Urheberschutz für Möbelsystem

Regalsystem als angewandte Kunst?

Das Regalsystem des Möbelherstellers USM Haller ist ein echter Designklassiker. Ob Nachahmer, die die Bestandteile der ikonischen Regalsysteme nachahmen "nur" wettbewerbswidrig handeln, oder ob sogar Urheberrechtsverletzungen vorliegen könnten, weil ein "Werk der angewandten Kunst" vorliegt, hat der BGH nun dem EuGH vorgelegt.

Veröffentlicht am: 09.01.2024
Qualifikation: Rechtsanwalt in Hamburg
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Nicht selten streiten Unternehmen vor nationalen Gerichten über den urheberrechtlichen Schutz bestimmter Werke und beschäftigen mitunter auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) damit. So auch aktuell im Rechtsstreit um das bekannte modulare Möbelsystem "USM Haller". Wegen Unsicherheiten bei der Auslegung des urheberrechtlichen Werkbegriffes hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Fragestellung nun dem EuGH vorgelegt (BGH, Beschluss vom 21.12.2023, Az.: I ZR 96/22).

Bekanntes Möbelsystems sorgt für Rechtsstreit

Welche Anforderungen sind an einen Möbelsystem zu stellen, damit es urheberrechtlichem Schutz unterliegen kann? Mit dieser Fragestellung hatten sich jüngst nicht nur der BGH, sondern mittlerweile auch der EuGH zu beschäftigen. Der in der Schweiz ansässige Möbelhersteller USM streitet mit seinem Konkurrenten Konnektra darüber, ob es sich bei seinem Regalsystem USM Haller um angewandte Kunst handelt. Konnektra hatte zunächst in seinem Online-Shop nur Ersatz- und Erweiterungsteile für das Möbelsystem von USM angeboten. Später konnte man in dem Online-Shop auch sämtliche Komponenten bestellen, die auch für den Zusammenbau vollständiger „USM Haller“-Möbel erforderlich sind und dabei sogar preislich günstiger sind. Gegen die, aus Sicht von USM, vertriebenen Plagiateging der Möbelhersteller vor Gericht vor und stützte sich in seiner Klage dabei auf eine Verletzung des Urheberrechts sowie hilfsweise auf den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz. Spätestens seit der Neugestaltung des Online-Shops und der Möglichkeit, sämtliche Einzelteile des Möbelsystems zu erwerben, ziele das Geschäftsmodell von Konnektra darauf ab, ein Möbelsystems zu verkaufen, welches mit dem „USM Haller“ identisch sei.

OLG Düsseldorf: Kein Werk der angewandten Kunst

In der Vorinstanz lehnten die Richter am Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eine Urheberrechtsverletzung ab (Urteil v. 02.06.2022, Az.: 20 U 259/20). Bei dem Möbelsystem handele es sich nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst im Sinne des Urheberrechts. Argumentiert wurde damit, dass die Gestaltungsmerkmale der Möbel nicht Ausdruck freier kreativer Entscheidungen seien, wie es der EuGH nach seiner neusten Rechtsprechung für den Kunstbegriff voraussetze. Vielmehr ging das OLG von einem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz des Möbelsystems aus, da die Gestaltungsmerkmale des Möbelsystems nach ihrem Gesamteindruck auf die Herstellerin hinwiesen. Die Möbelsysteme hätten damit eine wettbewerbsrechtliche Eigenart die durch das Angebot der Konkurrentin Konnektra unlauter verletzt werde. Das Gericht sah in dem Angebot von Konnektra somit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.

Verfahren ausgesetzt – EuGH klärt Vorfragen

Der Streit wurde schließlich vor dem BGH weitergeführt und wird nun zur Klärung weiterer Vorfragen zunächst ausgesetzt und an den EuGH verwiesen. Der BGH hat dem EuGH drei zentrale Frage vorgelegt, die insbesondere die Auslegung des Werkbegriffes betreffen.

Zunächst soll der EuGH den in der EuGH-Rechtsprechung entwickelten Begriff des urheberrechtlich geschützten Werkes weiter erläutern und damit dem BGH bei seiner Entscheidung an die Hand geben. Dabei ist besonders die Frage relevant, ob das OLG mit seiner Einschätzung Recht hat, wenn es mit Blick auf den für Werke der angewandten Kunst ebenfalls in Betracht kommenden Schutz als Geschmacksmuster oder Design von einem Ausnahmecharakter des Urheberrechtsschutzes mit der Folge ausgeht, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen Werkarten. Daneben soll sich der EuGH auch mit der Frage eines subjektiven oder objektiven Maßstabes bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität beschäftigen und damit, ob bei der Beurteilung der Originalität auch auf nachträglich eingetretene Umstände abgestellt werden kann. Sind diese Vorfragen geklärt, wird der BGH in der Sache selbst entscheiden.

Die Frage, ob und wann ein Designmöbel neben einem etwaigen Designschutz auch urheberrechtlichen Schutz genießt, wird aufgrund des starken Schutzes des Urheberrechtes für viele Unternehmen von zentraler Bedeutung sein.