Warum das Bier nicht mehr „bekömmlich“ sein darf

OLG Stuttgart mit einer süffigen Entscheidung im Werberecht

Veröffentlicht am: 10.11.2016
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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OLG Stuttgart mit einer süffigen Entscheidung im Werberecht

Ein Gastbeitrag von Desiree Szitnick

Ca. 106 Liter Bier trinkt der Deutsche durchschnittlich im Jahr. Der Gerstensaft gehört zu unserer Kultur wie kaum ein anderes Lebensmittel. Einige schwören sogar auf warmes Bier als Hausmittel gegen Grippe. Bedeutet das aber gleichzeitig, dass der Bierkonsum auch „gesund“ ist?

Die Richter am Oberlandesgericht in Stuttgart fanden in ihrem Urteil zum Werberecht vom 03.11.2016 eine klare Antwort auf diese Frage. Sie stellten fest, dass mit der Werbung eines Bieres als „bekömmlich“ ein gesundheitlicher Nutzen suggeriert werde, der nach Maßgabe des EU-Rechts für alkoholische Getränke nicht zulässig sei. Die Entscheidung sorgt deshalb für Wirbel in der gesamten Brauerei-Branche.

Allgäuer Brauerei wirbt mit „bekömmlichen“ Bier

Hintergrund des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) aus Berlin und der Brauerei Härle aus Leutkirchen im Allgäu. Inhalt des Streits war die Werbung der Brauerei, in der einige ihrer Biersorten als „bekömmlich“ bewarben.

Die Brauerei argumentierte damit, dass sich die Bezeichnung der Biere auf seine „Genusswürdigkeit“ beziehe. Das sahen die Richter in Stuttgart anders und bestätigten damit das vorherige Urteil des Landgerichts Ravensburg.

Widerspruch zur „Health-Claims-Verordnung“

Die Richter sahen in der Werbung einen unzulässigen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht in Verbindung mit der europäischen „Health-Claims-Verordnung“. Diese soll den Verbraucher vor falschen Versprechen von Lebensmitteln schützen.  In der verwendeten Werbezeichnung sahen die Richter aber genau solch ein falsches Versprechen.

Die Bezeichnung als „bekömmlich“ sei so zu verstehen, wie „zuträglich“ oder „gut verdaulich“.  Mit anderen Worten: Durch die Bezeichnung als „bekömmlich“ werde das Bier als „gesund“ vermarktet. Dies sei demnach als eine gesundheitsbezogene Angabe zu verstehen. Problematisch ist dabei, dass bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent eine gesundheitsbezogene Angabe nicht zulässig ist. Dies schreibt die „Health-Claims-Verordnung“ vor.  

Außerdem sei der Begriff „bekömmlich“ auch als ein „Langzeitversprechen“ zu verstehen, wonach das Lebensmittel auch bei einem längeren Konsum keinerlei schädliche Wirkung habe. Dadurch werde,  so die Richter, aber gerade nicht deutlich, dass durch den Alkoholkonsum Gefahren entstehen und dass der bereits einmalige Konsum negative oder sogar schädliche Auswirkungen für die Gesundheit beinhalten kann. Der Begriff „bekömmlich“ verharmlose also auch die negativen Folgen, die sich aus dem Biergenuss ergeben können und suggeriere zusätzlich noch einen gesundheitlichen Nutzen. Die Richter sahen in der Bierwerbung einen einschlägigen Verstoß gegen das Verbot gesundheitsbezogener Angaben bei alkoholischen Getränken.

Den Winzern geht es nicht besser als den Brauern 

Die Entscheidung kommt nicht ganz überraschend: Bereits 2012 hatte der Europäische Gerichtshof  (EuGH) festgestellt, dass Wein ebenfalls nicht als bekömmlich vermarktet werden darf. Die Richter in Luxemburg hatten bereits in dieser Entscheidung auf die Maßgaben in der „Health-Claim-Verordnung“ verwiesen, wonach auch Wein mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Volumenprozent nicht als bekömmlich und damit als „gesund“ bezeichnet werden dürfe. Hintergrund dieser Entscheidung war die Werbung und Etikettierung von Wein mit reduzierten Säuregehalt, der mit diesem Hinweis als „bekömmlich“ vermarktet wurde.

Die betroffene Winzergenossenschaft aus Rheinland-Pfalz machte im Wesentlichen geltend, dass die Bezeichnung als „bekömmlich“ nur das allgemeine Wohlbefinden beim Konsument des Weines betreffen solle.

Der EuGH machte in seinem Urteil allerdings bereits damals deutlich, dass das Verbot gesundheitsbezogener Angaben bei alkoholischen Getränken auch die Bezeichnung „bekömmlich“ beinhalte. Das im vorliegenden Fall die Bezeichnung als Hinweis auf einen reduzierten Gehalt an säurehaltigen Stoffen dienen solle, sei irrelevant. Der Begriff „gesundheitsbezogen“ setze nämlich nicht zwingend voraus, dass damit eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels suggeriert werde. Es reiche aus, dass die bloße Erhaltung eines Gesundheitszustandes trotz des potenziell schädigenden Verzehrs dem Verbraucher glaubhaft gemacht werde. Der potenziell schädigenden Auswirkungen des Weinkonsums werden also auch hier durch die Bezeichnung als „bekömmlich“ nicht ausreichend Rechnung getragen.

Der EuGH legte damit bereits 2012 mit dieser Entscheidung Grundsätze fest, die für das Werberecht im Bereich alkoholischer Getränke Geltung haben. 

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