Zum Umfang der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats

Aufsichtsräte sind grundsätzlich nicht zur laufenden Überwachung des Vorstandes in allen Einzelheiten verpflichtet.

Veröffentlicht am: 16.08.2012
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Das OLG Stuttgart hat in einer aktuellen Entscheidung zum Umfang der Überwachungspflicht des Aufsichtsrates im Aktienrecht Stellung genommen. Im Beschluss vom 19. Juni 2012 (20 W 1/12) entschied das Gericht, dass der AG-Aufsichtsrat nicht grundsätzlich verpflichtet ist, die Tätigkeit des Vorstands im Detail zu überwachen. Dies gelte jedoch nur, solange keine besonderen Umstände eine stärkere Überwachung rechtfertigen. So sei der Aufsichtsrat in Krisenzeiten, in der Gründungsphase der Aktiengesellschaft und bei Anhaltspunkten für eine Verletzung von Geschäftsführerpflichten stärker gefordert.

 

Hintergrund

Die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft ist ein viel beachtetes Thema Grund zahlreicher Debatten im Aktienrecht. Der Rechtsanwalt bzw. Fachanwalt für Gesellschaftsrecht kommt mit diesen Fragen typischerweise dann in Berührung, wenn Personen zur Haftung herangezogen werden sollen. In dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt war es der Insolvenzverwalter einer insolventen Aktiengesellschaft, der Aufsichtsräte auf Schadensersatz verklagt hatte. Vorfrage in diesen Fällen ist natürlich stets auch die Haftung des Vorstands sowie dessen Rechte und Pflichten im Aktienrecht.

 

Leitsätze der Entscheidung

1. Den Insolvenzverwalter einer Aktiengesellschaft trifft in einem gegen ein Aufsichtsratsmitglied nach §§ 116, 93 AktG geführten Schadensersatzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gesellschaft durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Aufsichtsratsmitglieds in dessen Pflichtenkreis ein Schaden entstanden ist. Das Aufsichtsratsmitglied hat darzulegen und ggf. zu beweisen, dass es seinen Sorgfaltspflichten genügt hat oder es kein Verschulden trifft oder der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.


2. Die laufende Überwachung des Vorstands in allen Einzelheiten ist von dem Aufsichtsrat grundsätzlich nicht zu erwarten. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Aufsichtsrats, einzelne Geschäftsvorfälle, Zahlungseingänge und Buchhaltungsunterlagen zu überprüfen. In Krisenzeiten sowie bei Anhaltspunkten für eine Verletzung der Geschäftsführungspflichten und insbesondere bei Hinweisen auf existenzgefährdende Geschäftsführungsmaßnahmen ist eine intensivere Überwachungstätigkeit erforderlich. Auch bei einer neu gegründeten Gesellschaft können die Anforderungen an die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats gesteigert sein.


3. Der Schaden bei einem Anspruch aus §§ 116, 93 AktG ist nach §§ 249 ff. BGB im Wege der Differenzhypothese zu berechnen. Es ist der Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde.