützt werden sollen und Schadensersatzansprüche für Unternehmen abschreckende Wirkung haben sollen, könnten andere Gerichte auch gegenläufige – datenschutzfreundlichere – Ansichten vertreten.

Ausblick

Der Kläger begehrte eine Vorlage der Streitsache zum Europäischen Gerichtshof. Die Voraussetzungen dafür sah das Amtsgericht im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Höhe des Schmerzensgelds sei immer eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Dies trifft auch bei Schmerzensgeld aufgrund von Newsletter-Anfragen als Werbung zu.

Durch diese erste gerichtliche Entscheidung sind für Schmerzensgeldforderungen von Verbrauchern durchaus grundlegende Anreize gesetzt, sodass in nächster Zeit sicherlich weitere Klagen folgen werden. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die weitere Rechtsprechung ausrichtet, insbesondere ob sie an der strengen und unternehmensfreundlichen Ansicht des AG Diez festhält.