CO2-Zertifikate und die Blockchain

Chancen für Nachhaltigkeit und rechtliche Herausforderungen

Im Moment entstehen blockchainbasierte Handelsplätze, auf denen interessierte Unternehmen und Privatpersonen sogenannte freiwillige CO2-Zertifikate in Token-Form erwerben können.

Veröffentlicht am: 29.11.2023
Qualifikation: Rechtsanwalt in Berlin
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Es treffen zwei Zukunftsthemen aufeinander, bei denen es aus rechtlicher Perspektive einiges zu klären gibt. Hier unser Einstieg: In einer Zeit, in der der Klimawandel eine der größten Herausforderungen darstellt, gewinnt der freiwillige Kohlenstoffmarkt („Voluntary Carbon Market“, VCM) zunehmend an Bedeutung. Für Unternehmen, die ihre Emissionen kompensieren und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten wollen, stellt dieser Markt nicht nur eine ökologische, sondern auch eine rechtliche Herausforderung dar. Hier beleuchten wir die Bedeutung freiwilliger CO₂-Zertifikate und die aufkommende Rolle der Tokenisierung in diesem Bereich und was das für die Zukunft bedeuten kann.

Freiwillige und regulierte CO₂-Zertifikate

Freiwillige CO₂-Zertifikate sind abzugrenzen von Zertifikaten, welche Unternehmen aufgrund von staatlichen Vorgaben erwerben müssen, weil sie als besonders energieintensive Unternehmen im Hinblick auf den CO₂-Ausstoß reguliert werden. Letztere stellen praktisch eine Erlaubnis dar, in dem zugeteilten Umfang CO₂ zu emittieren. Wenn ein Unternehmen mehr oder weniger verbraucht, dann kann es CO₂-Zertifikate über eine regulierte Börse verkaufen oder bei Bedarf ankaufen.

Freiwillige CO₂-Zertifikate sind hingegen an bestimmte klimafreundliche Projekte gekoppelt, durch die CO₂ gebunden oder der Ausstoß verhindert wird, z. B. durch Aufforstung oder Carbon Engineering. Solche Projekte werden dann im Hinblick auf ihr CO₂-Einsparpotenzial geprüft. Wenn sie die entsprechenden Kriterien erfüllen, dann können sie in dafür geschaffenen Registern registriert werden. Dort werden die Projekte öffentlich vorgestellt und die CO₂-Ersparnis dokumentiert. Dies kann in Zertifikaten verbrieft werden, die dem Zertifikatsinhaber bescheinigen, dass ihm das Recht zusteht, die Zertifikate an Dritte zu übertragen (insbesondere auch zu verkaufen), oder diese „stillzulegen“, was im Register vermerkt wird. Der Zertifikatseinhaber kann somit entweder auf eine Wertsteigerung spekulieren oder durch Stilllegung öffentlich dokumentieren, dass er in Klimaschutz investiert hat.

Die Idee hinter CO₂-Zertifikaten

Durch freiwillige CO₂-Zertifikate sollen klimafreundliche Projekte Zugang zu den Kapitalmärkten erhalten. Bisher konnten Unternehmen an solche Projekte Geld nur in Form von Spenden geben, wenn sie diese fördern wollten. Durch eine Zertifizierung der CO₂-Ersparnis wird dieser Klimanutzen in einer Art Wertpapier dokumentiert und standardisiert und damit handelbar. Investoren können auf Wertsteigerungen spekulieren oder durch Stilllegung der Zertifikate ihr Investment in den Klimaschutz dokumentieren.

Auf diesem Weg sollen erhebliche Kapitalströme in den Klimaschutz gelenkt und damit eine wichtige Voraussetzung erfüllt werden, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Diese Kapitalströme stehen dann für Projekte zur Verfügung, die sonst nicht hätten realisiert werden können. Am Beispiel Aufforstung lässt sich das verdeutlichen: Bisher waren Aufforstungsprojekte unrentabel. Es sind erhebliche Investitionen notwendig, aber finanziell gibt es grundsätzlich keine Kompensation dafür. Impact Investment Projekte, wie zum Beispiel The Generation Forest, setzen zwar auch auf Erträge aus nachhaltigem Holzeinschlag. Dies ist hat jedoch eine extrem langfristige Perspektive und die zu erwartenden Erträge sind oft gering oder negativ. Durch die Einnahmen aus den CO₂-Zertifikaten können solche Projekte die Investitionskosten kompensieren und ggf. sogar profitabel sein. Es werden in entsprechendem Umfang Mittel frei, die dann für neue Projekte verwendet werden können.

