Ehe- und Erbvertrag muss nicht herausgegeben werden

Amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht

Ein kombinierter Ehe- und Erbvertrag kann aus der amtlichen Verwahrung beim Nachlassgericht nicht mehr herausgenommen werden.

Veröffentlicht am: 19.10.2023
Qualifikation: Rechtsanwältin für Erbrecht in Hamburg
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Wer mit seinem Ehepartner einen kombinierten Ehe- und Erbvertragerrichtet und diesen in die besondere amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht gibt, kann diesen im Nachhinein nicht mehr herausfordern. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem aktuellen Beschluss vom 19. September 2023 (21 W 63/23). In diesem Beitrag erläutern wir die Einzelheiten Entscheidung sowie die Folgen für die Praxis.

Erst kombinierter Ehe- und Erbvertrag, dann gemeinschaftliches Testament

Die miteinander verheirateten Erblasser errichteten im Jahr 2011 beim Notar einen sogenannten kombinierten Ehe- und Erbvertrag. Konkret errichteten Sie dadurch eine einzelne Urkunde, in welcher sie zunächst unter Punkt I. einen Ehevertrag schlossen. Punkt II. derselben Urkunde enthielt dann auch noch erbvertragliche Regelungen. Da die Urkunde damit auch letztwillige Verfügungen wie in typischen Testamenten enthielt, wurde dieser kombinierte Ehe- und Erbvertrag im Anschluss beim Nachlassgericht in amtliche Verwahrung gegeben, wie es für notarielle Testamente und Erbverträge üblich ist.

Im Jahr 2018 errichteten die immer noch miteinander verheirateten Erblasser ein neues gemeinschaftliches Testament. Hierin bestimmten sie unter anderem, dass die Regelungen unter I. zum Ehevertrag weiter gelten sollen und dass die Regelungen zum Erbvertrag unter II. aufgehoben werden sollen. Darüber hinaus trafen sie anderslautenden testamentarische Verfügungen für den Fall ihres Todes.

Rückgabe des Vertrages wurde zu Recht verweigert

Nachdem auch dieses gemeinschaftliche Testament in amtliche Verwahrung gegeben worden war, wollten die Ehegatten den kombinierten Ehe- und Erbvertrag aus dem Jahr 2011 aus der für letztwillige Verfügungen vorgesehen amtlichen Verwahrung nehmen. Dies wurde vom Nachlassgericht zunächst verweigert, da das Gesetz eine Herausgabe von Eheverträgen aus der amtlichen Verwahrung nicht vorsehe. Die Eheleute legten gegen diese Entscheidung Rechtsmittel ein, sodass sich im Anschluss das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit der Frage zu beschäftigen hatte, ob das Nachlassgericht den kombinierten Ehe- und Erbvertrag aus der amtlichen Verwahrung herausgeben muss.

Dieses schloss sich allerdings der Meinung des Nachlassgerichts an und entschied, dass das Dokument nicht an die Ehegatten zurückzugeben ist.

Abwägung von Rechtssicherheit und Recht auf informationelle Selbstbestimmung

In dem Beschluss erläutert das Gericht, dass für die Entscheidung eine Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Rechtssicherheit vorgenommen werden müsse. Auf der einen Seite sollen Erblasser nämlich das Recht haben, frei zu entscheiden, welche Testamente und Erbverträge beim Nachlassgericht verwahrt werden und welche damit nach dem eigenen Tod eröffnet und den potenziellen Erben zugeschickt werden. Auf der anderen Seite dürfen Eheverträge aus Gründen der Rechtssicherheit nicht aus der amtlichen Verwahrungen genommen werden. Da es sich hier um einen nicht trennbaren kombinierten Vertrag handelte, musste das Oberlandesgericht Frankfurt eine Abwägung treffen. Es kam zu dem Entschluss, dass die Rechtssicherheit überwiege und begründete dies in erster Linie damit, dass sich die Ehegatten ja freiwillig dazu entschieden hatten, den kombinierten Vertrag beim Nachlassgericht in amtliche Verwahrung zu geben. Sie hätten sich auch für eine einfach amtliche Verwahrung entscheiden können, welche dazu geführt hätte, dass der Erbvertrag nicht zwingend nach dem Tod eröffnet worden wäre.

Erben werden vom Inhalt des Erbvertrages zwingend erfahren

Im Ergebnis bedeutet dies für die Eheleute nun, dass der bereits widerrufene Erbvertrag nach deren Tod eröffnet und den potenziellen Erben zugesendet werden wird. Dies heißt jedoch nicht, dass dieser auch Wirkung entfalten wird. Sofern die Erblasser durch ihr gemeinschaftliches Testament den vorherigen erbvertraglichen Teil wirksam widerrufen haben, dürfte der vorherige Erbvertrag keine Wirkung mehr entfalten. Offensichtlich hatten die Eheleute allerdings ein Interesse daran, dass die späteren Erben nach ihrem Tod vom Inhalt des ersten Erbvertrages keine Kenntnis erlangen.

Folgen für die Praxis

Auch wenn die Rechtsprechung hier nicht einheitlich ist und die Frage der Herausgabe von kombinierten Ehe- und Erbverträgen unterschiedlich behandelt, sollte vor diesem Hintergrund vorsichtshalber davon abgesehen werden, einen Ehe- und einen Erbvertrag in einer gemeinsamen Urkunde zu errichten. Die Motivation hierfür dürfte allerdings ohnehin nicht so hoch sein, da seit Einführung des Gerichts- und Notarkostengesetzes kein Kostenprivileg für derartige kombinierte Verträge mehr besteht. Sollten sich Ehegatten aus Gründen doch für eine Kombination beider Verträge entscheiden, dann empfiehlt sich, diesen nur in einfache amtliche Verwahrung zu geben, statt die besondere amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht zu wählen.