Urheberrechtsverletzung durch Weiterleitung von Fernsehprogramm?

Streit um Kabelweitersendung im Seniorenheim

Kommt es durch Fernseh- und Rundfunkübertragung in Seniorenheimen zu Verstößen gegen das Urheberrecht?

Veröffentlicht am: 23.08.2023
Qualifikation: Fachanwalt für IT-Recht in Hamburg
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Keine Urheberrechtsverletzung durch Fernseh- und Rundfunkübertragung im Seniorenheim – zu diesem Ergebnis kommt das Oberlandesgericht Zweibrücken (Urteil vom 16.03.2023 - 4 U 102/22) und sieht in der Weiterleitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen in die Zimmer der Bewohner eines Seniorenheims keine Verletzung der Urheberrechte.

Streit um Begriff der öffentlichen Wiedergabe

Geklagt hatte eine Verwertungsgesellschaft gegen den Betreiber eines Seniorenheims. Dieser empfing über eine Satellitenanlage Fernseh- und Hörfunkprogramme und leitete diese über ein Kabel in die rund 90 Zimmer der pflegebedürftigen Bewohner. Die klagende Verwertungsgesellschaft sah in der Weiterleitung der Programme eine Urheberrechtsverletzung und klagte gegen den Betreiber auf Unterlassung. Vor dem Landgericht Frankenthal sollte die Klage noch Erfolg haben. Das Oberlandesgericht entschied nun anders.

Oberlandesgericht verneint Urheberrechtsverletzung

Grundlage für den Unterlassungsanspruch ist eine Vorschrift aus dem Urhebergesetz. Nach § 20b UrhG hat nur die Verwertungsgesellschaft das Recht, ein Werk weiterzusenden. Die Richter am Oberlandesgericht sahen diese Norm aber vorliegend nicht als einschlägig an, denn die Weiterleitung an die Heimbewohner sei keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtes. Grund sei der abgeschlossene private Kreis von potenziellen Empfängern der Sendungen.

Das Oberlandesgericht nimmt in seiner Entscheidung auch Bezug auf die Begriffsbestimmung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser verstehe „öffentliche Wiedergabe“ so, dass eine unbestimmt große Anzahl von Adressaten an der Sendung teilhaben können. Diese Voraussetzung sei im Fall der Heimbewohner nicht erfüllt. Zwar handele es sich um viele Personen, sie bildeten aber einen bestimmten privaten Empfängerkreis, der eine gewisse Beständigkeit aufweise. Anders als beispielsweise in Reha-Kliniken oder Krankenhäusern bestehe hier keine hohe Fluktuation der Empfänger, weil sie in der Regel einen gesamten Lebensabschnitt in der Seniorenresidenz verbringen.

Keine einheitliche Rechtsprechung

Die Richter des Oberlandesgerichts stellten damit auf ein Mindestmaß an Verbundenheit unter den Heimbewohnern ab, die anders als in anderen Einrichtungen zu einer anderen rechtlichen Bewertung hinsichtlich einer „öffentlichen Wiedergabe“ führe. Die Bewohner des Seniorenheims seien eher mit einer Miteigentümergemeinschaft zu vergleichen, bei denen den einzelnen Wohnungseigentümern per Gemeinschaftsantenne die empfangenen Sendungen weitergeleitet werden. Dafür sei nicht allein die Tatsache entscheidend, dass alle Bewohner mit dem gleichen Betreiber des Heims Mietverträge hätten, sondern auch die durchaus bestehenden privaten Bindungen unter den Bewohnern. Dies führe insgesamt zu der Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass gerade keine öffentliche Wiedergabe stattfinde. Eine Urheberrechtsverletzung scheide damit aus.

Diese Einschätzung ist dabei nicht unumstritten. Andere Gerichte vertreten im Fall der Weiterleitung in Seniorenheimen durchaus andere Meinungen (Kammergericht Berlin, 24. Zivilsenat, Beschluss vom 10. Juni 2020 - 24 U 164/19 und OLG Dresden, 14. Zivilsenat, Urteil vom 10. Januar 2023 - 14 U 1307/22). Eine beim Bundesgerichtshof anhängige Revision könnte in Zukunft für mehr Klarheit sorgen.