BGH zum Titel Fachanwalt für Erbrecht

Minder- oder Höhergewichtung einzelner Fälle umstritten

Veröffentlicht am: 30.05.2013
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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In einem Urteil vom 8. April 2013 befasste sich der Bundesgerichtshof mit den Voraussetzungen für Bezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht". Konkret ging es um eine Regelung aus der Fachanwaltsordnung zur Gewichtung der bearbeiteten Mandate beim Nachweis der praktischen Erfahrung auf dem Gebiet des Erbrechts. In dem zu entscheidenden Sachverhalt hatte der antragstellende Anwalt zwar 94 Fälle bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer eingereicht, diese wurden jedoch so gewichtet, dass unterm Strich weniger als die erforderlichen 80 Mandate herauskamen.

Die Leitsätze des BGH:

  • Jeder eingereichte Fall ist darauf zu prüfen, ob eine Minder- oder Höhergewichtung angezeigt ist.
  • Es müssen tragfähige Anhaltspunkte vorliegen, welche die zuverlässige Beurteilung zulassen, dass der zu beurteilenden Fall außerhalb der Bandbreite eines durchschnittlichen Falles liegt.
  • Eine - auch erhebliche - Mindergewichtung ist vorzunehmen, wenn Wiederholungsfälle eng miteinander verknüpft sind, weil ihnen im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde liegt. Stellen sich in unterschiedlichen Fällen dieselben fachlichen Fragen, kann eine Mindergewichtung der Wiederholungsfälle in Betracht kommen, ist aber nicht zwingend.
  • Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer ist auch in Bezug auf die Höher- oder Mindergewichtung rechtlich gebunden und unterliegt einschließlich ihrer vorausgehenden Würdigung des Fachausschusses in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich uneingeschränkt der richterlichen Nachprüfung.
  • Die Gewichtungsregelung des § 5 Abs. 4 FAO steht mit der verfassungsrechtlichen Anforderung in Einklang.

Hinweis

Der Fachanwalt für Erbrecht gibt es noch nicht einmal 10 Jahre. Entsprechend wenige Anwälte führen den Titel bisher. Fachanwälte für Erbrecht befassen sich u.a. mit der Errichtung und Prüfung von Testamenten, Erbscheinsverfahren, Auseinandersetzungen von Erbengemeinschaften, dem Pflichtteilsrecht und auch Spezialfragen z.B. aus der Testamentsvollstreckung oder der Unternehmensnachfolge. Das Erbrecht ist damit sicher kein Rechtsgebiet, dass von einem Generalisten "nebenbei" seriös bearbeitet werden kann, sondern erfordert als sehr eigenständiges Rechtsgebiet mit einer vielzahl gesetzlicher Regelungen und gerichtlicher Entscheidungen und Anknüpfungspunkte vor allem zum Steuerrecht, Gesellschaftsrecht oder Familienrecht eine gewisse Spezialisierung. Die Erlangung des Fachanwalts für Erbrecht aufgrund eines erfolgreich absolvierten theoretischen Fachkurses sowie dem Nachweis einer Vielzahl verantwortlich bearbeiteter Mandate aus dem erbrechtlichen Bereich ist dabei grundsätzlich geeignet eine solche Spezialisierung zu dokumentieren.