Greenwashing und rechtliche Herausforderungen

Es gibt jedoch auch erhebliche Herausforderungen. Man kann sich vorstellen, dass es gar nicht einfach ist, den CO₂-Impact eines Projektes so genau zu bestimmen, dass er zertifiziert werden kann. Zunächst braucht es Standards. Davon gibt es noch eine ganze Reihe, die bekanntesten sind Verra und der Gold Standard. Die Einhaltung dieser Standards muss durch geeignete Prüfer geprüft werden, welche dies in entsprechenden Berichten dokumentieren und die Einhaltung der Standards gewährleisten. Die Projekte liegen dabei oft in denjenigen Regionen der Welt, die über wenig Infrastruktur und geringe Dienstleistungsstandards verfügen. Auch wenn sich inzwischen viel entwickelt hat und der Bereich sich zunehmend professionalisiert, ist es immer noch eine Art Wild-West-Situation. Daraus resultierten in der Vergangenheit viele Fälle von Greenwashing, in denen die positiven Klimaeffekte oft nur vorgetäuscht wurden, was das Vertrauen in den Markt untergräbt.

Durch die Herausbildung von anerkannten Standards und einer transparenten und professionellen Infrastruktur muss dem begegnet werden. Erst wenn der freiwillige CO₂-Markt etabliert ist, sodass Investoren auf Standards und Reputation der beteiligten Institutionen vertrauen können, kann dies das volle Potenzial für den Klimaschutz entfalten.

Die beschriebenen Herausforderungen sind bereits bei eindimensionalen Zertifikaten, welche nur an die CO₂-Wirksamkeit knüpfen, sehr erheblich. Dabei liegt es auf der Hand, dass komplexere Zertifikate noch größere Herausforderungen darstellen. Wenn zum Beispiel ein Aufforstungsprojekt nicht nur CO₂ reduziert, sondern außerdem aus Umweltsicht in besonders wertvoller Weise aufgeforstet wird und außerdem die Menschen vor Ort eingebunden werden und dadurch eine Ausbildung erhalten und Lohn und Brot kommen, dann wird eine entsprechende Nachprüfung und Bildung von Standards noch deutlich komplexer. Trotzdem ist dies wünschenswert und Impact Investoren bevorzugen gerade solche Zertifikate.

Einsatz der Blockchain und tokenbasierte Handelsplattformen

Ein wesentliches Problem ist die mangelnde Standardisierung und Transparenz des freiwilligen CO₂-Marktes. Die Blockchain-Technologie ist genau zur Behebung solcher Probleme geschaffen worden. Zudem werden grundsätzlich keine Intermediäre mehr benötigt, was entsprechend Vermittlungs- und Zentralisierungskosten spart. Kein Wunder daher, dass neu entstehende Marktplätze auf denen Projektanbieter und CO₂-Investoren zusammengebracht werden sollen, auf Blockchain und Token setzen. Dadurch werden transparente Standards eingesetzt und sichergestellt, dass CO₂-Zertifikate nur einmal verwendet werden können.

Allerdings stellen sich in diesem Zusammenhang weitere rechtliche Fragen aufsichtsrechtlicher Natur. Inwieweit die Token als Wertpapier einzustufen sind mit entsprechenden aufsichts- und prospektrechtlichen Folgen auch für die blockchainbasierten Handelsplattformen und die in das Feld eingebunden Vermittler und Berater muss rechtlich sauber geprüft und dokumentiert werden. Sonst drohen durch Rechtsverstöße Bußgelder und Strafen, sowie weitere Reputationsschäden, die den Durchbruch für Klimazertifikate erschweren.

Ausblick

Freiwillige CO₂-Zertifikate, und allgemein Klimazertifikate, setzen sich mithilfe der Blockchain immer weiter durch. Es entsteht ein spannender neuer Kapitalmarkt, der die Kapitalströme in Richtung von Klima- und Umweltschutzzielen lenkt. Zwar steckt das alles noch in den Kinderschuhen. Aber gegenüber den Anfängen vor 20 – 30 Jahren hat bereits eine erhebliche Entwicklung stattgefunden.

Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen werden durch den Gesetzgeber weiter festgesteckt, zuletzt mit der EU-Verordnung MiCAR zur Regulierung des Markts für Kryptowerte.

Es deutet auch viel darauf hin, dass die freiwilligen Zertifikate direkt oder indirekt immer unfreiwilliger werden. Wenn die Berichtspflichten zum ESG sich weiter verschärfen, werden immer mehr Unternehmen ihre Reputation durch Investitionen in Klima-Zertifikate schützen bzw. stützen wollen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass solche Zertifikate auch für bisher nicht von den regulierten CO₂-Zertifikaten betroffene Unternehmen verpflichtend werden, um den eigenen CO₂-Fußabdruck zu kompensieren. Das würde die Nachfrage massiv erhöhen und in der Folge natürlich auch das Potenzial für die dadurch finanzierten Klimaprojekte.

Die freiwilligen CO₂-Zertifikate sind ein wichtiges Mittel, um die Klimaziele zu erreichen. Die Strukturen darum entwickeln sich zunehmend weiter und die Blockchain hat das Potenzial diese Entwicklung noch einmal deutlich zu beschleunigen.