Unlauterer Wettbewerb durch Bezeichnung als „klimaneutral“

Greenwashing: LG Karlsruhe urteilt gegen Drogerie dm

Die Drogeriekette dm bewirbt Produkte mit den Claims "klimaneutral" und "umweltneutral". Die Deutsche Umwelthilfe hielt dies für Verbrauchertäuschung, ging juristisch gegen dm vor und hatte vor dem LG Karlsruhe Erfolg.

Veröffentlicht am: 27.07.2023
Qualifikation: Rechtsanwältin in Hamburg
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Mit grünen Labels, die mit „Klimaneutralität“ oder anderen vermeintlich klima- und umweltschützenden Floskeln werben, versuchen Hersteller gezielt Kunden und Kundinnen anzusprechen, die bei der Auswahl ihrer Konsumgüter auf Nachhaltigkeit achten wollen. Nicht selten handelt es sich dabei jedoch um mehr oder weniger leere Versprechungen. Hiergegen klagen immer wieder Verbraucherschützer. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beispielsweise griff jüngst mehr als 20 Unternehmen an, die Produkte mit „Klimaneutralität“ bewerben und hatte vor dem Landgericht Karlsruhe nun gegen die Drogeriemarktkette dm Erfolg (Urt. v. 26.07.2023, Az. 13 O 46/22 KfH).

Feldzug der DUH gegen Greenwashing

Nach Angaben der DUH bewerben Handelsunternehmen und Industrie ihre Produkte und Dienstleistungen mit Begriffen wie „klimaneutral“, „klimapositiv“ etc., verschweigen dabei aber ganz oder teilweise, wie sie die angeblichen CO2-Kompensationen erbringen. Häufig erfolge lediglich ein knapper Verweis auf fragwürdige Projekte, an die die Unternehmen Geldbeträge zahlen. Eine tatsächliche CO2-Einsparung durch die Unternehmen selbst erfolge dabei also gar nicht. Eine Überprüfung der Informationen, Zahlungen, Projekte und der tatsächlichen Klimawirkung sei für die VerbraucherInnen in der Regel nicht möglich.

Gerade dieses intransparente Vorgehen kritisiert die DUH. Seit Mai 2022 hat sie nach eigenen Angaben juristische Verfahren gegen 21 Unternehmen eingeleitet und sie „aus verschiedenen Gründen zum Ausstieg aus der Werbung mit vermeintlicher „Klimaneutralität“ aufgefordert“. Gegen dm errung die DUH nun einen Sieg vor dem LG Karlsruhe.

LG Karlsruhe bestätigt mangelnde Transparenz

Konkret bezieht sich das Urteil des LG Karlsruhe auf als „klimaneutral“ gekennzeichnete Flüssigseife, Sonnencreme und Cremedusche, sowie auf als „umweltneutral“ bezeichnetes Spülmittel. Diese Produkte mit diesen Claims zu bewerben, hat dm demnach künftig zu unterlassen. Das Gericht stellte Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) fest.

Hinsichtlich zwei der „klimaneutralen“ Produkte stellte das Gericht fest, dass den VerbraucherInnen wesentliche Informationen zum Verständnis des Begriffs vorenthalten wurden. Auf der jeweiligen Verpackung fand sich lediglich die Angabe, das Produkt sei klimaneutral im Sinne von CO2-kompensiert. Wie genau diese Klimaneutralität aussieht, ließ sich ausschließlich auf der Website der ClimatePartner GmbH nachlesen, von der dm das Logo bezogen hat. Dies wäre nur dann ausreichend gewesen, wenn sich auf dem Produkt ein Hinweis gefunden hätte, dass es diese Website überhaupt gibt. Für den durchschnittlichen (umweltinteressierten) Verbraucher war dies jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend erkennbar.

Klimaneutralität durch Förderung von Waldschutzprojekten prinzipiell unerreichbar?

Doch damit nicht genug: das Gericht untersagte die Werbung auch deshalb, weil bei allen drei herausgegriffenen Produkten ein klimaneutrales Produkt versprochen wurde, dieses Versprechen aber aus prinzipiellen Gründen nicht eingelöst werden konnte.

