Ab 2023 bessere Vereinbarkeit von Beruf & Familie

Neues Arbeitsrecht: Kündigungsschutz bei Freistellungen zur Pflege

Ab dem 1. Januar 2023 tritt das Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG) in Kraft. Damit sollen neue Freiheiten zur Vereinbarung von Familie und Arbeit geschaffen werden. Gleichzeitig erwachsen daraus neue Pflichten für Arbeitgeber. Mehr zum neuen Arbeitsrecht im Folgenden.

Veröffentlicht am: 20.12.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht in München
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Familie und Arbeit optimal unter einen Hut zu bekommen, bleibt für viele Arbeitnehmer wohl eine lebenslange Herausforderung. Die Europäische Union hatte in diesem Sinne mit einer Richtlinie bereits die ersten Weiche zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben geschaffen. Dann war es an den EU-Mitgliedsstaaten, diese Richtlinie in eigenes Recht umzusetzen. Der Bundesrat hat nun einem Gesetzentwurf zum neuen Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG) zugestimmt, der Eltern und pflegenden Angehörigen mehr Rechte einräumen soll. Die Änderungen, die dieses Gesetz für Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit sich bringt, werden in diesem Beitrag beleuchtet.

Gesetz schafft mehr Raum für Familie im Arbeitsrecht

Hintergrund des neuen Gesetzes ist die EU-Richtlinie 2019/1158. Diese sollte den Weg für Mindestvorschriften zur Gleichstellung von Männern und Frauen ebnen, um gleiche Arbeitsmarktchancen und Gleichbehandlung am Arbeitsplatz zu schaffen. Die Inhalte der Richtlinie waren bereits weitestgehend deckungsgleich mit deutschem Arbeitsrecht, weshalb lediglich einige Nachbesserungen notwendig waren.

Das Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Ziel ist es, Arbeitnehmern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu vereinfachen. Damit das möglich ist, werden künftig gezielte Sicherheiten und Flexibilität in deutsches Arbeitsrecht integriert. Entsprechende Änderungen finden unter anderem im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, im Pflegezeitgesetz, im Familienpflegezeitgesetz sowie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz statt.

Bisher: Unbegründete Ablehnung von Freistellungen möglich

Die Umsetzung der Richtlinie hat vor allem zusätzliche Pflichten für Arbeitgeber zur Folge. In sogenannten Kleinbetrieben, in denen nicht mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt werden, können Arbeitgeber bislang die Gewährung einer vollständigen oder teilweisen Freistellung zur Pflege ohne jegliche Angabe von Gründen verweigern. Das soll sich mit dem Vereinbarkeitsrichtlinienumsetzungsgesetz jedoch in Zukunft ändern.

Ab 2023: Begründung sowie 4-Wochen-Frist verpflichtend

Wenn Arbeitgeber künftig den Wunsch eines Elternteils, die Arbeitszeit in der Elternzeit zu verringern oder zu verteilen, ablehnen wollen, müssen sie diese Entscheidung begründen. Arbeitgeber in Kleinbetrieben müssen dem Beschäftigten demnächst ab Zugang eines Antrages innerhalb einer 4-Wochen-Frist antworten. Das gilt sowohl für den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz. Auch hier ist im Falle einer Ablehnung des Antrags, diese zu begründen.

Neues Arbeitsrecht schafft Kündigungsschutz während Freistellung

Für Angestellte von Kleinbetrieben gilt weiterhin, dass sie eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz vorzeitig beenden können, wenn der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist. Des Weiteren besteht zukünftig für die Dauer der vereinbarten Freistellung ein Kündigungsschutz für Arbeitnehmer. Für alle Fragen im Zusammenhang mit Diskriminierungen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, soll bald die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zuständig sein.

Arbeitsrecht bietet noch mehr Potenzial für Veränderungen

Kündigungsschutz und die Aussicht auf keine unbegründet abgelehnten Anträge dürften vielen Arbeitnehmern in Zukunft zugutekommen. Es gibt jedoch auch Stimmen, die den Gesetzentwurf als nicht weitreichend genug kritisieren. Deren Meinung zufolge, ist für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben weitaus mehr erforderlich als diese bislang geplanten Änderungen im Arbeitsrecht.

Ein Glück, dass die Ampelfraktionen bereits das nächste Vorhaben geplant haben: Demnächst sollen die Partnerfreistellung nach der Geburt sowie die Weiterentwicklung von Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz mit Einführung einer Lohnersatzleistung in Angriff genommen werden.