Die Kompensation sollte im konkreten Fall über die Zahlung in bestimmte Projekte, unter anderem Waldschutzprojekte erfolgen. Zwar erkannte das Gericht den weltweiten Schutz der Wälder als wichtiges Mittel beim Klimaschutz an. Hieraus ließe sich jedoch nicht schlussfolgern, dass Treibhausgaskompensation über entsprechende Zertifikate ausreichen würden, um ein Produkt – jedenfalls im wettbewerbsrechtlichen Sinne – als klimaneutral zu bezeichnen. Vielmehr gehe der Claim der Klimaneutralität eines Produktes prinzipiell über das hinaus, was mittels CO2-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar ist. Dies begründet das Gericht damit, dass CO2 in der Atmosphäre eine Verweildauer besitze, die weit über die Laufzeit von Waldschutzprojekten hinausgehe (Das konkret betroffene Projekt in Peru hat eine Laufzeit bis 2040.) Ein Wald hingegen speichert CO2 nur vorübergehend, da Bäume, wenn sie gefällt werden, vermodern oder verbrennen, das gespeicherte CO2 wieder abgeben.

Das Gericht kommt daher zu der Bewertung, dass der Claim der „Klimaneutralität“ bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein Verständnis erweckt, das nicht dieser Realität entspricht. Hierin erkannten die RichterInnen eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Alternativ-Begriff „Umweltneutralität“ ebenfalls irreführend

Nicht weniger streng verurteilten die RichterInnen die Werbung mit dem Claim „Umweltneutrales Produkt“. Diese Werbung sei überschießend und damit unzutreffend. Denn unter dem Begriff „Umweltneutralität“ würden die angesprochenen VerbraucherInnen – parallel zum gebräuchlicheren Begriff der „Klimaneutralität“ ein Produkt mit ausgeglichener Klimabilanz verstehen. Und eine solche würden die beworbenen Produkte gar nicht besitzen. In die hierfür durch dm vorgenommene Bewertung seien nur fünf von derzeit 13 Wirkkategorien von Umweltbelastungen eingeflossen. Auch wenn dm dabei die fünf bedeutendsten Kategorien (CO2-Emissionen, Eutrophierung, Versauerung, Sommersmog, Ozonabbau) berücksichtigt hat, sei dies nicht ausreichen für die Bezeichnung als „umweltneutral“.

Diese Behauptung der „Umweltneutralität sei absolut, überschießend und mithin falsch, worin das Gericht einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG erkannte.

UWG schützt Verbraucher und Wettbewerber vor Täuschung und unlauterer Werbung

Das UWG dient dem Zweck, Mitbewerber, Verbraucher sowie sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen zu schützen. Gleichzeitig schützt es das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

Äußerungen, die für Verbraucher irreführend sind, sind daher zurecht untersagt, unabhängig davon, ob Vorsatz bzw. Täuschungsabsicht vorliegt oder nicht. Gleiches gilt übrigens für das Unterlassen bzw. Weglassen von relevanten  Informationen. Je nach Verstoß drohen den Unternehmen Abmahnungen, Unterlassungsklagen. Darüber hinaus kennt das UWG auch Schadensersatzansprüche und Bußgeldvorschriften.

Dass der Markt für (vermeintlich) umweltneutrale, -schonende oder gar umweltfreundliche Produkte wächst, zeigt, dass die VerbraucherInnen sich den Auswirkungen ihres Konsumverhaltens und ihrer Verantwortung zunehmend bewusst sind. Aber auch immer mehr Unternehmen spüren ihre Verantwortung und wollen diese wahrnehmen. Den Vertrieb von Konsumgütern wirklich klimaneutral zu gestalten ist eine kaum lösbare Aufgabe, es wundert daher nicht, dass immer mehr Unternehmen dem Vertrieb ihrer Produkte einfach einen strahlend grünen Anstrich verpassen. Wenn sich dahinter jedoch lediglich Greenwashing verbirgt, kaufen die VerbraucherInnen nicht mehr als allenfalls ein rein(ere)s Gewissen. Das ist ärgerlich für die KundInnen, aber auch für die Wettbewerber, die sich an die Spielregeln halten. Und am Ende kann es dann auch für die Unternehmen teuer werden.

Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ist Unternehmen daher stets zur Transparenz zu raten. Nur so umgehen Unternehmen die rechtliche Auseinandersetzung mit Verbraucher- und Klimaschützern wie der DUV und den Gerichten.